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Taten an sich selbst, als auf den Nutzen der Posterität und Lob eines guten Namens ihr Absehen gehabt hätten. Derowegen wäre es nicht ratsam, alles zu erzählen, wie es zugangen, sondern wie es zu erzählen für ratsam könnte befunden werden. So müsste man auch nicht auf die Wahrheit so halsstarrig und erpicht sein, wenn wegen des gemeinen Nutzens viel mehr eine Lüge und Erdichtung erfordert würde; sie rufen zum Zeugen an den Fabium, welcher gesagt: „Eine Lüge, so zur Überredung ehrlicher Sachen gebraucht würde, wäre nicht zu tadeln." Überdies sagen sie, würden diese Sachen alle unsern Nachkommen geschrieben, denen wenig oder nichts daran liege, mit was für Art ein Exempel eines guten Fürsten dem gemeinen Wesen vorgestellt würde. Dergleichen hat getan der Xenophon von dem Cyro, welcher denselben nicht, wie er gewesen, sondern wie er hat sein sollen, als ein Exempel und Vorbild eines tapferen Fürsten, aber ohne Grund der Wahrheit, in seinen Historien uns vor Augen gemalt und beschrieben.

Dahero ist es endlich geschehen, dass viel, die von Natur oder durch Kunst artig zu lügen gewusst, mit ihren scheinbaren Argumenten fabulische Historien geschrieben, wie sie solche Narrenspossen als der Morganae und Magelonae, Melusinae, des Amadisi, Florandi, Tyranti, Conamori, Arthuri, Dietheri, Lanceloti, Tristani, oder gar nichtswürdige Fabeln und erdichtete Schwärmereien, schlimmer als alle Fabeln der Dichter, an Tag gegeben. Ja auch bei den Gelehrtesten und Vornehmsten als dem Luciano und Apulejo, wie auch bei dem Herodoto, dem Grossvater der Historienschreiber, bei dem Theopompo, wie Cicero sagt, sind unzählige Fabeln zu finden,und ihre Bücher aller Lügen voll; da lesen wir Wundersachen von Bergen und Flüs-angelhel sen und was sonst das verlogene Griechenland in den Historien sich untersteht. Und dieses sind die Ursachen, warum fast nirgends ein historischer Glaube gefunden wird, den man doch allerdings da suchen sollte, obgleich davon zu urteilen uns schwer fällt. Denn, weil

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Willen

die Beschreibung solcher Sachen, welche entweder wahr oder unwahr sind, nicht öffentlich geschieht, und einem jeden seine Meinung zu lassen ist, so haben sie dadurch die Macht, zu irren und zu lügen, erlanget; dahero bei den Historienschreibern so eine grosse Uneinigkeit entstanden, dass (wie Josephus sagt wider den Appionen) sie in ihren Büchern sich selbst des Irrtums überführen; also, dass sie das Contrarium von ihren Sachen schreiben. Wie weit, sagt eben dieser, diskrepieret der Hellanicus von dem Agesilao von der Genealogia, wie oft korrigiert der Agesilaus den Herodotum, und wie artig weist der Ephorus, dass der Hellanicus in vielem ein Lügner gewesen sei. Den Ephorum tadelt der Timäus, diesen die nach ihm kamen, den Herodotum aber alle. Solches schreibt der Josephus von andern, diesen aber tadelt unser Egesippus. So erzählen auch viel Historienschreiber viel Dinge, aber sie beweisen nicht alles, oder beweisen oftmals solche Sachen, die ganz nicht zu approbieren; die meisten stellen uns Exempel vor die Augen, die doch böse sind. Denn wenn sie den Herculem, Achillem, Hectorem, Theseum, Epaminondam, Lysandrum, Themistoclem, Xerxem, Cyrum, Darium, Alexandrum, Pyrrhum, Hannibalem,Scipionem, Pompejum, Caesarem mit trefflichem Lobe abmalen, so beschreiben sie nichts anderes als die grössten Strassenräuber und berühmtesten Diebe in der Welt, und lass es sein, dass sie auch gute Regenten anfänglich gewesen sind, so sind sie doch die schlimmsten und ärgsten hernach worden. Und so einer zu mir etwa sagen wollte, dass man aus dem Lesen der Historien die beste Weisheit erlangen könnte, so will ich ihm dieses nicht ganz und gar verleugnen, wenn er mir nur auch dieses zugibet, dass man daraus auch den grössten Schaden, ja oft den Untergang selbst schöpfen kann. Dahero sagt Martialis an einem Orte: Sunt bona multa, sunt mediocria multa, sunt mala multa, das ist: Es sind viel gute Sachen, viel mittelmässige, viel böse.

KAPITEL VI.

DE RHETORICA

ODER

VON DER REDEKUNST

B die Rednerkunst, welche aufdie Historie die näch

ste ist, eine Kunst sei oder nicht, davon wird unter wackeren Leuten gestritten, und ist der Streit noch vor dem Richter. Der Sokrates, bei dem Platone, will mit festen Gründen behaupten, dass es weder eine Kunst, noch eine Wissenschaft, sondern nur eine Scharfsinnigkeit und Listigkeit sei, die weder löblich noch ehrbar, sondern vielmehr schändlich und eine garstige servilische Schmeichlerei nach sich zieht. Auch Lysias, Cleanthes und Menedemus haben dafür gehalten, dass die Beredsamkeit aus keiner Kunst, sondern vielmehr von der Natur herrührt, welche einem jedweden lehrete, wann es vonnöten wäre, zu schmeicheln und annehmliche Sachen vorzubringen, und dieselben mit Beweistümern zu bekräftigen. Denn der rechte Vortrag und der treffliche Gebrauch des Gedächtnisses kommt nirgends anders her als von der Natur, welches man bei dem Antonio, dem vornehmsten römischen Redner, wahrgenommen hat.

