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in C sich nirgends als nachträgliche kürzungen verraten. Es handelt sich durchwegs um den ausfall von flickwörtern, wie sie das streben nach trivialer deutlichkeit mit sich bringt: der iu nüwe setzt E noch hinzu mære bringet, daz bin ich; vgl. Dietrichs flucht 2762 der mære bringet daz bin ich. ich wil aber miete; den sinn 'ich verlange natürlich lohn' kann mündlicher vortrag auch ohne dies aber deutlich machen. waz wolde ich ze lône? si sint mir ze hêr; das ist, mit der lesart von C verglichen, eine noch dazu schlecht bezeugte vulgarisierung.') - daz gevallen | wolde in frömeder site; die ungewöhnliche wortfolge konnte im volksmund natürlich nicht erhalten bleiben. kan ich schouwen 'verstehe ich zu prüfen' entbehrt das flickwort rehte ebenso leicht, wie die zeile als engel sint diu wip getân. So verstärkt A in der nächsten zeile auch das betrogen durch ein gar.

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Durchwegs dienen also die pluswörter nur zur verflachung und verdeutlichung lakonischer oder ungewöhnlicher wendungen und zu volkstümlicher unterstreichung des sinnes, und es ist nicht nötig, anpassung des textes an eine andere, bekanntere melodie zu vermuten. Wie die sichtlich aus mündlicher tradition stammende fassung in E zeigt, muss die musikalische ausgleichung dieser und ähnlicher metrischer schwankungen nicht unmöglich gewesen sein.

Ich kann diese erörterung nicht schliessen, ohne der jüngst von Nickel (Sirventes u. spruchdichtung s. 21) vorgebrachten hypothese über die veranlassung des liedes zu gedenken. Nickel sieht darin eine entgegnung auf Peire Vidals schmähverse gegen die Deutschen (41,2. 4,8). Der verrückte troubadour weilte 1196/97 in Ungarn, wo die eine seiner schmähstrophen entstand, und Walthers verse, die ja an Ungarns grenze zuerst gesungen wurden (56, 39), seien die antwort: tiusche man sint wol gezogen, reht als engel sint diu wîp getân, swer si schildet,

1) Ein indirectes zeugnis für die echtheit der lesart von C ze rîcheme lône bietet die von Wilmanns angezogene reminiscenz an 56, 26 ff. bei Walther von Klingen (MSH. 1,73b): nú gere ich anders niht von in ze dienestlichem lône wan swâ ich bi guoten vrouwen bin, daz si mich grüezen schône. Vgl. auch Walth. 49, 12: Ich sanc hie vor den frowen umbe ir blôzen gruoz: den nam ich wider mînem lobe ze lône. Swâ ich des geltes nû vergebene warten muoz, dâ lobe ein ander, den si grüezen schône.

derst betrogen. Gegen diese beziehung spricht so ziemlich alles. Walther preist die deutschen frauen und das hebt er selbst hervor, wo er sich auf dies lied beruft (58, 34. 49, 12), und gegen die heimischen verächter des frauendiensts, gegen das 'schelden wip' ist die zeile swer si schildet, derst betrogen gerichtet. Der Romane aber greift nur die männer an, die er als tölpelhaft, schurkisch, schlecht und undankbar beschimpft. Auf solche anwürfe hätte Walther nicht mit gelassenem lächeln in einem minnelied erwidert, sondern durch einen scharfen spruch. Die strophen Vidals (1194-1197 entstanden, vgl. Schultz-Gora, Litbl. 1908, s. 322) und Walthers antwort würden auch weit auseinander liegen, denn das lied zeigt Walthers reifste art und man wird von dem terminus ad quem, den der Frauendienst gewährt, nicht zu weit nach vorne gehen dürfen. Dass das lied in Wien entstanden sei, ist eine recht luftige vermutung, denn die lesart her wider würde auch wenn sie gesichert wäre nur verraten, das das lied nicht am Rhein entstand. Nickels schwächste stütze ist aber die lesart in E Falsches volk ist gar betrogen, wofür Haupt vorschlug, Wälschez volk zu lesen. Wäre die conjectur richtig, dann hätte diese fassung gewiss nicht frömede site in tobende site geändert und vngerlant in engellant.

