Page images
PDF
EPUB

kündigten, in ihrem Berufe wirken zu lassen. „Und würde uns derhalben hoch beschwerlich seyn, so. wir Gottes Wort und die offenbare Wahrheit vers bieten sollten. Zudem weil alle Menschen in großer und täglicher Gefahr stehen, wider welche kein anderer Trost noch Hülfe ist, denn Gottes Wort, würde uns auch sonderlich in diesem unserm Alter sehr gefährlich seyn, Gottes Wort zu entrathen.”— ,,Solche Leute ärgern sich ohne Ursach und Schuld der Prediger und ihrer Lehre, welche sie auch wohl zum wenigsten hören. Es haben unsere Prediger auf den beiden Speierischen Reichstagen öffentlich gepredigt, und ist daraus kein Verlust oder Tus mult entstanden; Niemand ist dadurch ärger worden, ist auch kein einiges Wörtlein eines Pres digers gehört worden, das aufrührisch oder lästers lich, oder sonst unchristlich und wider die fas tholische Lehre gewesen. Dieser Erklärung gemäß wurde nachgelebt, und des Kaisers Ans kunft ruhig erwartet. Die Gegner ließen aber nicht ab, dem Kaiser wegen der evangelischen Predigten vorzuklagen *).

Der Churfürst hatte beschlossen, dem Kaiser ein Glaubensbekenntniß zu überreichen, und deßhalb, weil die Torgauer Artikel, die, wie oben erzählt worden, diesen Zweck erfüllen sollten, troz ihrer Vortrefflichkeit rücksichtlich des reinen Lehrs

*) Bericht der Nürnb. Ges. vom 3. Jun. Reichstags - Acta. Bl. 26 u. 27.

begriffs die Abweichungen desselben von dem damas ligen Katholicismus nicht genug zeigten, seinen Theo, logen den Auftrag zu einer neuen umfassenderen Glaubensschrift gegeben. Auf den Grund der Torgauer Artikel arbeitete an dieser Schrift der größte Gelehrte seiner Zeit, der zugleich immer darauf bedacht war, mit der zartesten Schonung und doch mit männlicher Festigkeit den Unterschied des wahren Christenthums von dem damaligen Katholicismus zu entwickeln. Es war der große Wittenberger Professor, Philipp Melanchthon *), dessen hervorragende Gelehrsamkeit von einer eben so lieblichen als eindringenden Darstellungsgabe bes gleitet war, und dessen sanftes, friedliches Ges müth nur Versöhnung und Frieden zu bewirken strebte. Der helle Blick seines Geistes, vielfach geübt und gestärkt in klassischen Studien und in der demüthigen Erforschung der Lehre Jesu nach

*) Melanchthon (Schwarzerde) war geboren zu Bretten in der Pfalz am Rhein am 16. Februar 1497. Sein Vater war ein angesehener Waffenschmidt; dem berühmten Reuchlin verdankte er viel von seiner frühen Bildung in den Wissenschaften, die er zu Pforzheim im Badischen erhielt. Im zwölften Jahre gieng er auf die Universitát; im vierzehnten wurde er Baccalaureus in der Philosophie, studirte dann in Tübingen Theologie, alte Literatur, Philosophie, Geschichte, ja selbst Jurisprudenz und Medicin. Im J. 1513 schrieb er eine griechische Grammatik, und 1518 trat er die Professur, der griechischen Sprache in Wittenberg an. Von nun an war er ein unzertrennlicher Gefährte Luther's, und ein auserwähltes Rüstzeug zur Ausbreitung des reinen Evangeliums.

D

der heil. Schrift selbst, gab seiner Schriftauslegung eine seltene Tiefe und Klarheit, brachte in den ge= fammten Stoff der Religionswahrheiten eine bis dahin kaum gekannte Ordnung und Bestimmtheit ohne allen scholastischen Formelnkram, und dabei verbreitete er neben dem milden evangelischen Lichte, das allenthalben erleuchtete und wärmte, über Alles eine solche Anmuth, daß man nicht weiß, ob man den Geist, der eine solche Tiefe der Erkenntniß offenbarte, oder das Herz, das so liebevoll, anspruchslos, behutsam und schonend, und doch dabei so standhaft und wahrheitsliebend sich aussprach, mehr bewundern soll. Da man aber so gern diesen großen Mann verkleinert, um Luther'n, dessen Größe unbestreitbar ist, noch mehr zu erheben, so mag es gut seyn, das Urtheil eines großen Mannes über ihn zu lesen.,,Er schien, sagt Mosheim in seiner Kirchengeschichte, gelind und nachgebend, so lange seine Gegner mit guten Worten und Versprechungen stritten, ward aber ein ganz anderer Mann, tapfer und muthig, und achtete Gut und Leben für nichts, wenn man ihn durch Furcht und Drohungen schrecken wollte; denn dieser große Mann bes besaß ein sanftes und zärtliches Herz, das aber mit einem hohen Grade von Redlichkeit und mit einem edlen und unbezwinglichen Eifer für die von ihm erkannte Wahrheit erfüllt war. “ Dieses richtige Urtheil über Melanchthon findet man von Luther', der die Nachgiebigkeit seiz nes Freundes am wenigsten billigte, oft bestä