Auch als für alten Zeiten noch niemand von der Rednerkunst geschrieben oder dieselbe gelehrt, so hat Agrippa I.

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man viel der beredtesten Leute gefunden. Weil nun diese Kunst beschrieben wird, dass sie sei eine Zusammensammlung gewisser Gebote, die auf ein gleiches Ende zielen, so streiten die Redner diese Stunde noch, was diese Kunst vor einen endlichen Zweck habe, ob es Überreden sei oder Wohlreden; und sie brauchen neben den wahren Ursachen auch erdichtete.

Überdieses, so haben sie so viel Sätze und Gegensätze, so viel Figuren, Umdrehungen, Charakteres, Strittigkeiten, Lobe und künstliche Überredung erfunden, die man fast nicht zählen kann, und gleichwohl leugnen sie selbst, dass der rechte Endzweck dieser Rednerkunst noch nicht an Tag kommen ist. Eben diese Kunst improbieren die Lazedämonier und halten dafür, dass eine Rede eines rechtschaffenen Menschen nicht von der Kunst, sondern aus dem Herzen notwendig müsste herkommen. Auch die alten Römer haben erst gar sehr spät die Rhetores oder Redner in ihre Stadt gelassen, als nach vielfältigem Streit Cicero sich unterstanden hat, zu beweisen, dass die Art und Macht, wohl zu reden, nicht sowohl aus der Kunst, als aus der Menschen natürlichem Nachsinnen herkomme. Dahero hat er ein Buch von einem perfekten Oratore geschrieben. Dieser Redner aber, den er allda als ein Muster gleichsam fabriziert hat, ist nicht von allen gebilligt worden. Ja, dem Bruto selbst, einem sonderlich aufrichtigen Manne, ist derselbe sehr verdächtig vorkommen, und hat dieser allezeit, dass der Redner Lehre und Gesetze dem menschlichen Leben mehr schädlich als nützlich seien, behauptet. Ja, endlich die reine Wahrheit zu bekennen, so ist die ganze Disziplin der Rhetorica eine Kunst zu schmeicheln und zu überreden, oder dass ich ein wenig freier rede, zu lügen, also dass was man nicht durch die Wahrheit ausrichten kann, das muss durch eine angestrichene und gefärbte Rede geschehen, wie von dem Pericle, dem Redner, der Archidamus sagt (davon Eunapius meldet) dass, als er gefragt wurde, wer unter ihnen der Mächtigste wäre, so hat er geantwortet: Obgleich der

Pericles im Kriege von mir überwunden worden, so ist er doch mit einer solchen Beredsamkeit begabt gewesen, dass er scheinbar beigebracht hat, er wäre nicht der Überwundene, sondern der Überwinder.

Auch sagt Plinius von dem Carneade, dass, wenn er durch seine Rednerkunst argumentiert hätte, so hätte man nicht können unterscheiden, was wahr oder nicht wahr gewesen; von diesem saget man, dass, als er von der Gerechtigkeit schön und weislich öffentlich diskurieret, so hätte er tags darauf nicht mit geringerer Gelehrsamkeit und Weitläuftigkeit das Contrarium behauptet. Bei den Syrakusern ist Corax ein Redner hohen Verstandes und artlicher Zungengeschwindigkeit gewesen, welcher diese Kunst ums Lohn einem gelernt; als zu diesem der Thisias gekommen, und den Lohn, den er ihm zu geben versprochen, nicht alsobald parat hatte, hat er ihm denselben doppelt versprochen, wenn er ihm die Rhetoricam recht lernen würde, welches auch Corax mit dieser Kondition angenommen. Nachdem nun Thisias diese Kunst gelernt und den Meister um seinen verdienten Lohn zu bringen gesucht hatte, hat er gefragt, was doch endlich die Rhetorica sei? Hat er geantwortet: sie sei eine Meisterin, zu überreden. Da hat er seinem Praeceptori dieses Argument gemacht: Quodcunque igitur de mercede dixero, si tibi me nihil debere persuasero, nihil debeo, quia non debere persuasi; si non persuasero, non debebo etiam, quia me scire persuadere non docuisti. Das ist: Was ich werde vom Lohne sagen, wenn ich dich werde überredet haben, dass ich dir nichts schuldig bin, so bin ich dir auch nichts schuldig, weil ich dich so überredet habe. Wenn ich dich aber nicht überredet habe, so bin ich dir auch nichts schuldig, weil du mir die Kunst, zu überreden, nicht recht gelernet hast.

Darauf hat Corax dieses Argument auf Thisiam gleich retorquiert: Ouodcunque ego quoque de mercede dixero, si me accepturum persuasero, accipiam, quoniam persuasi. Si non persuasero, etiam accipere

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