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aufweist. Und abermals nach osten führt uns das wort pfinztag in die slav. welt. Nur bedeutet die entsprechung dort nicht 'donnerstag', sondern 'freitag': aslav. pętuků (poln. piantek, darnach altpreuss. pentinx und noch magyar. péntek). Aber der zwiespalt der bedeutung ist schnell erklärt, wenn man an die bedeutung des griech. substrats denkt: gг. лέμлτη 'der fünfte tag'. Offenbar begannen die christlichen Germanen die woche mit dem sonntag, aber die Slaven mit dem montag. Weniger charakteristisch ist es, dass Germanen und Slaven das wort pfaffe gemeinsam ist (aslav. popu, ebenso russisch).

Von den Goten an der untern Donau ist unser christentum stromaufwärts gezogen und hat aus den alten sitzen auf dem Balkan auch die grundfarben des Griechentums übernommen, dessen stempel worte wie kirche und pfaffe, samstag und pfinztag so unzweifelhaft tragen. Freilich wirkte auf Ulfilas nicht bloss ein griech. christentum ein. Er zeigt auch spuren der lat. kirchensprache, wenn er für 'barmherzig' armahaírts und für 'erbarmen' arman sagt, die beide nur der lat. und nicht der griech. entsprechung nachgebildet sein können. Zum verständnis dieses lat. einflusses auf das got. christentum verweise ich auf Harnack, Mission und ausbreitung des christentums 2, 202: 'im 4. jh. ist doch Mösien die provinz gewesen, in der sich ein grosser teil des geistigen austausches von ost und west in der kirche vollzogen hat.' So wäre man auch versucht, in der got. doppelform für evangelium den zwiespalt von west und ost widerzuerkennen. Denn ein lat. evangelium konnte seine endung verlieren und durch die got. auslautsgesetze zu aíwaggêli werden, während gr. ɛvayyéέor notwendig zu got. aiwaggeljó werden musste.

An der unteren Donau treten uns die Goten schon in der 2. hälfte des 3. jh.'s vom latein umgeben entgegen. Eines der frühesten zeugnisse für die got. sprache ist, wie zuerst v. Domaszewski gesehen hat, ein auf lat. soldateninschriften in Serbien und Bulgarien auftretendes got. brutis, das unserm braut entspricht. Damals stand nach einer glücklichen vermutung Braunes die got. sprache noch auf einer altertümlicheren lautstufe, die man erst im beginne des 4. jh.'s verliess. Wenn die auslautsgesetze des got. erst im beginn des 4. jh.'s die altüberkommenen worte vielfach kürzen, so musste auch ein lat.

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KLUGE, GOTISCHE LEHNWORTE IM AHD.

evangelium, das im 3. jh. bei den Goten der römischen heere eingang fand, zu aíwaggêli verkürzt werden.

Wenn aber neuerdings W. Schulze (Sitzungsberichte der kgl. preuss. akademie 1905, 2 s. 743) got. aiwaggêlista für eine lat. entlehnung angesehen wissen will, so kann ich ihm darin nicht folgen und hoffe mein bedenken den fachgenossen an anderer stelle zu unterbreiten.

Es sind gewiss nur geringe spuren der lat. kirchensprache, die wir in den übersetzungen des Ulfilas antreffen. Es ist nicht zu bezweifeln, dass der griech. einfluss auf sein gotisch überwog, und so sind es denn auch überwiegend spuren von gräcität, die wir in unserer ältesten christlichen terminologie widererkennen. Diese spuren der gräcität in unserer muttersprache haben wie wir sahen schon den Reichenauer theologen Walahfrid Strabo um 840 beschäftigt, als er sich um die worte kirche und pfaffe bemühte. Er warf die frage auf: qua occasione ad nos vestigia haec graecitatis advenerint? und beantwortete diese frage mit einem hinweis auf den aufenthalt der Goten in Grecorum provinciis.

