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durch sein Spiel oder der andere durch seine Redekunst; welches den Roscium dergestalt bewogen, dass er ein Buch geschrieben, darinnen er die Beredsamkeit mit der Komödiantenkunst verglichen hat. Aber die Massilier, wie Valerius Zeugnis gibt, haben über ihre Gravität und Ansehen so gehalten, dass sie solchen Leuten bei ihnen keinen Zutritt verstattet haben, und zwar nicht unbillig, weil durch ihr Wesen nichts als meistenteils Hurenaktus repräsentieret werden, damit sie nicht, indem sie solches sehen, dergleichen Sachen zu exerzieren Anlass bekommen möchten. Überdieses, so ist ja diese Kunst zu exerzieren nicht allein schändlich und ein leichtfertiges Werk, sondern auch lasterhaft dasselbe anzusehen und sich daran zu delektieren, weil die Belustigung eines so leichtfertigen Gemüts meistenteils auf Sünde und Schande hinausläufet. Endlich hat vor Zeiten nichts Unehrlichers können genennet werden, als der Name eines Gauklers oder Komödianten, und wurden diejenigen zu keinen Ämtern genommen, die diese Kunst getrieben und auf dem Theatro agieret und rumgesprungen hatten *).

*) Der Tiefstand des deutschen Theaters zur Zeit Agrippas genügt nicht, um seine Stellungnahme zu erklären; seinen Zeitgenossen werden aber diese Angriffe weniger paradox erschienen sein als seine Schmähungen anderer Künste.

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A, es war auch eine rhetorische Springkunst, dieser nicht gar ungleich, jedoch etwas gelassener, welche Sokrates, Plato, Cicero, Quintilianus und die meisten unter den Stoikern sehr für nützlich und denen Rednern für notwendig gehalten, nämlich daferne dieselbe in einer feinen geschickten Gestalt des Leibes, und zugleich in einer hübschen Miene des Gesichtes bestehet, also wenn dasjenige, was vorgebracht, mit einem sonderlichen Blick der Augen und gravitätischem Gesichte durch die Aussprache der Stimme artlich akkommodiert wird.

Diese Kunst aber ist endlich bei den Rednern so hoch gestiegen, dass der Augustus den Tiberius erinnert, er sollte mit dem Munde und nicht mit den Fingern reden, dahero sie nunmehr ganz abgeschaffet und nur noch von etlichen Pfaffenkomödianten (ob schon für Zeiten Schauspieler von der Kirche zu dem heiligen Abendmahl nicht sind zugelassen worden) geehret wird, welches wir doch noch heutiges Tages sehen, dass viele von den Kanzeln mit einer sonderlichen

Stimme, mit veränderlichem Gesicht, mit rumvagierenden Augen, mit erhobenen Armen, mit springenden Füssen und leichtfertig zuckenden Lenden und andern Sitten, mit Umdrehungen und Verkehrungen, Beugungen und Bewegungen des ganzen Leibes und Gemütes die gemeinen Predigten zu dem Volke abgehen lassen; und gedenken vielleicht an den Schlusssatz des Demosthenis, welcher, als er gefragt wurde, welches im Reden das Kräftigste wäre, hat geantwortet: die Heuchelei*). Und als er zum andern und drittenmal gefragt worden, hat er geantwortet: die Heuchelei, welche hierin die meiste Kraft hat. Aber damit wir von der Messkunst nicht zu weit abkommen, so wollen wir wiederum zur Geometrie eilen.

*) Vielmehr: die Schauspielerei. Hypocrisis bedeutet die Nachahmung von Gebärden, Theater spielen, dann erst heucheln.

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KAPITEL XXII.

DE GEOMETRIA

ODER

VON DER FELDMESSKUNST

IE Geometrie, welche Philo Judaeus die vornehmste und Mutter aller Disziplinen nennet, hat für andern dieses Lob, dass weil unter den Sekten oder Disziplinen immer ein grosser und unzähliger Streit entstanden, so sind doch die Erfahrenen dieser Wissenschaft noch ziemlich eins miteinander und erwecken keinen sonderlichen Streit, es müsste denn der sein, dass sie von Punkten und Linien miteinander disputierten, ob diese zu teilen oder nicht zu teilen; wegen der Doctrin aber an sich selber sind sie nicht streitig, und suchet einer den andern mit neuen und subtilen Erfindungen, welche niemals keiner hat ersonnen, zu übertreffen; doch hat noch keiner unter ihnen die Quadratura des Zirkels, noch die den Bogen gleiche Linien erfunden, und obgleich Archimedes, dass er solche erfunden hätte, in denen Gedanken gestanden, auch viel Nachkommen bis auf diese unsere Zeiten, solches aber vergebens sich unterstanden, ob sie schon nahe dazu gekommen sind; so ist doch ihr Ehrgeiz so gross, dass sie bei den alten Traditionen nicht bleiben, sondern dass sie mehr, als ihre Lehrmeister erfunden

hätten, sich gerühmet und sich damit so närrisch gebärden, dass in der ganzen Welt nicht Niesewurz genug wäre, sie zu purgieren.

Aus dieser Kunst kommen her alle Handwerksinstrumenta, Maschinen, die zum Kriege und andern Nutzen gebrauchet können werden, als da sind die Mauerbrecher, die Schilde und Schanzkörbe, Feuermörser, Armbruste, bewegliche Brücken, Geschütze, Sturmleitern, die Türme auf Rädern, Schanzen, Schiffbrücken, Mühlen, wie auch viel andere Instrumenta mehr, womit man mit wenig Kraft grosse Lasten an sich ziehen und in die Höhe bringen kann, überdieses auch alles, was mit Gewichten, Wasser, Luft und andern dergleichen arbeitet, als wie die Uhren, welche durch das Gewicht fortgetrieben werden, oder was durch den Wind ein Getöne gibet, oder durch Wasser getrieben oder Wasser bewegt, wie Pumpen, Mühlen, oder auch was sonst aus diesen zur Lust und Ergötzlichkeit oder Verwunderung gemachet wird, als springende Bälle, künstliche Laternen, die ihren Docht von selbst in die Höhe ziehen, Kürbse so von sich selber brennen, und was Politianus von einem Tier gedenket, das, indem man es auf der Tafel aufgeschnitten, so hat es geseufzt und geschrien und getan, als wenn es lebendig wäre.

Durch diese Kunst, erzählet Mercurius, hätten die Ägypter die Bildnisse ihrer Götter so artig verfertiget, dass sie reden und fortgehen können. Auch der Archytas Tarentinus, der hat auf solche Art eine hölzerne Taube gemacht, dass sie sich in die Höhe geschwungen und weggeflogen ist. Ja wir lesen, dass der Archimedes, so einen künstlichen ehernen Himmel gemacht habe, dass der Lauf aller Planeten hat können vollkommen wahrgenommen werden, dergleichen Werk wir noch für wenig Tagen gesehen haben. Von dieser Kunst kommen her unterschiedene Arten Geschütze und Büchsen, Raketen nnd andere feuerspeiende Instrumenta, von welchen ich neulich unter dem Titel Pyrographia ein absonderlich Buch geschrieben habe,

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