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beschäftigte, gemeint sei. cf. über diesen Markulphus l'hist. lit. d. la france tom. III, p. 565 ff. Dom Brial teilt nämlich l'hist. lit. XV, 10 mit, in der bibliothek du roi sei ein manuscript befindlich (3718) unter dem titel: Incipiunt versus magistri Serlonis de diversis modis versificandi utiles etc. Das verzeichnete stück hiervon sei gerichtet an einen gewissen Robert, und der bearbeiter sagt darüber: La quatorzième pièce est adressée à un nommé Robert, à qui l'auteur fait l'honneur d'un travail sur les formules de Marculfe et de commentaires sur les livres de Salomon, mais qu'il persifle et tourne en ridicule, pour s'être avisé de faire des vers avec le style de Marculfe. Voici ce qu'il en dit:

Dum speculor versum, dum carmen tam bene versum,
illic perversum nihil invenio nisi versum.

fas testor juris ac caetera numina ruris
spem de futuris praesentant illa lituris,
quod versu quaeris, versu placuisse mereris.

Sic Maro semper eris, si nunquam versificeris.

Aber aus diesen worten schliessen zu wollen, dass der abt Robert einen commentar über die juristischen formeln des Marculphus verfasst habe, möchte schon dadurch, dass die bücher Salomonis dicht daneben genannt werden, unwahrscheinlich sein. Dem verfasser werden auch sonst geistliche werke zugeschrieben, so z. b. l'histoire lit. VIII, 352 ff. ein commentar über das evangelium Johannis. Wie sollte nun ein geistlicher, welcher auch sonst als verfasser geistlicher werke bekannt ist, dazu kommen, ein werk über den formelschreiber Markulphus zu schreiben? Das ist doch schon an und für sich sehr unwahrscheinlich. Nun aber gerade über jenen Markulphus! Angenommen, dieser war zu seiner zeit unter den Merowingern ein gelehrter und angesehener mann, so waren doch seine formeln über 600 jahre später nicht von solchem werte, dass ein anderer gelehrter sie zu commentieren brauchte. Waren sie doch, wie l'hist. lit. selbst berichtet, lange zeit vergessen und wurden erst im XVII. jahrhundert wider an das licht gezogen. Wahrscheinlich rührt die falsche erklärung daher, weil sowol Markulphus seine formeln in dem bekannten schlechten latein seiner zeit schrieb, als auch der bischof Serlon sich über den holprigen stil in den versen des abtes Ro

bert lustig macht. Unter solchen umständen muss der schluss gerechtfertigt erscheinen, dass Robert nicht ein werk über die formeln des Markulphus, sondern über einen dialog Salomo und Marculf einen commentar verfasste. Ist aber dieser schluss berechtigt, so ist die weitere folgerung ganz natürlich, dass in diesen dialogen nicht derselbe ton, wie in den lateinischdeutschen recensionen geherscht hat. Denn schwerlich würde wol ein geistlicher, der auch sonst werke über die heiligen schriften verfasste, sich die mühe genommen haben, über jene unanständigen sprüche einen commentar zu schreiben.

Was also die französischen zeugnisse betrifft, so ist keins dagegen, mehrere aber sind entschieden dafür, dass die Salomon-Markulfdialoge ursprünglich ernst gehalten waren, wonach also die behauptung, die im eingange aufgestellt wurde, die entwicklung des humors falle dem deutschen zu, vollkommen gerechtfertigt ist.

Ein noch übriges uns nach Frankreich führendes zeugnis, das ich gleich hier anfügen will, möchte ich lieber auf die erzählungen, welche sich an den namen Markulf angeschlossen haben, als auf die dialoge selbst beziehen. Der biograph Arnolds von Guines (c. 1220) erzählt nämlich von diesem, er habe sich von einem alten veteranen vortragen lassen von den römischen kaisern, von Karlmann, von Roland, Oliver, Artur von Britannien etc., auch habe er sich ergötzt mit den erzählungen de Anglorum gestis et fabulis de Gormando et Isembardo, de Tristano et Hisolda, de Merlino et de Merchulfo et de Ardensium gestis (cf. Lamberti, hist. com. Ardens. et Guisnens. bd. I, c. 96).

