Page images
PDF
EPUB

materielle Dinge, so dem Gestirne und den Intelligentien konform sind, wann sie in gewisser Harmonie zusammengebracht werden, himmlische und göttliche Wirkungen verrichten. Es haben auch gewisse Örter ihre wunderbaren Kräfte und Wirkungen vom Einfluss der Sterne. Das Licht ergiesst sich aus dem Vater in den Sohn, aus dem Sohn in die Engel, von den Engeln in das Feuer, von dem Feuer in die Menschen, von den Menschen in die übrigen Körper, bis es sich endlich in dem Centro zusammenfasst und eine finstere Wärme wird. Der heftigen Begierde der Seele müssen die natürlichen Dinge gehorchen, so, dass die Seele dadurch wunderbare Kräfte bekommen kann. Durch die heftige Begierde der Seele kann, wann ein Concursus ordinis coelestis dazu kommt, etwas gebunden und in seiner Natur und Wirkung gehindert werden. Also können auch die Worte, zumal wenn sie mystisch sind, eine besondere Kraft haben, weil sie Zeichen und Sakramente der übernatürlichen Dinge sind. Alles, was geschaffen ist, ist nach den Formen und der Natur der Zahlen gebildet und besteht daraus. In den Zahlen bestehen die grössten Kräfte der natürlichen und übernatürlichen Dinge. Das Eins ist der Anfang und das Ende aller Dinge. Von der Zahl zwei kommt das Böse. Die Zahl drei gehört für die Ideen und Formen. Die Zahl vier ist das Fundament und Wurzel aller Dinge. Durch die Zahlen der Namen kann man vielerlei prognostizieren. Obgleich der dreieinige Gott nur ein einiger ist, so sind doch in ihm viele Gottheiten oder göttliche Kräfte, welche aus ihm ausfliessen; und das sind der Heiden Götter. Solcher Ausfluss oder vielmehr dessen Wirkungen werden durch die guten und bösen Engel administriert; was aber Gott durch die Engel tut, das tut er durch das Gestirn. Durch Gottes Kleider werden verstanden die Ausflüsse, durch welche sich die göttlichen Kräfte uns mitteilen. Es gibt wässerige, feuerige, irdische Geister. Alles in der Welt hat seine eigene Intelligenz oder Genium, der mit den übrigen allen korrespon

diert. Die Geister können durch gewisse Bande der unteren Dinge, womit sie verwandt sind, gebunden, beschworen und ausgetrieben werden. In den Menschen sind drei Teile: die göttliche Seele, die vernünftige Seele und der Leib. Die göttliche Seele ist eine aus der göttlichen Quelle ausfliessende Substanz, so seine Zahl bei sich hat. Wann diese Seele von Gott ausgeht, wird sie mit lüftigen Leib angetan und kommt damit, wie Gott der Mittelpunkt der Welt ist, in den Mittelpunkt des Herzens. Ein jeglicher Mensch hat einen eingedruckten göttlichen Charakter, wunderwürdige Dinge zu tun."

Es wäre eine nutzlose Arbeit, ein System Dringen zu wollen in diesen Mischmasch von Platonismus, Neuplatonismus und Christentum, von Pantheismus und Naturphilosophie, von Astrologie, Alchimie und Köhlerglauben; es ist auch überflüssig, immer wieder auf den Unterschied hinzuweisen zwischen diesem magischen Schwindel und der echten Mystik; es ist schmerzlich, sagen zu müssen, dass viele Gedankengänge aus Agrippas Geheimwissenschaft noch heute in abergläubigen Volksbüchern und in Begründungen des modernen Okkultismus nachgeschrieben werden.

Ich würde aber dem faustischen Drange, der sich mitunter in der stürmischen Seele des Charlatans regte, nicht ganz gerecht, wollte ich verschweigen, dass sich in seinen Briefen doch auch Stellen finden, die echt mystische Sehnsucht verraten. Er wies dann und wann auf einen Geheimschlüssel zu seiner Magie hin; und wenn er auch mit diesem Schlüssel manchmal Schwindel trieb, um seine Verehrer noch tiefere und schönere Geheimnisse erwarten zu lassen, so brach doch auch (allerdings erst in den verzweifelten Tagen der Abfassung seiner Bekenntnisschrift) ein Ton durch, der uns berechtigen könnte, von ihm als von einem müden Bekenner der alten Ataraxie oder Hesychie oder eines gewissen Quietismus zu reden, also trotz alledem als von einem Mystiker. In uns selbst wohne der wahre Wunderwirker; die wahre Weltweisheit bestehe dar

in, dass man durch unmittelbare Berührung in Gott verwandelt, mit Gott vereinigt sei. Bei lebendigem Leibe abzusterben. Dieser teuere Tod sei aber nur für die liebsten Kinder des Himmels. Er selbst sei immer in den Wirbeln der Materie befangen gewesen, ein sinnlicher Mensch, dem Weibe, dem Fleische, der Welt und den häuslichen Sorgen ergeben.