101, 30 (84, 8). ich barc din ungefüege in friundes schôz. Der metaphorische ausdruck wird erst verständlich, wenn man an das alte symbol der adoption und vormundschaft denkt, an das schosssetzen und beschlagen mit dem mantel: RA I 638 f. und DWb. IV 2552 (gehrhab), 2548. Natürlich ist hier nicht an wirkliche vormundschaft zu denken: 'wie ein vormund für seinen mündel, trat ich für deine zuchtlosigkeit ein.' Ein grund, den ausdruck schuole in v. 33 bloss bildlich zu nehmen und Walther zum politischen ratgeber könig Heinrichs zu machen, liegt nicht vor. Die prophezeiung für den nachfolger in der schuole: swâ sîn gewalt ein ende hât, dâ stêt sîn kunst noch sunder obedach kann wol nur auf einen zuchtmeister gehen. Walther tritt uns hier in dem spielmannsamt des erziehers eines vornehmen knaben entgegen (Wackernagel, LG. 130, anm. 17). GRAZ, 15. dec. 1908. ANTON WALLNER.

WALTHER 66, 15.

Dass von der nur in C überlieferten Waltherstrophe 66, 13-20

Swie liep si mir von herzen sî,
sô mac ich doch vil wol erlîden

15 daz ich ir sî zem besten bî:

ich darf ir werben dâ niht nîden

u. s. w. die zeile 15 verderbt ist, dürfte feststehen, ebenso aber auch, dass eine völlig befriedigende heilung der stelle noch nicht gefunden ist. Von älteren vermutungen führt Wilmanns, Walther2 (1883) s. 467 an: daz ich ir sihe ze manegen bi Lachmann, daz ich ir si zem lesten bî Wackernagel, daz ich ir sî zen besten bi Simrock. Von diesen hat keine in die neueren ausgaben eingang gefunden, und mit recht, denn keine gibt einen brauchbaren gedanken (die von Simrock dürfte übrigens den meisten lesern wol ebenso unverständlich sein, wie mir; vgl. s. 205, anm.). Sonst ist mir nur noch der zweifelnde vorschlag von Scherer, Anz. fda. 10, 310: daz ich ir sihe geste bî bekannt geworden, der Lachmanns sihe (das als indicativ hier an sich schon etwas befremdlich ist) aufnimmt, mit geste aber näher an dem besten der hs. bleibt. Deswegen mag wol Wilmanns diese lesung in die zweite auflage seiner kleinen textausgabe (Halle 1905, no. 63, 19) aufgenommen haben. Paul lehnt sie dagegen stillschweigends mit ab (Walther3, Halle 1905, no. 32, 19), und ich kann das nur billigen. Denn ich sehe nicht, was die geste hier sollen. Zumal bei Walthers ganz prägnanter gebrauchsweise des wortes gast (s. die stellen bei Horning s. 102) könnte der satz ja nur heissen 'dass ihr fremde ins haus gekommen sind', und das steht wenigstens für mich nicht in einem greifbaren bezug zu den getrogenen und dem rüemic man von 66, 19 f., zu denen doch irgend eine brücke hinüberführen muss (weiteres dazu unten s. 205 f.). So mag es denn gestattet sein, einem fünften emendationsversuch

raum zu geben, der mir vor jahren einmal eingefallen ist, und für den äusserlich vielleicht mit spricht, dass er sich (wie ich erst jetzt beim niederschreiben dieser zeilen bemerke) der allgemeinen gedankenrichtung nach mit einer auffassung berührt, der Simrock in den späteren ausgaben seiner übersetzung ausdruck verliehen hat.

