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die verschiedenartigen Interessen, die der Kaiser und seine katholische Umgebung im Auge hatten, dann den wachsenden Muth der Protestanten und die wankende Treue auch katholischer Fürsten und Bischöffe, den Unwillen des Pabstes und seine Furcht vor einem allgemeinen Concilium, auf das sich die Protestanten beriefen, die getäuschten Erwartungen und die gekränkte Eitelkeit des Kais sers -man braucht nicht mehr, um vom Standpunkte desselben die Verdammung der protestantis schen Kirche und die Bekriegung der protestantischen Fürsten als wohl begründet anzusehen. *)

Wirft man vom Kaiser einen Blick auf die Protestanten, so ist es wohlthuend, mehr evange

*) Wir stimmen daher dem besonnenen Camerar ganz bei, wenn er hierüber schrieb: In Germaniam progrediendum Carolus statuit, si quo modo praesens, quod operae pretium esset, efficere, et laboranti Reipbl. conturbataeque ecclesiae opem ferre posset. In qua parte et consilia ipsius recta et veras rationes fuisse, multa vel plurima potius sunt argumento. Cf. Melanchthonis vita, ed. Strobel p. 119. Was Melanchthon über Carl ge= schrieben hat (Epp. Mel. a, C. Peucero p. 363 sq.), kann für Melanchthon's aufrichtige Ueberzeugung genommen werden, wenn gleich hierin Plank (Gesch. d. prot. Lehrbegr. 3, 37) leere Declamation, deren Inhalt Melanchthon selbst nicht gewußt habe, gefunden haben will. Eben so berichten die Nürnberg. Gesandten am 19. Juni: Ihre Maj. hab gesagt, sie wollt allein von des Handels wegen, daß fie gut deutsch könnte und dagegen gleich der Sprach eine, es wáre Spanisch oder Französisch, mangeln und dazu eines Landes minder haben sollte. Das achte ich auch für ein gut Herz, daran man spüren mag, daß Ihr Maj. dennoch der Sach gern guten Bericht und Verstand hätte." Reichstags Acta, Bl. 65.

lische Einfalt, als menschliche Klugheit und Vors sicht wahrzunehmen, und ihre Schritte von der Gerechtigkeit ihrer Sache und dem festen Vertrauen auf Gottes gnädigen Beistand geleitet zu sehen. Zwar hatte der rasche Landgraf Philipp von Hessen seine Besorgnisse wiederholt zu erkennen ges geben; denn er und die meisten Protestanten sahen in dem kaiserlichen Ausschreiben nichts als Tücke. Auch wurde am churfürstlichen Hofe von Zurüstun gen zum Kriege gesprochen, und von den Theolo gen waren Bedenken wegen ihrer Rechtmäßigkeit eingeholt worden. Aber die Antwort derselben fiel verneinend aus *), und war sogar von dem Grunde begleitet: es sei nicht erlaubt, Land und Leute wider den Kaiser, auch wenn er Gewalt brauchen wollte, zu schützen; denn die Unterthas nen der Fürsten seien zugleich die des Kaisers; Ungehorsam gegen den Kaiser sei Aufruhr. War nun gleich dieser Grund unhaltbar, und im Wider spruche zu den Rechten und Verhältnissen der deuts schen Fürsten gegenüber dem Kaiser, und mußte er in der Folge, als die Glaubens, und Gewissensfreiheit der Protestanten mit Grausamkeit bedrängt wurde, durch den Rothstand und zur Vertheidi gung der Sache Christi aufgegeben werden, so verz dient er doch eben so wenig den Hohn katholischer Schriftsteller, welche den späterhin erfolgten Wis

*) Vgl. Luther's Brief an deu Churfürsten vom 6. März 1530. Bei de Wette. Th. 3. S. 560 ff.

