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Westgothische Arianismus

und

die Spanische Ketzer-Geschichte

von

Adolf Helfferich.

BERLIN.

VERLAG VON JULIUS SPRINGER.

1860.

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Vorwort.

Die nachstehende Reihe kritischer Untersuchungen verbreitet sich über einen nicht unwichtigen Zeitraum kirchlichen Lebens, von dessen innerem Zusammenhang bis jetzt wenig mehr als einzelne Thatsachen und kärgliche Vermuthungen laut geworden sind.

Die Methode, die zu den Ergebnissen führte, ist zwar nicht die herkömmliche: weder bleibt sie bei der allgemeinen Zusammenstellung des in den vorhandenen Urkunden zerstreuten Inhalts und dessen erbaulicher Verwerthung stehen, noch auch versteigt sie sich zu begrifflichen Constructionen, die auf dogmatischem Gebiete den Menschen und Verhältnissen keine Rechnung tragen zu müssen glauben. Dem Verfasser war es vielmehr einzig und allein darum zu thun, durch unparteiisches Abwägen der geschichtlichen Erscheinungen und durch nüchterne Priifung der Quellen den religiösen Entwickelungsprozess einer Mischbevölkerung zu ermitteln, deren Lebenszustände von höchst eigenthümlicher Art waren. Man wird ungescheut behaupten dürfen,

dass gerade die hier in Frage kommende Seite des geschichtlichen Germanenthums einer Aufklärung weder unwürdig, noch unbedürftig ist.

Damit Jedermann in den Stand gesetzt würde, über den Werth oder Unwerth der Aufstellungen sich ein eigenes Urtheil, und zwar ohne mühsames Nachschlagen, zu bilden, wurden die erheblichsten Belegstellen unverkürzt unter den Text gesetzt. Entweder man verzichtet auf alle Citate, wie es neuerdings auch von deutschen Gelehrten mit entschiedenem Erfolg geschehen ist, oder man entschliesst sich, statt der üblichen ParadeStellen, die am Ende in jedem Lehrbuch nachzuschlagen sind, eine umfassende Rechenschaft darüber abzulegen, auf welchen Vordersätzen die Kritik fusst.

A. H.

I.

Eine Kirchen-Geschichte Spaniens in dem Sinne, den wir Deutsche mit dem Worte verbinden, gibt es nicht, so viel Gelehrtes und Brauchbares auch an Monographien kirchengeschichtlichen, canonischen und liturgischen Inhalts von Spaniern geschrieben worden ist. Am ungenügendsten jedoch wurden die Abweichungen von dem katholischen Lehrbegriff behandelt, was bei einem Volke, das auf seine Rechtgläubigkeit. den grössten Werth legt, nicht Wunder nehmen kann. Getreu ihren kirchlichen Ueberlieferungen liessen sachkundige Schriftsteller der Pyrenäenländer es sich weit mehr angelegen sein, unleugbare Ketzereien ihrer Vorväter zu vertuschen, als aufzuklären, wogegen auswärtige Kirchenhistoriker anders nicht, als im Vorbeigehen, dergleichen Verstösse gegen den Kirchenglauben berührten.

Einer eingehenderen Würdigung hatten sich bisher allein die spanischen Priscillianisten und Adoptianer zu erfreuen; aber selbst ihre Ketzereien prüfte und beurtheilte man, nach ihrer dogmatischen Bedeutung, keineswegs im Zusammenhang mit den kirchlichen Bewegungen der pyrenäischen Halbinsel, sondern entweder als einzeln stehende Erscheinungen, oder unter dem nicht weniger willkürlichen Gesichtspunkte der sogenannten „speculativen Fortbewegung" des Lehrbegriffs. Ein geschichtliches Verständniss des Thatsächlichen lässt sich auf dem einen Wege ebenso wenig erreichen, als auf dem andern, weil beide Verfahrungsarten die Vorbedingungen ausser Acht lassen, von denen kein höheres Erzeugniss der menschlichen Vernunft loskommen

Helfferich, Arianismus.

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