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stellung der Hypostasen: der Vater ist hier die schlechthin höhere Potenz als der Erzeugte oder die beiden Erzeugten, welche als durch Abschwächung (vpɛois) entstandene Wiederholung derselben erscheinen. Diese Theologeme sind durchweg subordinatianisch und haben in diesem Sinne auch beirrend auf die Trinitätslehre der Häretiker gewirkt. Endlich haben alle Triaden der heidnischen Religionen die Welt zum Beziehungspunkte: die dritte Hypostase ist entweder die Welt selbst oder deren Seele, und die zweite die in der Weltgestaltung und regierung bestehende Weisheit, das Weltbewußtsein des höchsten Gottes. Auch die vollkommenste Fassung des Trinitätsgedankens in der Heidenwelt, die uns in Platons Worten entgegentritt, daß „in Zeus' Natur ein königlicher Geist und eine königliche Seele wohnen" 1), bewahrt den großen Denker nicht. davor, den Demiurgen von dem deos vontos abhängig zu fassen und die Welt zur Gottheit zu erhöhen 2).

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Diese Trübungen der Überlieferungen weichen vor dem Lichte des Christentums. Die Kirche lehrt die Gesondertheit der Personen, in personis proprietas, die Einheit des Wesens, in essentia unitas, die Gleichheit der Würde, in majestate aequalitas. Die kosmologische Beziehung der Trinität tritt hinter das ontologische Problem, und ebenso hinter die soteriologische Bedeutung zurück; nicht die Herstellung der Welt, sondern die Wiederherstellung des Menschen läßt diesen den ahnenden Blick in das Mysterium der Dreieinigkeit und damit in das innere Leben Gottes thun, der es angehört, während es die Heidenwelt in äußeren Relationen gesucht hatte. Und doch wird es dadurch nicht zu einem alle menschliche Fassung überfliegenden Geheimnisse, da eben jene Wiederherstellung Welt und Überwelt verknüpft hat: „Drei sind es, die im Himmel zeugen: Der Vater, das Wort und der heilige Geist und diese drei sind Eines (ëv xi61) und Drei sind es, die auf Erden zeugen: Der Geist, das Wasser und das Blut und diese sind auf das Eine gerichtet“ (εis tò ev ɛiów) 3).

1) Plat. Phil. p. 30 d.; Bd. I, §. 1, 3. 3) 1. Jo., 5, 7 u. 8.

2) Das. §. 28, 5.

§. 49.

Die Umbildung der kosmologischen Intuitionen des Altertums.

1. Minder einschneidend, mehr läuternd und vertiefend, war die Einwirkung des christlichen Lehrgehalts auf jene Intuitionen vom Weltgeseze und Weltprozesse, die wir als Gemeingut des religiösen Denkens des Altertums antrafen und als Grundlagen der griechischen Spekulation wiederfanden. Dahin gehören die Anschauung von Zahl, Maß, Gestalt und Harmonie als Ausdruck des Weltgesezes; ferner die Vorstellung von den vorbildlichen, überirdischen Siegeln, die Hinterlage der Ideeenlehre; weiterhin die Lehre von den geistigen Samen der Dinge als Grundlage der organischen Welterklärung, und endlich die Intuition von dem Hervorgang und der Hinordnung aller Wesen auf die Gottheit. In all diese zum teil verschwehenden und verschwimmenden Anschauungen zeichnete das Christentum seine festen Striche hinein und unterzog fie einer Umbildung im Geiste der Wahrheit. Die Bedeutung dieser Umbildung liegt darin, daß dieselbe zur Überleitung der darauf fußenden Philosopheme in den chriftlichen Gedankenkreis den Grund legte.

In der Zahlensymbolik schließt sich das Neue Testament zunächst dem Alten und den Überlieferungen der Synagoge an. Für die christlichen Denker geben hauptsächlich die Stellen im Buche der Weisheit“: „Du hast alles nach Maß, Zahl und Gewicht ge= ordnet" 1) und im Ecclesiasticus: Gott schuf die Weisheit im

1) Sap. 11, 21.

