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Das ist: Das ganze Werk beruht auf gewissen kleinen und grossen Zahlen; und wenn etwa vom Krieg oder Streit, vom Leben oder Tode ist gefraget worden, haben sie den Vorzug dem zugeteilt, dessen Summa der Zahlen die grösseste gewesen. Und auf solche Art soll der Patroclus von dem Hectore, bald darauf aber dieser Hector von dem Achille sein überwunden worden. So sind auch, die mit dergleichen Rechnung die Nativitäten erfinden wollen, wie von denselben Alchandrinus, ein obskurer Philosophus, uns berichtet, der Diszipul des Aristotelis soll gewesen sein. Und Plinius erzählet, dass den Pythagorischen Erfindungen auch dieses zuzueignen, dass aus der ungeraden Zahl der Vokale in einem Eigennamen Blindheit, Beinbruch und ähnliche Unfälle vorausgesagt werden können.

KAPITEL XVI.

ADHUC DE ARITHMETICA

ODER

WIEDERUM VON DER RECHENKUNST

A

BER wir müssen wiederum zu der Rechenkunst kommen; diese, saget Plato, ist von dem bösen Geiste nebst dem Würfel- und Brettspiele uns am ersten gewiesen worden. Und der berühmte Gesetzgeber bei den Lazedämoniern, der Lycurgus, hat dafür gehalten, dass man diese, als eine gewaltsame und unruhige Kunst, aus einer Republik wegschaffen sollte, denn sie erfordert eine vergebliche und unnötige Arbeit, und hält die Leute von nützlicheren und bessern Geschäften ab, erwecket auch oft von schlechten und geringen Sachen grossen Streit. Dahero kommt der unversöhnliche Krieg der Rechenkünstler, ob die gerade oder ungerade Zahl den Vorzug habe. Welche Zahl unter der dritten, sechsten und zehnten die vollkommenste sei, oder welche eine rechte gleiche Zahl könnte genennet werden. Über diese Definition sagen sie, habe der Euclides, als der Vornehmste unter ihnen selbst, nicht wenig geirret; so wollte ich auch gar leichte sagen, wie sie träumen, dass unter den nackten Zahlen viel Pythagorische Geheimnisse und kräftige Weissagungen verborgen wären; wie sie sich

unterstehen zu sagen, dass von Gott die Welt nicht hätte geschaffen werden können als mit solchen Instrumenten, und dass die Erkenntnis göttlicher Sachen in Zahlen, gleichsam als in einer gewissen Regul enthalten sei.

Dahero sind entsprungen die Ketzereien Marci, Magi und Valentini, welche ihre Lehren auf gewisse Zahlen fundieret und dafür gehalten haben, dass eben durch nichtswürdige Zahlen die heilige Religion und unterschiedene Geheimnisse göttlicher Wahrheit können erfunden und ausgesprochen werden. Zu diesem kommet die Pythagorische Tetractys*) und andere dergleichen Sachen mehr, welche doch alle vergeblich erdichtet und falsch sind, und bleibt diesen Rechenkünstlern nichts mehr übrig als eine unempfindliche und leblose Zahl, und meinen doch wohl, dass, wenn sie nur wissen zu zählen, sie damit heilige Leute agieren können; welches ihnen aber die Musici schwerlich zugeben, sondern es schreiben dieselben diese Ehre ihrem lieblichen Gesang und Harmonie vielmehr zu.

*) Die Zahl 10, insofern sie die Summe der ersten 4 Zahlen ist.

KAPITEL XVII.

DE MUSICA

ODER

VON DER MUSIK

EROWEGEN müssen wir von der Musik reden, von

stoxenus weitläuftig geschrieben und gesagt hat, die Musik wäre die Seele, und dessen Lehrsprüche hernach von Boëthio auf die Lateiner gekommen. Ich rede aber jetzt von der Musik, welche in der Stimme und Klange, nicht aber von derselben so in Rhythmen und Versen bestehet, welche man die Poesie oder Erdichterkunst nennet, und die nach Ausspruch des Alpharabii nicht in dem Nachsinnen und in der Vernunft, sondern in lauter Raserei bestehet, wovon wir gedacht haben. Aber die, welche in Modulationen bestehet, weiss die Wörter auf feine Art und nach den Ohren zusammenzusetzen, denn sie handelt vom Klang, vom Takt und gewissen Weisen oder Melodien. Diese haben die Alten geteilet in enharmonicam, chromaticam und diatonicam. Die erste Art haben sie wegen verborgener Schwierigkeit recht zu erfinden für unmöglich gehalten, und sie derowegen verlassen. Die andere haben sie wegen ihrer Leichtfertigkeit verachtet und sich davon losgesaget; die letzte aber, als welche sie den Weltweisen nicht

zuwider zu sein erachtet, haben sie in ihrem Wert gelassen. Es sind ihrer auch voralters gewesen, welche ihre musikalischen Arten mit der Stämme Namen unterschieden und geteilet haben, als in Phrygium, Lydium, Dorium, und hat die Sappho Lesbia die vierte Art hinzugesetzet; nämlich Mixolydum, dessen Erfinder meinen andere sei der Thersandrus, andere der Pfeifer Pythoclides gewesen; der Lysias aber hat den Lamproclem, einen Athenienser, für den Erfinder gehalten; und solche Arten hat die Autorität der Alten für die berühmtesten angemerket, und ihr Tun ein Corpus aller freien Künste, die gleichsam als ein Umfang der Wissenschaften*) alle Disziplinen unter sich begreifet, genennet. Dahero sagt Plato, die Musik kann ohne Gesamtwissenschaft nicht traktiert werden. Unter diesen vier Arten aber wollen sie die phrygische, weil solche die Gemüter gar zu sehr zu sich gezogen und verwirrt gemachet habe, nicht billigen, sondern sie wird von dem Porphyrio für barbarisch gehalten, weil sie sonderlich zur Erweckung Streites und Raserei geschickt ist. Dahero nennen andere diese Art Bacchicum, nämlich eine tolle, unsinnige und ungestüme Art. Wir lesen, dass diese die Lazedämonier und Cretenser zum Krieg angereizet habe. Durch diese hat Thimotheus den König Alexander zum Waffen gebracht.

Durch diese, nämlich die phrygische Musik, ist ein Jüngling Taurominitanus, wie Boëthius erzählt, ein Haus, darinnen eine Hure verborgen gewesen, abzubrennen bewogen worden. Die lydische billiget auch der Plato nicht, als welche mit einem Geschrei von der dorischen Bescheidenheit und Ehrbarheit etwas abweicht, jedoch, wie andere sagen, wäre auch dieses angenehm denjenigen, welche von Natur lustig sind. Dahero haben sich mit dieser die lustigen lydischen Völker sehr delektieret, welche die Tusci, als lydische Abkommen, mit ihren musikalischen Sprüngen auch gebrauchet haben. Die dorische aber, als die gravitä*) Im Original steht Encyklopädie, d. h. der Umkreis alles Wissens, die Kenntnis der freien Künste.

Agrippa I.

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