Der grundgedanke der strophe ist ja klärlich in 66, 17 f. ausgesprochen: Walther fürchtet keine concurrenz, die ihm bei der geliebten schaden könnte, und braucht sie nicht zu fürchten, wie er uns selbstbewusst versichert. Liegt es da nicht nahe zu vermuten, in der verderbten zeile habe ursprünglich etwas gestanden, was den begriff jener concurrenz näher definierte, und zwar nach der steigernden seite hin: 'keine concurrenz, wenn sie auch noch so gefährlich aussieht', oder 'keine concurrenz, und wenn ich auch mit den besten wetteifern muss'? Etwas ähnliches hat, wie angedeutet, offenbar schon Simrock herausgefühlt, wenn er (no. 137 der 6. ausgabe) übersetzt: 'So mag ich doch nun wol erleiden, Steht auch dem besten zutritt frei.') Das wäre denn mhd. vermutlich

daz ich ie sî den besten bî,

d. h. ‘ich bin ganz damit zufrieden, mich immer nur den besten bewerbern zuzugesellen: auch von diesen wird ja keiner mir eintrag tun können.' Damit gewinnt auch das ir von z. 16 (ich darf ir werben dâ niht nîden) eine feste beziehung, und der gedanke wie der vorgeschlagene ausdruck hat eine stütze an 86, 2: Frouwe, enlât iuch niht verdriezen

mîner rede, ob si gevüege sî.

86,1 möhte ichs wider iuch geniezen,

so wær ich den besten gerne bî.

Denn auch da sagt ja Walther, dass er nur mit den besten wetteifern wolle, wenn die dame ihm das zum guten anzurechnen bereit sei (über verwante gedanken s. Wilmanns, Leben Walthers s. 183 nebst den zugehörigen anmerkungen).

w

Hart bleibt freilich auch bei dieser auffassung der übergang auf 66, 19 f., denn man wird schwerlich annehmen dürfen, dass die getrogenen und rüemigen den besten gleichzusetzen

1) Etwas ähnliches mag Simrock wol auch mit seinem daz ich ir si zen besten bî gemeint haben: aber diese worte geben das nicht her.

seien, von denen Walther eben gesprochen hat. Die rüemigen speciell sind ja offenbar die eitlen prahler (vgl. namentlich 41, 16. 25), dann aber die getrogenen auch gewiss diejenigen, die sich leerer hoffnung hingegeben haben, ohne die grundlage inneren wertes, der sie zu einer hoffnung berechtigt (zum ausdruck vgl. mich entriege ein wân 120, 37, auch 116, 7; auch an Hartmanns kreuzlied MF. 218, 21 f. mag man mutatis mutandis erinnern): beide aber hätte Walther, der so oft den gegensatz zwischen dem edlen und unedlen werber betont, gewiss nicht den besten zugerechnet, deren mitwerben er sich siegesgewiss gefallen lassen will. Innerhalb unserer strophe finden also die beiden schlusszeilen wol keine ausreichende erklärung. Aber die ganze strophe steht ja so wie so ohne äussern anschluss da (das hat Scherer a. a. o. ganz richtig betont, und auch Wilmanns hat die strophe danach in der textausgabe von 1905 wider von den beiden vorhergehenden abgetrennt), und ihr inhalt ist wol auch nicht so geschlossen und abgerundet, dass man sie sich gerne von vornherein so isoliert entstanden dächte, wie sie in der überlieferung dasteht. Ich möchte also vermuten, dass ihr ursprünglich noch mindestens eine andere strophe vorausgegangen sei, auf deren inhalt Walther mit den schlusszeilen 66, 19 f. zurückgegriffen habe. Was im einzelnen darin gestanden haben möge, lässt sich natürlich nicht sagen, aber man möchte fast meinen, eine energische absage an alle unedlen werber, aus dem munde der dame (eventuell durch den mund Walthers) sei doch dabei gewesen. Waren dadurch die unedlen von weiterem werben ausgeschlossen, so konnte Walther recht wol fortfahren, dass er auch den mitbewerb der besten nicht fürchte: denn niemand werde seine dame wankend machen können: 'das <aber> freut mich, dass jene betrogenen [die sich eitler hoffnung hingegeben haben] nun erfahren, was sie getäuscht hat [nämlich ihr eigner unwert], und [formell parataktisch anknüpfend, dem sinne nach aber begründend, 'denn'] schon lange hat mich's verdrossen (mirst... alze lanc), dass prahler zu ihr zutritt fanden'.1)

=

1) Die übersetzung der letzten zeile ist natürlich ungenau, aber sie muss es sein, weil sich bei Walther offenbar zwei gedanken gekreuzt haben, nämlich 'mich hat verdrossen, dass prahler zu ihr zutritt gefunden haben' und 'mich verdriesst's, wenn ein prahler je (iemer, auf die zu

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