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heiligen Geiste und sah und zählte und maß sie" 1), die Leitlinien. Damit war nun auch die Handhabe zur Aufnahme antiker Zahlensymbolik gegeben, die aber durch die neuen Beziehungen erweitert wurde. Die Drei als Symbol der Gottheit, die Vier als Zahl der Welt oder der Zeit, die Sechs als Zahl der Schöpfungstage, die Sieben als die Zahl der vollendeten Schöpfung, die Zehn als die Schöpfer und Schöpfung zusammenfassende Zahl u. a. sind den Kirchenvätern geläufig 2). Aber es entwickelt sich daraus nicht eine Zahlentheologie, wie bei den Alten; der leitende Gedanke war, daß die Zahl Gottes Allwissenheit und Allmacht predigt: „Die Haare eures Hauptes sind alle gezählt“ 3). Die Zahl ist des Herrn; wo sie uns faßbar entgegentritt in seinen Werken und in seinen Thaten, lüftet sich in etwas der Schleier, der seine Geheimnisse bedeckt; aber es öffnet sich nicht ein Pfad, zu deren Höhe hinaufzuklimmen; dies Geheimnis der Zahl verwehrt es, durch Operieren mit den Zahlensymbolen Erweiterung der Gotteserkenntnis zu suchen. Dies hatten die Häretiker, besonders die Gnostiker, gethan und ihre Verirrungen dienten zur Warnung 4). Diese Grundanschauung schloß die Aufnahme echter pythagoreischer Zahlenkontemplation nicht aus und besonders der große Kirchenlehrer Augustinus hat diese sozusagen mit ihren Wurzeln ausgehoben und in sein Denken verpflanzt 5).

Die Raumbestimmungen nennt der Apostel Paulus, um den Inbegriff der in der Körperwelt verwirklichten Weisheit und Liebe Gottes zu bezeichnen: „In der Liebe bewurzelt und begründet, sollt ihr erstarken, um mit allen Heiligen zu begreifen, welches die Breite ist und die Länge und die Tiefe und die Höhe, und zu fassen die alle Erkenntnis überschreitende Liebe Christi, damit ihr in die gange Tille Sottes hineinmadjet ἵνα πληρωθῆτε εἰς πᾶν τὸ лλýшμα τоv ɛov)). In diesen Worten spricht sich eine Verknüpfung des Natürlichen mit dem übernatürlichen, des Physischen

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1) Eccli. 1, 9 Vulg.—2) Aug. de doctr. christ. II, 17, 25 u. f. 3) Matth. 10, 30. - 4) Bes. Ir. adv. haer. I, 14, sq. 5) Unten §. 64, 2; vergl. Bd. I, §. 17, 1.) Eph. 3, 17 u. 19; vergl. Rom. 8, 39.

mit dem Ethischen aus, wie sie der alten Welt unerreichbar ge= wesen, welche in Zahl und Raum wohl die gottgefeßte Ordnung erblickte, aber nicht die Ratschlüsse der göttlichen Liebe zu suchen wagte; auch Job sucht nur die Spuren der göttlichen Weisheit, wenn er den Herrn höher nennt als den Himmel, tiefer als die Unterwelt, länger als die Erde, breiter als das Meer 1).

