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hatte; unaufhaltsam war die verbesserte Lehre in alle Länder deutscher Zunge, selbst über Deutschland hinaus, gedrungen; seine Schriften wurden vom Wahrheitsdurstigen Volke mit Begierde geles sen und verbreitet; das neue Testament, welches von ihm unnachahmlich treu überseßt, im Jahre 1522 ausgegeben war, überzeugte viele Tausende von der Nothwendigkeit einer Kirchenverbesse. rung. Der kühne Reformator, der weder vor Leo's X. Verdammungsbulle, noch vor dem Kaiser und der Reichsversammlung in Worms gezittert hatte, war längst wieder von der Wartburg nach Wittenberg gekommen, um durch Lehre und Schrift, durch Beispiel und Ermunterung das Reich Gottes gegen seine Feinde in Schuß zu nehmen. Große Unruhen hatten Deutschland zerrüttet, und selbst der Mißbrauch der Lehre wurde Luther'n aufgebürdet. Aber das Evangelium gewann immer mehr Boden, und vergeblich waren die Anstrengungen des Kaisers und der katholischen Fürsten, das Wormser Edict in Vollzug zu sehen.

Nun bewirkte die Verbindung der evangelis schen Fürsten zu Torgau (1526) einen gemilderten Beschluß zu Speier; denn jeder Theil sollte es mit der Lutherischen Lehre so halten, wie man es vor Gott und dem Kaiser zu verantworten sich getraue. Freilich dauerte dieser scheinbare Friede nicht lange. Auf vielfaches Ansuchen der katholischen Stände schrieb Kaiser Carl V. nach zwei Jahren einen neuen Reichstag aus, weil so böse und verderbliche Lehre

und Irrsal im Glauben entstanden und täglich mehr ausgebreitet werde, daß dadurch nicht allein die christlichen und löblichen Geseze der Kirchen, Gott zur Schmach verächtlich gehalten, sondern auch die deutsche Nation zu Empörungen, Jammer und Blutvergießen entzündet worden sei." Dies sem Ausschreiben gemäß wurde auch im März 1529 von der Reichsversammlung in Speier ents schieden: das Wormser. Edict solle in Kraft bleis ben, wie es bisher der Fall gewesen, in den evangelischen Ländern aber solle die neue Lehre gehemmt und den Unterthanen namentlich die Messe wieder aufgedrungen werden.

Gegen diese und ähnliche Beschlüsse beschwers ten sich die evangelischen Stände feierlichst am 19. April 1529), und schloßen ihre Erklärung mit folgenden Worten:,, Wo aber diese ihre dritte Anzeige und Beschwerung keine Statt finden sollte, so protestiren sie hiemit vor Gott, unserm einis gen Erschaffer, Erhalter, Erlöser und Seligmas cher, der allein unser aller Herzen erforsche, und demnach recht richten werde, und auch vor allen Menschen und Kreaturen, daß sie für sich, die Ihrigen, und allermänniglichs halben in alle Handlung und vermeinten Abschied, so in gemeldten oder andern Sachen wider Gott und sein heiliges Wort, unser aller Seelen Heil und gut Gewissen

Vgl. J. J. Müller's Historie von der evangelischen Stande Protestation und Appellation wider den Reichsabschied zu Speier. S. 76 ff.

auch wider den vorigen und angezogenen Speies rischen Reichsabschied vorgenommen, beschlossen und gemacht worden, nicht gehehlen noch willigen, sondern aus angezeigten und andern redlichen Gründen alles für nichtig und unbündig halten, auch ihre Nothdurft öffentlich ausgehen lassen und kaiserliche Majestät davon gründlichen Bericht thun, anbei sich aber nach vorigem Speierischen Abschied verhalten wollen *)“.