Was Walahfrid Strabo bei den worten kirche und pfaffe geahnt hat, dafür hat Raumer eine kulturgeschichtliche auffassung angebahnt, aber er fand dafür keine allgemeine zustimmung. Denn weder Schades Ad. wb., noch das DWb. hat an allen massgebenden stellen Raumers anschauungen vertreten. Am auffälligsten ist, dass Weinhold in seinem schriftchen Die gotische sprache im dienste des christentums (1870) Raumers anfragen und vermutungen' mit keinem worte erwähnt. Wenn mein Et. wb. die got. sprache im dienste des deutschen christentums in grösserem umfange zur darstellung gebracht hat, als Raumer mit seinen 'anfragen und vermutungen' - so hat mein aufsatz die absicht gehabt, das dort zerstreute einmal zusammenzufassen. Aber das problem des gotischen und deutschen arianismus, das hier im hintergrunde steht, ist nicht die sache des sprachforschers hier hat der historiker und insbesondere der kirchenhistoriker einzusetzen.

FREIBURG i. B.

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F. KLUGE.

ZUR DEUTSCHEN ETYMOLOGIE.

Die folgenden seiten enthalten grösstenteils kritische bemerkungen zu anfechtbaren etymologien anderer forscher und meine ergebnisse sind demgemäss vorwiegend negativ. Nicht selten aber habe ich es auch versucht, eine verfehlte etymologie durch eine bessere zu ersetzen. Dabei habe ich nach selbsterkenntnis und selbstbeschränkung gestrebt, in der festen überzeugung, dass ohne diese eigenschaften nichts dauerndes erzielt werden kann. Meringer macht mir freilich zum vorwurf, meine eigene praxis sei nicht mit meinen strengen grundsätzen in einklang. Darauf kann ich nur erwidern, dass meine grundsätze allmählich strenger geworden sind, indem ich mich immer mehr von der nichtigkeit der meisten etymologischen vermutungen überzeugte. Gern gestehe ich, dass es unter meinen frühern versuchen auch solche gibt, welche ich nicht für besser halte als die von mir bestrittenen. Jedenfalls haben viele meiner etymologien bei sachkundigen leuten eine günstige aufnahme gefunden und Meringer soll mit seinem eigenen gewissen zu rate gehen, ob er die allgemeine aussage, dass ich der originalität entbehre, aufrecht erhalten kann. Habe ich denn niemals etwas geleistet, was zugleich neu und richtig wäre? Hat Meringer denn auch alles gelesen, was ich über indogermanische und andere sprachen geschrieben habe? Ich habe seine etymologische methode in scharfen worten gerügt, ohne ihn aber beleidigen zu wollen. Wo er, nach meiner ansicht, das richtige trifft, habe ich das gern anerkannt. Nicht der kritiker, der nach innerer überzeugung tadelt, was ihm tadelnswert erscheint, macht sich der beleidigung schuldig, wol aber der kritisierte, der solchen tadel mit ungerechter heftigkeit beantwortet. Auch jetzt werde ich gelegentlich Meringers methode angreifen müssen. Er glaube mir aber,

Beiträge zur geschichte der deutschen sprache. XXXV.

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dass ich das nur darum tue, weil mir die wissenschaft lieb ist. Jeder handelt, wie ihn sein inneres schicksal treibt: tenānuçishṭaḥ pravaṇād ivāmbho | yathā niyukto'smi tathā bhavami (Mbh. 2, 64, 8). Das gilt auch von Meringer und mir selbst. Annäherung zwischen uns beiden ist übrigens nicht ausgeschlossen, denn ich will mich gern über die 'sachen' belehren lassen und hege anderseits doch immer eine gewisse hoffnung, dass auch Meringer von mir etwas lernen will.