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derspruch in Luther's Ansichten von des Kaisers Gewalt rügen, als den harten Tadel protestantischer Gelehrten, die blos von politischer Seite die Reformation auffassen. Luther hatte den göttli.chen Ausspruch: Jedermann sei unterthan der Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat, unrichtig angewendet; er hatte aber an sich nicht Unrecht, wenn er behauptete, ein Christ solle Gewalt und Unrecht leiden, sonderlich von seiner Obrigkeit, und der Gehorsam der Unterthanen gegen den Kaiser werde so lange nicht aufgehoben, als das Reich und die Churfürsten den Kaiser anerkennen. Aber ob der Kaiser die Macht habe, den schriftgemäßen Glaus ben an Christum auszurotten, überhaupt, ob ein Mensch den Glauben gebieten könne, ob man nicht zur Ehre Christi die Brüder schüßen müsse, ob der Kaiser die Reichsfürsten als seine Beamten behandeln, und wenn sie gegen seine Machtsprüche widerspenstig seien, abseßen dürfe, so daß er in eis gener Sache Kläger und Richter sei, ob ein Reich noch bestehe, sobald ein Theil der Reichsfürsten ohne Urtheil und Recht den andern verdamme diese und ähnliche, politische und religiöse Fragen hätten zuvor genauer erörtert werden sollen, um den vorliegenden Fall recht zu entscheiden. Da sich Luther aus der verwickelten und folgenreichen Frage nicht herauswinden konnte, so tröstete er sich mit dem gewissen Siege des Evangeliums. Jeder solle daher an seinem Theile thun, was sein Gewissen fordert, sich aber mit Andern nicht verbinden,

Gott werde den Kaiser richten, wenn er gegen seine eigenen Unterthanen wüthen wolle. Würden er und viele Protestanten dabei zu Grunde gehen, und sollte die evangelische Wahrheit gänzlich unters drückt werden: so würde daraus dennoch den Kas tholischen kein Gewinn erwachsen. Christus würde seinem Evangelium durch andere Werkzeuge, auf andere Weise, ohne menschliche Klugheit, wenn gleich nicht ohne menschliche Thätigkeit, den Sieg verschaffen.

Diese reine, fromme Gesinnung ist erhebender als alle Staatsklugheit, wenn sie gleich bei der Herzenshärtigkeit der Menschen nicht immer vortheilhaft erscheint. Diese fromme Gesinnung hat Luther'n übrigens nicht betrogen; sie trug zur Weihe des Protestantismus bei, und mußte den Segen Gottes der guten Sache bereiten.

S. 5.

Vorbereitungen zur Augsburgischen Confession.

Auf Befehl des Churfürsten verfaßten Luther, Jonas, Bugenhagen und Melanchthon auf den Grund der siebenzehn Schwabacher Artikel *) ein Glaubensbekenntniß, das Luther seinem Herrn übergab. Da es in Torgau vorgelegt worden, so

Nach Andern sind die Torgauer Artikel nichts Anderes als die Schwabacher Artikel. Vgl. Weber's krit. Gesch. der Augsb. Conf. Th. S. 19. Plank's Gesch. des prot. Lehrbegr. Th. 3, S. 23 ff.

1. S. 19.

wurde es die Torgauer Artikel genannt. Dieses bildet die Grundlage zum Augsburgischen Glaubensbekenntniß. Mochte auch der Churfürst wenig Hoffnung haben, durch dieses Bekenntniß vor dem Kaiser und den Katholischen etwas Bedeutendes auszurichten, und mochte er voraussehen, daß man höchstens in einigen außerwesentlichen Punk: ten nachgeben würde, nur, um die Evangelischen zur sogenannten Mutterkirche zurückzuführen: so war es selbst für diesen Fall nothwendig, etwas Theologisches in Bereitschaft zn haben, auf das man sich berufen konnte, um gegen alle Täuschungen gerüstet zu seyn.

Nachdem die Torgauer Artikel dem Churfürs sten übergeben waren, reisten Luther und seine Gefährten wieder nach Wittenberg. Sie mußten aber bald zurückkehren, worauf der Churfürst ihnen eröffnete: Ihr seht, liebe Herren, wohin es mit dem Religionswesen gelangt. Wenn ihr euch ges traut, alle Punkte kecklich zu verantworten, wohl und gut. Wo nicht, so sehet zu, daß ihr unserm Lande keine Gefahr zuziehet." Die Theologen ents gegneten: sie wollten nicht, daß der Churfürst ihretwegen in Gefahr gerathe; sie bäten nur, wenn derselbe nicht auf ihrer Seite bleiben wollte, um Erlaubniß, vor dem Kaiser zu erscheinen und Rechenschaft zu geben. Da soll der fromme Fürst - erwiedert haben:,, da sei der liebe Gott für, daß ich aus eurem Mittel ausgeschlossen seyn sollte; ich will mit euch meinen Herrn Christum beken

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