Es würde sich in der reihenfolge der zeugnisse der schon oben citierte spruch Freidanks anschliessen. Aus dem worte 'verkêrte' kann man mit sicherheit annehmen, dass Morolf die sprüche des weisen königs parodierte, dass er dessen weisheit seine eigene entgegen setzte und jene dadurch in das gegenteil zu verwandeln suchte, kurz dass der umschwung zum humoristischen vollständig eingetreten ist. Hatte sich dieser schon zu Freidanks zeiten vollzogen, so werden wir nicht sehr fehlgehen, wenn wir die entwicklung des ernsten zum heitern dem zwölften jahrhundert zuweisen.

Ehe wir das noch übrige zeugnis des Wilhelm von Tyrus

betrachten, wird es nötig zu untersuchen, unter welchen einflüssen jener umschwung vor sich gegangen ist. Um so lieber aber spare ich jenes zeugnis noch auf, weil es, wie ich glaube, zu völlig schiefen auffassungen in dieser hinsicht die veranlassung gewesen ist.

Sehen wir uns unter andern stoffen um, SO ist es vor allem die Aesoptradition, deren ähnlichkeit mit unserer ausgebildeten Markulfsage sofort in die augen fällt. O. Keller bringt für diesen längst erkannten umstand in seinem übrigens trefflichen buche untersuchungen über die geschichte der griechischen fabel, IV. supplementband d. jahrbücher f. klass. philol. (doch auch separat erschienen, Leipzig 1862) einige beweise bei. Es wird z. b. Fischart, geschichtklitterung, ein und verritt bltt 5. 6, vorrede zum ersten teile des grillenvertreibers bltt 5 von dem 'Markolfischen Esopo' gesprochen, einmal mit ausdrücklicher beziehung auf eine im ersten teil der Aesopischen biographie erzählte begebenheit. Dann wird der italienische Bertoldo, welcher nichts anderes ist, als unser Markulf, ein zweiter Aesop genannt, die übersetzung dieses buches von 1751 führt sogar geradezu den titel: 'der italienische Aesopus oder Bertholds satirische geschichte.' Aber trotzdem halte ich es für falsch, so weit wie Keller zu gehen und auf eine ursprüngliche ähnlichkeit der Aesop und Markulftradition zu schliessen. Die eben angeführten stellen sind alle aus zu später zeit, als dass sie für eine solche behauptung irgend welche beweiskraft haben könnten. Die Markulfdialoge haben vielmehr nach dem oben angeführten sicher von haus aus einen ernsten charakter gehabt, was sich von der Aesopsage nicht behaupten lässt. Von gegenseitiger einwirkung kann wol keine rede sein, vielmehr hat nur die letztere ihren, wie wir gleich sehen werden, allerdings bedeutenden einfluss auf unsere dialoge geübt.

Zugeben kann man allenfalls, dass die Markulfdialoge vielleicht auch schon vor der verbindung mit der Aesopsage viel von ihrem ursprünglichen charakter verloren hatten. Denn jn den proverbien Salom., welche doch wol ohne zweifel in den dialogen vertreten waren, ist oft die rede vom narren, ja das ganze XXVI. capitel handelt ausdrücklich vom narren und der närrischen weisheit. So ist denn ein solcher allmäh

liger übergang recht wol denkbar, durch welchen dann das spätere zusammenfliessen der beiden sagen bedeutend erleichtert wurde. Allein nicht nur die sprüche änderten jetzt ihren charakter, sondern es bildeten sich von seiten des antagonisten Salomos seinen sprüchen entsprechende taten, kurz um die sprüche schlang sich die rahmenerzählung, deren eingang eine förmliche aufforderung zum redekampfe bildete. Davon abgesehen besteht diese rahmenerzählung aus allerlei humoristischen streichen des narren, durch welche dieser seinen herren zu überzeugen sucht, dass er trotz seiner weisheit eigentlich nichts wisse, rätsel werden aufgegeben, welche der witzige diener stets zum nachteil seines herrn löst, so dass sich dieser schliesslich überwunden geben muss.

