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auf diese Weise hätte bewirkt werden können. Am leichtesten gieng es bei dem ersten streitigen Punkte von der Erbsünde. Es wurde zugegeben, daß die Schuld der Erbsünde nach der Taufe nicht mehr übrig wäre, daß man dieses aber von der bösen Lust sagen könnte. Ob aber diese Lust Sünde ist, ließ man unberührt. Viel schwieriger war der Vergleich in der Lehre von der Recht fertigung durch den Glauben. Eck schlug vor, das Wörtchen allein wegzulassen; *) die Evange lischen waren auch bereit, sich so auszudrücken, daß die Vergebung der Sünde erstens und förmlich durch die Gnade geschehe, dadurch wir einen gnäs digen Gott haben, der uns gerecht mache, dann durch den Glauben, durch Gottes Wort und die Sacramente, als die Mittel. Man vereinigte sich ferner, daß kein gutes Werk an sich verz dienstlich wäre, sondern nur durch die Gnade Got: tes verdienstlich würde. In welchem Sinne aber das Wort verdienstlich (belohnungsfähig) von den

*),,Schickt das Wort sola, sagte Ec, zu den Schustern; die wissen die Sohlen gut zu gebrauchen." Er berief sich dabei nicht nur auf Schriftstellen, welche den Werken allein eine Verdienstlichkeit zuzuschreiben scheinen, sondern berührte auch das Anstößige und Gefährliche der protestantischen Lehre für den gemeinen Mann. Allein dieß erklärt sich eben daraus, daß Eck unter Glaube nur ein Fürwahrhalten der Offenbarung, nicht aber die lebendige Ueberzeugung von Christo, dem Erlöser von Sünde und Tod verstand. Ein solcher Glaube ändert die ganze Natur des Menschen, so daß dieser nothwendig Gottes Gebote erfüllt. Ist aber das nicht der Fall, so ist auch der Glaube nicht vorhanden.

Protestanten genommen wurde, ließ sich leicht er rathen. Bei der Lehre vom Abendmahle verlangten die Katholiken, daß die Gegenwart des Leibes wahrhaftig und wesentlich genannt werden müßte, was mit Luther's Vorstellung im Einklange zu seyn schien. Es war aber nicht an Brodvers wandlung zu denken, wie das deutsche Volk längst aus Luther's Schriften wußte. In der Lehre von der Kirche gaben die Protestanten zu, daß auch Unheilige und Sünder in der Kirche wären; sie erklärten sich aber nicht, welche Kirche, ob die sichtbare oder unsichtbare, gemeint sei. Im Artikel von der Beichte räumten sie ein, daß es gut wäre, wenn ein Mensch die Sünden bekennete, deren er sich schuldig wüßte; sie sagten aber nicht, daß es nothwendig sei. Auch von der Buße gaben sie zu, daß man die Genugthuung oder die guten Früchte den dritten Theil der Buße nene nen könnte; aber das leugneten sie, daß dieselbe zur Vergebung der Sünden nöthig wäre. *) Ueber die Heiligen gaben die Gegner nach, daß in der

*) Dieß konnten sie deßwegen nicht einräumen, weil sie alles Verdienst blos auf Christum bezogen, und weil mit der Lehre von der Genugthuung die vom Fegfeuer und Ablasse zusammenhängt. Ueber das Fegfeuer lehrt die katholische Kirche, es gebe einen dritten Ort, wo die Seelen, die noch einige, wiewohl nicht schwere, Schuld auf sich haben, gereinigt werden. Unter Ablaß versteht sie seit dem Trienter Concilium (1563) die Nachlassung der strengen Büßungen in Anbetracht der Verdienste der Mártyrer und anderer Auserwählten und Freunde Gottes. Dem Sünder werden die strengen Büßungen, damit auch die noch übrigen Strafen der Sünde, die durch

heiligen Schrift kein ausdrückliches Gebot über ihre Anrufung vorhanden ist; dagegen wurde ihre Fürbitte für die Gläubigen auf Erden auch von den Protestanten angenommen.

