und all den Tändeleien, den lieblichen Schmeichelnamen zartester Her= zensergießung. Jedoch ein anderes junges, schönes und reiches Mädchen, Miß Vanhomrigh, faßte Neigung zu ihm, erklärte ihm seine Liebe, erhielt mehrere Zeichen der seinigen und folgte ihm nach Irland, bald eifersüchtig, bald unterwürfig, aber so leidenschaftlich und unglücklich, daß ihre Briefe ein Herz von Stahl hätten brechen können: ,,Wenn Ihr fortfahrt, mich so, wie Ihr jetzt thut, zu behandeln, so werde ich Euch nicht mehr lange zur Last fallen.... Ich glaube, ich hätte viel leichter Folterqualen ertragen können, als diese tödtlichen, tödtlichen Worte.... O wäre Euch nur so viel Interesse für mich geblieben, daß diese Klage Euere Seele mit Mitleid erfüllen könnte."*) Sie grämte sich und starb. Esther Johnson, die lange Swift's ganzes Herz besessen hatte, litt noch mehr. Alles hatte sich in seinem Hause geändert: „Bei meiner Ankunft", sagte er, glaubte ich vor Kummer sterben zu müssen und war schrecklich traurig, während man meine häusliche Einrichtung besorgte." Er fand Thränen, Mißtrauen, Groll, eisiges Schweigen an Stelle der Herzlichkeit und Zärtlichkeit. Er heirathete sie aus Pflichtgefühl, aber im Geheimen und mit der Bedingung, daß sie nur dem Namen nach sein Weib sein sollte. Zwölf Jahre lang siechte sie dahin; Swift ging, so oft er konnte, nach England. Sein Haus war ihm eine Hölle; man vermuthet, daß ein physisches Gebrechen seine Liebe und Ehe beeinträchtigt habe. Eines Tages fand ihn sein Biograph Delany in einer Unterhaltung mit dem Erzbischofe King; er erblickte den Erzbischof in Thränen und den davonstürzenden Swift mit verstörtem Gesichte. „Ihr habt", sagte der Prälat, „soeben den unglücklichsten Mann von der Welt gesehen; aber nach dem Grunde seines Unglückes dürft Ihr niemals fragen." Esther Johnson starb. Welche Qualen Swift litt, welche Gespenster ihn verfolgten, welch' Grausen er fortwährend bei dem Gedanken an die zwei durch seine Schuld zerrütteten und ge= tödteten Frauen empfand, nur sein Ende kann es uns sagen. „Es ist Zeit für mich, mit der Welt nun abzuschließen.....; aber hier werde ich sterben wie eine in ihrem Loche vergiftete Ratte."*) Ueber= mäßige Arbeit und Aufregung hatten ihn schon seit seiner Jugend krank gemacht; er litt an Schwindel und hörte nicht mehr. Schon lange spürte er, daß er den Verstand verlieren würde. Eines Tages hatte man ihn beobachtet, wie er vor einem seiner Krone beraubten Ulmenbaume stehen geblieben war, denselben lange betrachtet und ge= sagt hatte: „Ich werde sein, wie dieser Baum, ich werde zuerst von oben absterben."**) Er verlor das Gedächtniß; er nahm die Aufmerksamkeiten Anderer mit Widerwillen, oft mit Wuth an. Er lebte allein, vor sich hinbrütend, unfähig zu lesen. Er soll ein ganzes Jahr lang kein Wort gesprochen haben; er empfand Abscheu vor dem menschlichen Antliß und lief täglich zehn Stunden umher, wahnsinnig, dann blödsinnig. Er bekam eine Geschwulst am Auge, so daß er einen Monat nicht schlafen konnte und fünf Personen nöthig waren, um ihn zu verhindern, sich das Auge mit den Nägeln herauszureißen. Eines seiner lezten Worte war: „Ich bin wahnsinnig." Als man sein Testament öffnete, ergab sich, daß er sein ganzes Vermögen zur Er= bauung eines Irrenhauses ausgesetzt hatte. *) If you continue to treat me as you do, you will not be made uneasy by me long.... I am sure I could have born the rack much better than those killing, killing words of you.... O, that you may have but so much regard for me left, that this complaint may touch your soul with pity! II. Sein Geist. tivistische Geist. Seine Macht und seine Grenzen. Solche Leidenschaften und solches Elend waren nöthig, um Gulliver's Travels und The Tale of a Tub zu inspiriren. Auch eine seltsame, mächtige