Die vita Aesopi*) hat man wol früher dem Maximus Pla

*) Der inhalt der biographie des Aesop ist in kurzem folgender: Aesop als sclave geboren war von natur sehr misgestaltet, ja sogar die fähigkeit articulierter rede war ihm versagt, bis ihm Tyche auf das gebet einiger priester, denen er den rechten weg gewiesen, die zunge löste. Sein herr, welcher mit ihm unzufrieden war, verkaufte ihn an einen sclavenhändler, welcher ihn auf dem markt zu Ephesus feil bot. Hier kaufte ihn der philosoph Xanthos. Durch seine ungewöhnliche begabung und durch seinen stets schlagfertigen witz bringt er seinen gelehrten neuen herrn mehr als einmal in tüchtige verlegenheit. Eine ganze reihe rätsel und sprüche, sowie komischer schwänke wird von ihm erzählt und gewöhnlich bildet der grosse philosoph oder dessen frau die zielscheibe seiner komik. Schliesslich bewegt er seinen herrn, ihm die freiheit zu versprechen, allein dieser sucht durch allerlei ausflüchte ihn hinzuhalten, bis endlich die Samier, welche sich Aesop durch deutung eines vogelzeichens auf einen bevorstehenden angriff des Crösus verpflichtet hatte, den Xanthos dazu zwingen, sein versprechen zu halten. Da in den friedensbedingungen die auslieferung des Aesop festgesetzt war, so kam dieser der ausführung zuvor und begab sich freiwillig zu Crösus, der ihm grossmüthig verzieh. Er dichtete hier seine fabeln und begab sich dann nach Samos zurück.

Von jetzt an beginnt er ein abenteuerndes leben: er geht zuerst an den babylonischen hof, wo er dem könig, dem von andern königen rätselfragen gestellt waren, durch lösung derselben bedeutende summen erwirbt. Allein bald verleumdet, entgeht er nur durch die treue seines freundes Hermippus dem tode. Doch die ungnade des königs dauert nicht lange; namentlich weil er eine vom aegyptischen könig Nectanebo gestellte rätselfrage löst, wird er von seinem herrn auf die ehrenvollste weise ausgezeichnet. Jetzt auf der höchsten stufe seines glückes fasst

nudes zugeschrieben, allein schon durch sprachliche differenzen ist es festgestellt, dass sie diesem nicht angehören kann, und seitdem Roth in den Heidelberger jahrbüchern 1860 no. 4 das auffinden von handschriften aus dem X. jahrh. bekannt gemacht hat, wird es keinem mehr einfallen, sie dem Maximus Planudes, welcher im XIV. jahrh. lebte, zuzuweisen. Die biographie zerfällt schon äusserlich betrachtet in zwei teile, in deren erstem Aesop als ein mensch von ungewöhnlichem verstande erscheint, der sich aber nicht über die schranken menschlicher natur erhebt, im zweiten aber erscheint er als ein zauberer, der weit über die gewöhnliche menschliche sphäre hinausgreift. Der erste teil ist, wie O. Keller a. a. o. p. 364 annimmt, meist aus antiken griechischen volkssagen zusammengeflossen, der zweite steht unter ägyptischem einflusse und ist abhängig von Kallisthenes. Ebenso zerfällt schon ganz oberflächlich betrachtet die rahmenerzählung von Morolf in zwei teile, im ersten erscheint Morolf nur als durch seine klugheit und durch seinen witz hervorragend, und hierdurch überwindet er den weisesten der könige, während er sich im zweiten uns als zauberer darstellt. Beide, die vita Aesopi und die Morolfsage schliessen dieselbe idee ein, der ungebildete sclave und der bauer von gemeiner herkunft besiegen durch ihre reden, durch allerlei schwänke und streiche den grossen philosophen und den weisen könig. Auch der im eingang des Morolf (vergl. vers 160 ff.) sich findende zug des gegenseitigen rätselaufgebens lässt sich in der vita Aesopi nachweisen: v ἐκείνοις γὰρ τοῖς καιροῖς οἱ βασιλεῖς εἰρηνεύοντες πρὸς ἀλλή λους καὶ τερπόμενοι προβλήματα φιλοσοφικὰ διὰ γραμμάτων ἔστελλον πρὸς ἀλλήλους, καὶ οἱ μὴ διαλυσάμενοι φόρους παρεipov tots ñootideμévois (vita Aesopi ed. Westermann p. 44).

Doch nicht bloss die analogie in der bildung des grossen und ganzen ist zu beachten, sogar übereinstimmung in einzelheiten lässt sich nachweisen. Gleich im eingange des Morolf wird uns dieser als von abschreckender hässlichkeit geschildert, dasselbe findet sich in der beschreibung des Aesop, selbst die schwarze hautfarbe des letztern (daher Aloшлоs Αιθίοψ)

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er den verhängnisvollen entschluss nach Hellas zu reisen und hier findet er durch die bosheit der Delpher seinen unverschuldeten tod.

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