Agrippa war sofort nach dem Erscheinen seines Bekenntnisbuches in die Kämpfe verwickelt worden, die zu erwarten gewesen waren. Das hinderte ihn nicht, den Druck des magischen Werkes unmittelbar darauf, im Herbste 1530, beginnen zu lassen. Geldsorgen und unerwartete Anfeindungen von seiten der Dominikaner verzögerten die Herstellung des Buches. Agrippa nahm den Kampf gegen die Dominikaner (,,deren Gehirn in ihrem Bauche und deren Geist auf ihrem Teller ist") ohne Scheu auf; er scheint den Rücken gedeckt gehabt zu haben durch den Kardinal Campeggio und den Erzbischof von Köln; er beruft sich auf das Privilegium des Kaisers (der ihn doch seitdem preisgegeben hatte, und dessen Privileg einzig und allein gegen unbefugten Nachdruck schützen sollte und durchaus keine Billigung der geschützten Bücher enthielt) und bedrohte die Dominikaner mit der Herausgabe eines Werkes über ihre Verbrechen, Ketzereien und Wunderfälschungen, womit er nur in die gleiche Kerbe gehauen hätte, wie wenige Jahre vorher Reuchlin und dessen tapfere Streitgenossen, die,,Poeten" unter den deutschen Humanisten. Wie in dem zehnjährigen Kriege um die Judenbücher, platzten zwei Weltanschauungen aufeinander in Agrippas Verteidigung seines geistigen Eigentums; es war menschlich, dass hie und da Agrippas Geldsorgen hineinspielten und er den Anschluss an die nächste Buchhändlermesse nicht versäumen wollte. Erst im Juli 1533 konnte das magische Werk vollständig erscheinen; ohne Angabe des Druckortes oder des Druckers; der Schutz des Erzbischofs von Köln hatte geholfen.

Aber inzwischen hatten schon stärkere Mächte als

selbst die Dominikaner waren, Agrippa aus den Niederlanden vertrieben, schon 1531, unmittelbar nach dem Erscheinen seines Bekenntnisbuches: Schulden und die Ungnade des Kaisers. Um seiner Schulden willen (er macht seine Notlage dem Hofe zum Vorwurf) wurde er ins Gefängnis geworfen und es half ihm offenbar wenig, dass er seine Gläubiger nach seiner gewohnten Manier wie politische Gegner behandelte und sie mit Beschimpfungen und Drohungen zu bekämpfen suchte. Es ist schon erwähnt worden, dass er aus dieser Not durch katholische Kirchenfürsten gerettet wurde; der Kardinal Campeggio und der Kardinal Lamarck nahmen sich seiner an und der heimliche Lutheraner, Graf Wied, Erzbischof von Köln, bot ihm eine Zuflucht.

Die gleichen Kirchenfürsten hielten ihre Hände über ihm, als sein Bekenntnisbuch ihn zu vernichten drohte. Agrippa selbst stellt es so dar, als ob der Tod der Regentin Margarete ihn gerettet hätte; sie wäre weiblich fromm gewesen und hätte ihn vernichten lassen (man glaubt Voltaire zu hören) wegen des Verbrechens der Beleidigung der mönchischen Majestät und der allerheiligsten Kapuze. In Wahrheit hatten die Universitäten von Paris und von Löwen das Buch über die Eitelkeit der Wissenschaften verdammt, unbekannte Gegner hatten den Kaiser und dessen Bruder gegen Agrippas zynisches Werk aufgebracht und als Agrippa 1532 nach Köln entfloh, rettete er sich zugleich vor seinen Gläubigern und vor der gefährlichen Anklage, ein Ketzer zu sein. Vielleicht verdankte er die Freundlichkeit des Erzbischofs einer Empfehlung des Erasmus, vielleicht einem Glauben an seine magischen Künste, vielleicht wie schon erwähnt — einer Hinneigung des Erzbischofs zur Reformation. Der Erzbischof trat erst als alter Mann zum Protestantismus über; aber schon damals sammelte er in Köln, wo freilich der Aufschwung der Reformation niedergeschlagen war, einen Kreis von lustigen und geistreichen Leuten um sich, die alle

der modernen Richtung angehörten. Agrippa muss sich an diesem geistlichen Hofe sehr wohl gefühlt haben; in einem Einladungsbriefe Agrippas an einen seiner humanistischen Freunde heisst es:

,,Der

Koch ist unser Arzt, Küche und Speisekammer unser Laboratorium, die Tafel unser Tribunal." Seinen eigenen Wohnsitz schlug Agrippa in Bonn auf, in einem grossen Hause behaglich eingerichtet; von dort aus unternahm der leichtlebige Mann, als ob er die Aufregungen der letzten Jahre vergessen hätte, kleinere und grössere Reisen, wohl im Interesse des Vertriebes seiner Bücher. Wenigstens ist es wahrscheinlich, dass er nicht gewagt hätte, französischen Boden zu betreten, hätte ihn nicht die Absicht geleitet, dort eine Gesamtausgabe seiner sämtlichen Werke zu veranstalten. Wie dem auch sei, nach drei Jahren eines friedlichen Aufenthaltes in Bonn reiste Agrippa 1535 nach Lyon, seinem Tode entgegen. Wir wissen wenig von seinem Ende; und der gelehrte Streit darüber, in welchem Hause er gestorben sei, würde auch bei einem sicheren Ergebnis nicht viel zu unserer Kenntnis des Mannes beitragen.

Er kam nach Lyon und wurde dort gefangen gesetzt, wir wissen nicht, ob wegen seiner früheren Schmähungen gegen die Königin - Mutter, die übrigens jetzt schon tot war, oder wegen der neuen Angriffe gegen das königliche Haus von Frankreich, die sich in seinem Bekenntnisbuche fanden. Wir wissen nicht, was ihm im Gefängnisse zugefügt worden ist. Wir erfahren nur, dass er Dank einigen alten Freunden das Gefängnis wieder verlassen konnte, aber bald daraufin Grenoble (andere Quellen nennen Lyon selbst) elend starb. Er war 49 Jahre alt geworden. Er muss als Katholik gestorben sein. Aber just an seinen Tod knüpft sich die schon erwähnte Legende von einem Teufel in Hundegestalt, den der sterbende Agrippa fortgejagt und der sich im nahen Flusse ersäuft hätte.

« PreviousContinue »