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Auch auf den Begriff des Maßes fiel im christlichen Denken ein anderes Licht als im antiken. Das Wort uέroov kommt wiederholt im Neuen Testamente vor, nicht bloß in dem Sinne des von Gottes Weisheit gesezten Verhältnisses, sondern in dem Sinne der von seinem Willen bestimmten Zumessung: „Einem jeden von uns ist die Gnade gegeben nach dem Maße der Spende Christi" (xarà τὸ μέτρον τῆς δωρεᾶς τοῦ Χριστοῦ) 2) und Bir werden uns nur nach dem Maße der Vorschrift rühmen, in welchem uns Gott zugemessen hat“ (naτà tò μétqov tov xavóvos)3). Unter den Begriff des Maßes, als das Zugemessene, fallen auch die Gaben des heiligen Geistes 4) und die geistigen Anlagen, das rálavtov, welches der Herr seinen Dienern zur Verwaltung giebt, ein Aus= druck, der in unserm Worte Talent erhalten ist. Den Alten war das innere Maß, welches Lebenshaltung und Handeln bestimmen soll, etwas nur Natürliches; der Christ sieht es als von Gott eingepflanzt an der Maßstab, der dieses Maß bestimmt, ist im Himmel, wenn der Mensch diesem zustrebt, so wächst er seinem eigenen λýoua entgegen. Aber das Maß der Gnade vermag er nicht zu erkennen: „nicht nach Maß (d. i. Menschenmaß) giebt Gott den Geist" 5).

Wie dem Menschen die Leibesgröße zugemessen ist, so auch Alles, was er bedarf und was ihm frommt: „Wer von euch kann mit seinen Sorgen seinem Vollwuchs (xía) eine Elle zusehen? und was sorgt ihr, was ihr anziehen sollt?" Göttliche Maßbestim= mungen regeln und tragen des Menschen Leben im Kleinen und

1) Job 11, 7 sq. -5) Jo. 3, 34.

2) Eph. 4, 7. 3) 2. Cor. 10, 13.4) Js. 11.

im Großen1); auch hier gilt: Deos yɛwμɛtoɛi, aber was da mißt, soll nicht als Kunstsinn, sondern als Vaterliebe verehrt werden. Die Parabel vom klugen Haushälter, den der Herr über seine Dienerschaft sezt, damit er jedem zur rechten Zeit den zugemessenen Unterbalt gebe (ἐν καιρῷ τὸ σιτομέτριον) 3) und die permansten Gleichnisse stellen mannigfaltig die Maßverhältnisse der sittlichen Welt vor Augen.

2. Die erhabene Intuition der Vorzeit, daß den kosmischen Maßen etwas ähnliches entsprechen müsse wie den irdischen Maßen der musikalische Ton, fand auch im christlichen Gedankenkreise Aufnahme. „Die Sonne," sagt Clemens von Alexandrien, „teilt den Planeten ihr Licht mit nach einer göttlichen Musik“ 3), und Eusebios tadelt Epifur, „daß er nicht mit Geistesaugen zum Himmel geblickt habe, um die helle Stimme zu vernehmen, von welcher der tiefsinnige Seher sagt: Die Himmel erzählen die Ehre Gottes und das Firmament verkündigt seiner Hände Werk" 4). Ambrosius sagt über die Stelle des hohen Liedes, 6, 9, auf Grund der Übersetzung: „tönend wie die Sonne" (Vulg.: electa ut sol): „Auch einige der Unsrigen lassen dies gelten und obwohl dem nicht alle beitreten, ist die Anschauung uns nicht fremdartig wegen ihrer Lieblichkeit" 5). Derselbe nennt als Vorbilder der Psalmen den Gesang der Engel und die Lieblichkeit der ewigen Musik, welche bei dem Umschwunge der Himmelsare ertönen soll, sodaß der Ton am Ende der Erde gehört werde und fügt hinzu: „Es giebt gewisse Geheimnisse der Natur und derart ist dieses“ 6).

Nach einer schönen Sage des christlichen Mittelalters rührt das Lächeln der Kinder im Schlafe davon her, daß sie die Musik des Himmels vernehmen. Die Dichtung des Mittelalters spann den Gedanken weiter aus: Der Ton des Mondes ist ein leiser Gesang, am herrlichsten erklingt die Sonne, mit Donnerton der Mars, wie Nachtigallen Jupiter; bei Merkur und Mars heißt die Sängerin

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