Mit dieser Protestation, welche den Evans" gelischen den Namen der Protestanten erwor ben hat, verbanden die Fürsten am 25. April noch eine Appellation, in welcher sie von jeder bes reits erlittenen oder noch drohenden Unbill an den Kaiser, an ein freies, allgemeines Nationalcons cilium, aber auch an jeden unparteiischen und christlichgesinnten Richter für sich, ihre Unterthas nen, ihre jezigen und künftigen Anhänger appellirten. Die Protestation und Appellation unterschries ben sechs Fürsten und vierzehn Städte. Fürsten waren: der Churfürst Johann von Sachs sen, der Markgraf Georg von AnsbachBaireuth, die Herzoge Ernst und Franz von Braunschweig - Lüneburg, der Landgraf Philipp von Hessen, und Fürst Wolfgang von Anhalt. Die Städte waren: Strasburg, Nürnberg, Ulm, Costnih, Lindau, Memmingen, Kempten, Nörds

*) Sedendorf's Lutherthum. Leipz. 1741. S.944.

Die

lingen, Heilbronn, Reutlingen, Jsny, St. Gal len, Weißenburg und Windsheim.

Besonders zeichnete sich Nürnberg auf dies sem Reichstage aus; denn der Rath hatte seine Gesandten mit einer gründlichen und ausführlichen Instruction versehen, durch welche viele andere Stände зи einem gleichen Eifer aufgemuntert wur den *).

Dieß veranlaßt mich einen Augenblick den ans gefangenen. Faden fallen zu lassen, und der Einführung der Reformation in Nürnberg und den angränzenden Gebieten zu gedenken. Nicht nur meine Vaterlandsliebe, sondern auch das Interesse, welches diese Abschweifung für meine Mitbürger haben dürfte, werden mir zur Entschuldigung dienen.

S. 3.

Von der Einführung der Kirchenverbesserung in Nürnberg und in den Fürstenthümern Ansbach und Baireuth.

Es war keine Stadt in Deutschland zu Anfang des sechszehnten Jahrhunderts, welche in Bildung des Geistes, in Erfindungen und Ent deckungen, in Kunst und Gewerben, in Reichthum und Ansehen mit Nürnberg hätte wetteifern können. Große Staatsmänner, die an der Spizze der Verwaltung standen, der Zusammenfluß von Fremden aus allen Nationen, die Anwesenheit der

* Sedendorf a. a. D. S. 955.

Kaiser and vieler Fürsten, der Welthandel, an dem Nürnberg vorzüglichen Antheil nahm, die mathematischen und klassischen Studien, welche hier eine treue und folgenreiche Pflege fanden, dieß und noch so manches Andere entzündete die Geister zum Nachdenken über das Bestehende, zur Verbesserung des Mangelhaften, und wo von außen ein Impuls gegeben wurde, da waren die Nürnberger nicht träge, zu fördern, was dem Gemeinwohle oder der Ehre Gottes nüßlich schien. Und wenn auch die Staatsklugheit Zögerung gebot,, und sorgfältige Prüfung aller möglichen Nachtheile den Gang der öffentlichen Angelegenheiten bezeich nete, so war doch der vorurtheilsfreie muthige Geist der Bürger ein mächtiger Hebel, um dem Geiste der Zeit Bahn zu machen.

Im Jahre 1516 erließ der Nürnberger Rath an Groland, einen Rathsfreund, ein Schreiben, worin er ihm mittheilte, daß die päbstlichen Ablaßkrämer abgewiesen seien. Darin steht:,,daß wir folches Fürnehmen mehr für eine Verfüh rung des gemeinen, einfältigen Volks, denn einige genießliche Förderung ihrer Seelen achten und halten *).“ Als nun Luther im folgenden

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* Vgl. Strobel's Miscellaneen literarischen Inhalts ste Samml. S. 47. Wißig sagt von der Lith in seiner Reformationshistorie S. 11: Es war ja ein Werk der Barmherzigkeit, so viele vermögliche Kaufleute (in Nürnberg) beides von der schweren Last des überflüssigen Reichthums und von dem abscheulichen Fegfeuer erlösen." Das selbst stehen mehrere interessante Notizen von dem kräfti

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