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billigdenkenden Leser den guten Willen, eine christlich-milde Gesinnung zu befördern, gebührend ehren und in gleicher Gesinnung die anspruchslose Gabe beurtheilen werden. Wer es besser weiß und es besser zu machen hofft, der belehre mich, da es mir lediglich um die Wahrheit zu thun ist, und ich meine innerste Ueberzeugung ausspreche; aber er beweise auch Freundlichkeit und Gerechtigkeit. Wer meinen Standpunkt und meine Weise, die göttliche Wahrheit zu erkennen, für veraltet ansehen möchte, der råume wenigstens. so viel ein, daß auch er irren könne, und daß sich eine entgegengesetzte Ansicht, die vielen Chriften Licht und Trost gewährt, ebenfalls geltend machen dürfe. Von denen aber, die mit Freudigkeit des Geistes an dem Evangelium und der darnach gebildeten kirchlichen Lehre festhalten, darf ich ein mildes Urtheil auch dann erwarten, wenn ich ihrer Meinung nach geirrt haben sollte; denn sie kennen die Schwierigkeit, die ewige Wahrheit einfach und getreu darzustellen. An diese richte ich besonders die Bitte, nicht an einzelnen Stellen Anstoß zu nehmen, sondern das Ganze durchzulesen, bevor sie mich richten, weil

Manches, späterhin seine nähere Erläuterung und Begrenzung findet, was anfangs zweideutig oder unbestimmt ausgedrückt war, Jeßt nachdem das Buch gedruckt ist, würde ich Manches anders fassen, namentlich scheint die Einleitung eine klarere Auseinanderseßung zu erheischen.

In der Darstellung der Unterschei dungslehren habe ich mich weniger an das gehalten, was neuere protestantische oder katholische Gelehrten entwickelt haben, sondern ich habe die Symbole der Kirchen sorgfältig erwogen, und die Unterscheidungslehren mit möglichster Bestimmtheit und ohne Parteigeist wiederzugeben gestrebt. Es schien mir dieß um so nothwendiger zu seyn, als uns katholische Theologen der Entstellung ihrer Lehren, und nicht immer ohne Grund, anklagen. Dabei will ich nicht in Abrede stellen, daß die kirchliche Dogmatik der Katholiken in vielen Punkten enger und milder ist, als die der einzelnen Schulen, die sich in der katholischen Kirche eben so gut als in der unsrigen finden, noch daß der Volksglaube und die Praxis mancher katholischen Geistlichen viel weiter von den protestantischen Dogmen abweicht,

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als es im katholischen Lehrbegriffe liegt. Wahr ist es aber auch, daß heut zu Tage sehr Vieles über Protestantismus und Katholicismus geschrieben wird, das der historischen Wahrheit ermangelt.

Die unveränderte Augsburgische Confession habe ich, obschön sie unzählige Male, mit und ohne Anmerkungen, kritisch und unkritisch gedruckt ist, meiner Schrift deßhalb beigegeben, damit der Leser Alles beisammen habe, was zur gründlichen Kenntniß der Reichstagsgeschichte gehört.. Ich habe mich um Varianten in den Buchstaben und Sylben nicht gekümmert, die neueste Rechtschreibung angewendet, und in der äußern Einrichtung die Augsburgische Confession vom geh. Justizrathe Pütter. Gött. 1776 zu Grunde gelegt. Jener Abdruck war mit besonderer Sorgfalt veranstaltet worden, und ist dabei die Ausgabe vom J. 1572 fol. und der Abdruck in Cyprian's Historie der A. C. (Gotha 1730) von ihm besonders berücksichtigt gewesen. In der Sache selbst wird man keine Abweichung von andern Ausgaben der Confession entdecken.

S. 1.

Einleitung.

Jedem denkenden Menschen ist es Bedürfniß, in

Zeitpuncten, an die sich große Erinnerungen knüs pfen, feinen Geist in die verflossene Zeit zurückzus versehen, und ihn in stiller Betrachtung dessen, was einst geschah, für die Gegenwart und Zukunft zu stärken. Dieses Bedürfniß ist um so größer, je mehr man seinen Standpunct in der großen Mens schenfamilie begreift, und wenn auch hier das Ges fühl der Nichtigkeit im Vergleich zu den Millionen Menschen den Einzelnen niederdrückt, so erhebt ihn doch auf der andern Seite das Bewußtseyn feines göttlichen Ursprungs und der göttlichen Leis tung, deren er durch den ewigen Lenker der Welt ges nießt, zur freudigen Anerkennung seines menschlichen Werths. Aus diesem gedoppelten Gefühle entspringt die ächte Demuth, welche nothwendig ist, wenn große geschichtliche Ereignisse eine gesegnete Wirkung auf die Nachwelt haben sollen. Denn nun erscheint die Geschichte nicht mehr als ein endloses Gewirre zufälliger Erscheinungen, sondern als ein planmäßiges Walten des göttlichen A

Geistes in allem Menschlichen; welches Walten von Einer Urquelle ausgieng und zu der Einen wieder hinführt.. Und die Thätigkeit selbst der einzelnen Menschen, wie unbedeutend sie auch für sich betrachtet ist, wird wesentlich und wichtig, und steigt in ihrer Bedeutung, wenn Einer als der Lichtpunct hervorragt, auf den die Bestrebun gen der Andern gerichtet sind.

So ist das Zeitalter der Kirchenverbesserung ein höchst merkwürdiger Act der göttlichen Welt. regierung. Schon ein halbes Jahrtausend zuvor entwickelt sich der Keim der Reformation; die himmlische Pflanze wuchs lange unbemerkt; dann aber, als man auf sie aufmerksamer wurde, vers gebens in den Boden geschlagen, aus dem sie die menschliche Ohnmacht nicht reißen konnte, er starkt sie unter dem wilden Unkraut, das mächtig emporgeschossen war, zu einem hochragenden Baum, und, gesegnet von oben, verbreitet sie immer weis ter ihren wohlthätigen Schatten und giebt reichlich ihre labende Frucht zur Ehre dessen, der die Pflanze einst in den menschlichen Boden gesenkt hatte. Unter den tausend Gärtnern, die mit der Pflege des Baums beschäftigt sind, zeichnen sich Wenige aus, und unter den Wenigen wieder Luther und Melanchthon. Aber alle Arbeiter sind will, kommen, und nach dem Muster der Meister arbeis ten immer Mehrere, die rühmlich in die verlasses nen Fußstapfen treten. Der Arbeiter sind noch nicht genug, der treuen sind sogar im Laufe der

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