Geistesart war nöthig, ebenso eng= lisch wie sein Stolz und seine Leidenschaften. Swift besitzt den Stil eines Arztes und eines Richters, kalt, ernst, gründlich, ohne Schmuck, Lebhaftigkeit und Leidenschaft, völlig männlich und praktisch. Er will weder gefallen, noch ergöken, noch hinreißen, noch rühren. Es begegnet ihm nie, daß er schwankt, sich wiederholt, sich begeistert oder sich anstrengt. Er bringt seinen Gedanken in schlichter Weise, in genauen, präcisen, oft derben Worten und etwas gewöhnlichen Vergleichen zum Ausdruck und zieht Alles, selbst die erhabensten Dinge, ja diese vor Allem, mit einer brutalen und stets hochmüthigen Kaltblütigkeit in handgreiflicher Weise herunter. Er kennt das Leben, wie ein Banquier seine Rechnungen kennt, und wenn er einmal seine Zusammenzählung gemacht hat, so werden die Schwäker, die sich in seiner Nähe darum streiten, von ihm verachtet oder zu Boden geschlagen. *) It is time for me to have done with the world And so I would, .... and not die here in a rage, like a poisoned rat in a hole. **) I shall be like that tree. I shall die at the top. Aber neben der Totalsumme kennt er auch die einzelnen Posten. Nicht allein, daß er jeden Gegenstand ungenirt und kräftig anfaßt, er zergliedert ihn auch und besist ein Verzeichniß seiner einzelnen Theile. Seine Phantasie ist ebenso sorgfältig genau als kraftvoll. Er kann uns über jedes Ereigniß und über jeden Gegenstand ein so zusammenhängendes und so wahrscheinliches Protokoll trockener Thatsachen geben, daß er uns Illusion machen wird. Die Reisen seines Gulliver lesen sich wie ein Schiffsjournal. Isaac Bickerstaff's Prophezeiungen wären von der portugiesischen Inquisition wörtlich genommen worden. Die Geschichte des M. du Baudrier scheint eine authentische Uebersehung. Er gibt dem phantastischen Romane den Anschein einer wahren Ge= schichte. Durch dieses ausführliche und gründliche Wissen führt er den positiven Geist der praktischen Geschäftsleute in die Literatur ein; keiner konnte gewaltiger, beschränkter, unglücklicher, denn keiner konnte destructiver sein. Keine wahre oder falsche Größe hielt vor ihm Stand; die Dinge, die er einmal prüfend in die Hand nimmt, verlieren sofort ihren Nimbus und ihren Werth. Indem er sie zergliedert, zeigt er ihre wahre Häßlichkeit und nimmt ihnen ihre fingirte Schönheit. Indem er sie den gewöhnlichen Dingen gleichstellt, unter= drückt er ihre wahre Schönheit und drückt ihnen eine fingirte Häßlichkeit auf. Er stellt alle ihre unschönen Seiten dar, und er stellt diese allein dar. Man betrachte, wie er, die äußern Details der Wissenschaft, der Religion, des Staates, und beschränke, wie er, Wissenschaft, Religion und Staat auf die Gemeinheit der täglichen Vorfälle, und man wird, wie er, hier ein Tollhaus erblicken voll eingeschrumpfter Träumer, voll beschränkter und phantastischer Köpfe, die damit beschäftigt sind, sich zu widersprechen, aus vermoderten Büchern leere Phrasen aufzuhäufen, Hypothesen zu erfinden, die sie für Wahrheiten ausschreien; dort eine Schaar von Enthusiasten, die Phrasen murmeln, welche sie nicht verstehen, rhetorische Figuren als Mysterien anbeten, die die Heiligkeit oder Gottlosigkeit von Kleiderärmeln und Körperstellungen abhängig machen, die in Verfolgungen und Kniebeugungen den Ueberschuß lammfrommer und wilder Thorheit vergeuden, womit ein böses Geschick ihr Gehirn angefüllt hat; - oder eine Herde von Dummköpfen, die Gut und Blut hingeben für die Laune eines in der Kutsche dahinfahrenden Aristokraten, aus Respekt vor der Kutsche, die sie ihm doch selbst geliefert haben. Welche Seite der menschlichen Natur und des Menschenlebens kann erhaben und schön bleiben vor einem Geiste, der in alle Einzelheiten eindringt, den Menschen bei Tische, im