1. Aal. Nach Hirt (IF. 22, 65 ff.) stünde ahd. al, ags. ál, an. áll ‘anguilla' mit -elu- in gr. yzelve, das er als eine uralte zusammensetzung auffasst, in einem ablautsverhältnis. Mit vs sucht er zunächst lat. anguilla zu vermitteln, indem er dieses auf *anguilu-, *anguilua- zurückführt und jenes als analogischen ersatz eines älteren *77ɛs betrachtet (aus *ἀγχέλυος hätte lautgesetzlich ἐγχέλυος entstehen können). Mit der verschiedenheit der gutturale (gu: %) sucht er sich irgendwie abzufinden. Ich halte das alles für unwahrscheinlich. Obwol ich mir gewisse schwierigkeiten nicht verhehle, bleibe ich doch dazu geneigt, in 7zelve und anguilla l-suffixe zu vermuten, und was das germanische wort betrifft, scheinen ganz andere combinationen viel näher zu liegen als die mit dem aus zelve zu kühn herausgeschälten *elu-. Wir sollen nämlich nicht vergessen, dass an. all ausser 'anguilla' auch 'schmale vertiefung' bedeutet, dass ein femininum ál für 'riemen' und 'zügel' gebraucht wird und dass man aus den adjectiva auf -álóttr eine allgemeine bedeutung 'streifen' entnehmen kann. Zwar hat Lidén (Stud. zur aind. und vergl. sprachgesch. s. 82 f.) áll 'schmale vertiefung' von áll 'anguilla' trennen wollen, aber ich kann das nicht gutheissen, denn die rinnenförmige einsenkung, der riemen, der zügel, der streifen, der aal machen einen ähnlichen gesichtseindruck und es ist nichts dagegen, anzunehmen, dass ein wort für 'streifen' oder 'riemen' auf schmale vertiefungen und den aal übertragen wurde. Bei meiner auffassung der verhältnisse ist die in die zeit der germanischen einheit zurückreichende bedeutung 'aal' jünger als die nur im norden daneben erhalten gebliebene bedeutung 'riemen' oder 'streifen', welche ausserhalb des germanischen in aind. alt- 'streifen, linie' eine stütze findet. Köhlers vermutung (Die altengl. fischnamen s. 17 f.), dass der

aal nach seiner schleimigkeit oder nach seinem aufenthalt in sümpfen benannt wäre, scheitert an den bedeutungen von áll, ál, -álóttr und dasselbe gilt von der in jeder hinsicht unmöglichen deutung des wortes als eine -lo- ableitung von essen (E. Schröder, Zs. fda. 42, 63 f.). Schon in meiner besprechung der neubearbeitung des Weigandschen wörterbuches (Museum, juli 1908) habe ich kurz meine meinung über aal angedeutet.

2. Abend. Wie das gegenseitige verhältnis der formen mit und ohne t nach dem labial auch zu beurteilen sei (vgl. Brugmann, IF. 5, 376 ff.; Wiedemann, BB. 28, 72 ff.; Weyhe, Beitr. 30, 60 f.; Möller, Semitisch und indogermanisch 1, 259), jedenfalls werden wir es mit einem einstmaligen ablautenden consonantstamm zu tun haben und von einem durch den accentwechsel im paradigma bedingten lautwechsel : ausgehen müssen. Ahd. aband, as. aband und ags. áfen enthalten die vollstufe zum a in an. aptann, das demnach auf ǝ zurückgehen muss. Das wort gehört also der e-reihe an und lässt sich weder mit ab, got. af, aind. ápa, noch mit eben, got. ibns (ib-dalja), noch auch mit gr. oyé vermitteln. Aus demselben grunde und zugleich aus semantischen erwägungen sind die vorschläge Johanssons (IF. 4, 145 f.) und te Winkels (Taalgeschiedenis als geschiedenis van den geest, Gent 1906, s. 20) abzulehnen.

3. Alp. Mikkola (BB. 22, 241) hat mhd. alp, ags. ælf, an. álfr als 'atem > seele' gedeutet und es mit lett. elpe 'atem, luftschöpfen' verbunden, was zu dem ursprünglich seelischen charakter der elfen gut stimmen würde. Wir hätten zwischen dem germanischen und dem baltischen worte ein ablautsverhältnis anzunehmen. Dennoch scheitert die an sich ansprechende etymologie an dem von den meisten forschern angenommenen zusammenhang von alp mit aind. rbhú-, das eine bezeichnung kunstfertiger elfischer wesen ist. Das richtige über alp: rbhú- hat wol Wadstein, Uppsalastudier s. 152 ff. Was lett. elpe betrifft, könnte man an verwantschaft mit luft, got. luftus denken, das aus *p-tu- entstanden sein kann. An. lopt in der bedeutung 'oberes geschoss' ist wol von lopt 'luft' zu trennen (vgl. Beitr. 27, 127).

4. Amboss. Unter amboss wird bei Weigand die sippe von ahd. bōgan, ags. béatan, an. bauta besprochen. Der nächste

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