tigt **); aber wir werden selbst in dieser Geschichte Gelegenheit finden, Melanchthon's Gegner anders reden zu hören.

Es war übrigens nichts Geringes, Dinge vor dem Kaiser und der Reichsversammlung zu verwerfen, welche bisher als göttlich, heilig und gut erachtet waren, und an die man sich von Jugend auf gewöhnt hatte; es war dieß um so schwieriger, als die Gewalt der Bischöffe einen heftigen Stoß erleiden mußte. Die Bischöffe aber, die hier als Beklagte und Richter auftraten, wollten nichts von ihrer Pracht und ihrem Hofstaate verlieren.

[ocr errors]

war ein kühnes Unternehmen, vor so großen und mächtigen Gegnern die Lehren von der Messe, von der Werkheiligkeit und dem Heiligendienste anzus greifen; es war gefährlich, einen Mann und seine Lehren in Schuß zu nehmen, den der Kaiser in die Acht erklärt hatte.

Aber der hohe, heilige Zweck, dem es galt, schwebte Melanchthon stets vor der Seele. Denn man wollte, wie der Churfürst schon am 14. März an seine Theologen geschrieben hatte, eine Vorschrift,,über den Glauben und die Kirchengebräuche haben, auf der man mit Gottes Hülfe bestehen, oder worüber man sich auch einlassen, und wie weit man allenfalls nachgeben sollte; dem Kaiser wollte man auf sein Ausschreiben erwies

*) Man vgl. Luther's Brief vom 25. Juni 1530, den wir unten §. 9. übersegt haben.

[ocr errors]

dern, worin die wahre und eigentliche Lehre bestehe, die in ihren Landen und Herrschaften öffentlich gelehrt werde, oder wie es in der Augsburgischen Confession selbst heißt:,,was und welchergestalt sie aus Grunde göttlicher heiliger Schrift in unsern Landen, Fürstenthümern, Herrschaften, Städten und Gebieten predigen, lehren, halten und Unters Denn nur auf diese Weise, meinte richt thun." man, könnten die elenden Verleumdungen, die von den Gegnern allenthalben verbreitet wurden, in ihrer Blöße dargestellt, der kirchliche Friede erhalten, und dem Worte Gottes seine Ehre wiedergegeben

werden.

Von diesen Gedanken erfüllt, nichts Anderes als die Wahrheit suchend, arbeitete Melanchthon mit den andern Theologen, die ihm zum Theile ähnliche Entwürfe *) mitgetheilt hatten, unablässig

*) Auch die Nürnbergischen Gesandten hatten ihm einen Ent-
wurf zugestellt, den wahrscheinlich Doctor Epstein ver-
faßt hatte. Denn in einem Nachschreiben zum Briefe vom
17. Mai steht folgendes:,, deßgleichen haben wir uns hin-
wieder auf sein des Kanzlers Begehren aus Befehl des
Churfürsten erboten, ihm E. W. Predigerrathschlag auch
zuzustellen. Wie wir auch ihm wollen, und haben dem
Kanzler "dabei das Mehre gesagt, daß vielleicht E. W.
Wohlgelehrte in diesem Handel auch etwas stellen möchten.
So uns das zukomme, solle ihnen auch unverhalten blei-
ben, und diesen leßtern Anhang von den Wohlgelehrten
haben wir darum gemeldet, daß ich Kreß von Doctor
Epstein selbst verstanden, daß er etwas in dieser Sache
Er muß fast
stellen wollte. Reichstags - Acta. Bl. 5.
zu gleicher Zeit, als das Obige geschrieben wurde, in Augs-
burg eingelaufen seyn. Denn im Berichte vom 20. Mai

[ocr errors]
« PreviousContinue »