Bette, im Ankleidezimmer, bei all seinen trivialen und niedrigen Handlungen beobachtet und der Alles und Iedes auf das Niveau der alltäglichsten Ereignisse und armseligsten Umstände des Kleiderkrams und der Küche herunter zieht? Es ge= nügt dem positiven Geiste nicht, die Maschinerie, die Rollen, die Lampen und Alles zu sehen, was es Häßliches in der Oper, der er beiwohnt, gibt; er macht es obendrein noch häßlicher. Es genügt ihm nicht, dabei Alles zu kennen, er will außerdem Nichts davon bewun= dern. Er behandelt die Dinge als Hausgeräthe; nachdem er ihre Stoffe aufgezählt hat, gibt er ihnen einen verächtlichen Namen; für ihn ist die Natur nur ein Kessel, in welchem Ingredienzien kochen, deren Mischung und Qualität er kennt. In dieser Kraft und in dieser Schwachheit erkennt man die Misanthropie Swifts und sein Talent. Es gibt eben nur zwei Arten, sich in die Welt zu schicken: die Mittelmäßigkeit des Geistes und die Ueberlegenheit der Intelligenz; die eine für die große Menge und die Narren, die andere für Künstler und Philosophen; die eine, welche darin besteht, Nichts zu sehen, die die andere, welche darin besteht, Alles zu sehen. Wir werden die ehrwürdigen Dinge verehren, wenn wir nur ihre Oberfläche betrachten, wenn wir sie nehmen, wie sie sich darbieten, wenn wir uns täuschen lassen von dem schönen Anschein, mit welchem sie nie sich zu umgeben verfehlen. Wir werden das goldgestickte Kleid ehrerbietig begrüßen, mit dem sich unsere Herren herauspuken, und wir werden nie daran denken, die Flecken zu prüfen, die unter der Stickerei verborgen sind. Wir werden durch die hechtrabenden Worte gerührt werden, die sie in erhabenem Tone wiederholen, und wir werden nie in ihren Taschen das forterbende Handbuch bemerken, dem sie dieselben entnommen haben. Wir werden ihnen gewissenhaft unser Geld und unsere Dienste darbieten; die Gewohnheit wird uns als ein Recht erscheinen, und wir werden jenes Gänsedogma acceptiren, daß es die Bestimmung der Gans ist, gebraten zu werden. Aber andererseits werden wir die Welt ertragen, ja sogar lieben, wenn wir eindringen in ihr Wesen und uns mit der Erklärung oder Nachahmung ihres Mechanismus beschäftigen. Wir werden uns mit der Sympathie des Künstlers oder mit dem Verständniß des Philosophen für die Leidenschaften interessiren; wir werden sie natürlich finden, weil wir ihre Gewalt verspüren, oder wir werden sie für nothwendig halten, weil wir über ihren Zusammenhang speculiren, wir werden nicht mehr über Mächte unwillig sein, die ein so schönes Schauspiel hervorbringen, oder wir werden uns nicht mehr erregen durch Rückwirkungen, welche das Gesek von Ursache und Wirkung vorherverkündet hatte; wir werden die Welt als ein grandioses Drama oder als eine unüberwindliche Entwickelung bewundern und durch die Phantasie und durch die Logik vor Verleumdung und Ekel bewahrt werden. Wir werden in der Religion die erhabenen Wahrheiten ausscheiden, welche die Dogmen verdunkeln, und die edlen Triebe, welche der Aberglaube verdeckt. Wir werden im Staate die unendlichen Wohlthaten bemerken, welche keine Tyrannei aufhebt, und die gesellschaftlichen Neigungen, welche keine Schlechtigkeit ausrottet. Wir werden in der Wissenschaft die festen Doctrinen unterscheiden, welche die Diskussion nicht mehr erschütttert, die großartigen Ideen, welche der Kampf der Systeme läutert und entwickelt, die herrlichen Verheißungen, welche der Fortschritt der Gegenwart dem Ehrgeiz der Zukunft darbietet. Wir können auf diese Weise dem Haß entgehen durch die Nichtigkeit oder durch die Größe der Perspective, durch die Unfähigkeit, die Gegensätze zu entdecken, oder durch die Kraft, die Harmonie derselben aufzufinden. Erhaben über die eine, tief unter der anderen, sah Swift nur Schlechtigkeit und Verwirrung, |