So schien es, als wenn eine Einheit in den Glaubenslehren hergestellt wäre. Allein der Unters schied trat um so greller hervor, als man über die sogenannten Mißbräuche zu unterhandeln kam. Es wurde von den Katholiken eingeräumt, daß man Mehreres bis zu einem allgemeinen Concis lium belassen wollte; es sollte bis dahin mit Erz laubniß des Pabstes an den protestantischen Ors ten das Abendmahl unter beiden Gestalten auss getheilt werden dürfen; es müßte aber gleichwohl gelehrt werden, daß es kein göttliches Gebot wäre, vielmehr würde Christus unter jeder der beiden Gestalten empfangen, und wer es begehrte, dem sollte das Abendmahl unter Einer Gestalt ges reicht werden. Wer konnte aber erwarten, daß dieß die Protestanten thun würden? *) Die Pris vatmessen sollten nach alter Art gehalten were den, und es wäre darunter ein sacramentliches und wiedergedächtliches Opfer zur Erinnerung an das Todesopfer Christi zu verstehen. Dieß war

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solche verbüßt werden sollen, nachgelassen, in so ferne er seine Sünden reumüthig beichtet, und die von der Kirche noch besonders vorgeschriebenen guten Werke verrichtet. Onymus' Glaubenslehre der kathol. Kirche. S. 174.

*) Vgl. Luther's Brief an den Churfürsten Johann» vom 26. Aug. bei de Wette. Th. 4. S. 140 ff.

aber den protestantischen Grundsäßen zuwider, *): und wurde daher verworfen. Mit dem Meßkanon wäre die Lehre vom opus operatum (Wirkung des Sacraments schon an und für sich durch die Hands lung) wieder in die Kirche gekommen, sammt dem einträglichen Handel der einzelnen Messen. We gen der Priester ehe erboten sich die Katholiken, die bereits verheiratheten Geistlichen im Ehestande zu dulden, und man ließ hoffen, daß sie durch eine besondere Dispensation des Pabstes oder seines Lei gaten auch in ihren Aemtern bleiben dürften. Aber von nun an sollte kein Geistlicher mehr heirathen dürfen, oder sofort seines Amtes entseßt und des Landes verwiesen werden. Doch könnte man auf dem künftigen Concilium wegen Aufhebung des Cölibatgesezes berathen. Auch diese Dispensatios nen und Vertröstungen mußten die Protestanten geradehin berwerfen. "**):

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So gieng es auch mit den übrigen Punkten. Die Evangelischen wollten die Kirchenceremos nieen der Gleichheit und Einigkeit wegen halten, aber nicht als nöthige Gottesdienste und mit Be schwerung der Gewissen; in den Weihfasten wes

S. 117 ff.

*) Vgl. Luther's Brief an Melanchthon vom 20. Jul. bei de Wette. Th. 4. S. 103. u. an Spalatin vom 27. Jul. bei de Wette. Th. 4. S. 113. An Spengler im Jul. bei de Wette. Th. 4. **) Vgl. Luther's starke Aeußerung über die Dispensatio= nen in seinem Briefe an Jonas, Spalatin, Melanchthon Hound Agricola vom 15. Jul. bei de Wette. Th. 4. S. 96 ff.

gen der Fleischspeisen und Feiertage gaben sie Vieles nach den Mönchen und Nonnen wolls ten sie es freistellen, in ihren Klöstern zu bleiben, oder sie zu verlassen; die Güter der erledigten Klöster wollten sie zum Unterhalt der ausgetretenen Personen, zur Versorgung der Prediger, zum Be ften der Kirchen und Schulen von der Obrigkeit vers walten lassen. Den Bischöffen gestanden sie ihre kirchliche Regierungsgewalt zu, doch so, daß sie in der Predigt des göttlichen Wortes, in der Austheis lung der Sacramente, in der Weihe der Priester und Aufsicht über ihr Leben, auch im Gebräuche des Bannes nicht fehlen *). Sie schloßen nür das Uebergreifender Bischöffe in die Staatsgewalt

aus.

Wenn nun eine Einheit in vielen Punkten hergestellt zu seyn schienz in andern die Gegensähe gemildert waren, und nur in Gebräuchen und eini gen wenigen Artikeln die Hauptverschiedenheit obe waltete, so folgt doch nicht daraus, daß die kas tholischen Theologen, die recht wohl den Sinn, in welchem die Protestanten ihre Säße nahmen, ver

129. Den Bi.

*) Rotermund, a. a. D. S. 127 schöffen traute Luther nicht, obschon er so gut wie Melanchthon aus triftigen Gründen die bischöfliche Verfassung beibehalten wissen wollte:,, Wegen das der Bischöffen wiedergegebenen Gerichtsbarkeit und gemeinsamen Gebräuche, fehet euch dennoch wohl vor, und gebt nicht mehr, denn ihr habt, damit wir nicht von Neuem zu einem schwierigeren und gefährlicheren Kampfe für die Vertheidigung des Evangeliums gezwungen werden." Aus Lutber's Br. an Mel. vom 26. Aug.

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