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UNTERSUCHUNGEN
ÜBER DAS DEUTSCHE SPRUCHGEDICHT
SALOMO UND MOROLF.

I. Ueberlieferung des deutschen gedichtes und verhältnis zu den lateinischen recensionen.

Zwei spruchgedichte Salomo und Morolf sind zu unter

scheiden, ein älteres und ein jüngeres. Letzteres ist von Gregor Haydn verfasst und dem pfalzgrafen von Leuchtenberg c. mitte des XV. jahrhunderts gewidmet. Es ist nach eigener angabe nach einem lateinischen originale gearbeitet: 'lateinisch ich die history han - funden und in teutsch gerichtet.' Die handschrift befindet sich zu München, pap., 28 bl., fol., ende des XV. jahrhunderts. Nur einzelne stellen sind bis jetzt daraus gedruckt durch Docen in Hagens museum II, 270-76, einiges auch in der einleitung zur ausgabe des andern spruchgedichtes, die von der Hagen besorgt hat. Es scheint sich, nach diesen wenigen proben zu urteilen, an die uns erhaltenen lateinischen drucke anzulehnen. cf. Hagen, grundr. 348.

Das andere weit älter anzusetzende gedicht ist herausgegeben von v. d. Hagen u. Büsching im I. band der Deutschen gedichte des mittelalters p. 44 ff. nach einer handschrift, welche sich einst in Eschenburgs besitz befand und das epos Salman und Morolt mit enthielt; sie ist jetzt verschollen.

Eine zweite handschrift ist in Darmstadt in der .hofbibliothek, papier, XV. jahrh., rep. 14, fol. 92-106, 2 columnen auf der seite. cf. Walther, neue beiträge zur gesch. der Darm

Beiträge zur geschichte der deutschen sprache. II.

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städter bibliothek p. 132. Eine dritte handschrift befindet sich auf der Heidelberger bibliothek, cod. germ. 154 fol. 125, papier, XV. jahrh., mit den worten beginnend: 'Dyss ist Salomon und Morolffen sprüche, die sie myt eynander hatten mit mangen cluogen worten, 2 columnen auf der seite, initialen. rot, cf. Wilken, heidelb. Büchersammlungen p. 364. Hagen, grundr. p. 348. Näheres über das verhältnis der handschriften weiter unten.

Dieses ältere spruchgedicht, mit dem wir uns im folgenden zu beschäftigen haben, ist nach den anfangsworten: 'Ich sass in der czellen min und fant ein buch das was latin' ebenfalls nach einem lateinischen originale von einem mönch gearbeitet. Lateinische bearbeitungen haben wir eine ganze reihe, handschriften und drucke. Von den mir zugänglichen habe ich folgende eingesehen:

I. Handschriften:

1) Münchener codex, auf der Königl. staatsbibliothek, 8o, papier, XV. jahrhundert, sign. cod. 5015 (Bened. B. 515) fol. 1-4: conflictus verborum inter regem Salomonem et rusticum Markolfum. cf. Halm und Laubmann catal. codic. Latin. I, pars II. p. 220.

2) cod. 5167 der Kaiserlichen bibliothek zu Wien, fol. 260a-270, papier, XV. jahrh. cf. tab. codic. manuscr. Vindob. bd. IV, p. 47.

3) cod. 3092, ebenda, fol. 151-157, papier, XV. jahrh., cf. tab. bd. II, p. 194.

4) cod. 3342, ebenda, fol. 35a—36o, papier, XV. jahrhundert, cf. tab. II, p. 263.

5) cod. 3337, ebenda, fol. 229-334b, papier, XV. jahrh., cf. tab. II, p. 262.

II. Alte drucke:

1) Münchener, Königliche bibliothek, sign. Inc. s. a. 1611, ohne titel, 9 bll., schluss: finit dialogus inter Salomonem regem.

2) Dresdener, Königl. bibliothek, sign. Lit. Lat. recent. B. 273, ohne ort und jahr, titel: Incipiunt collatiões, qs dicütur fecisse mutuo rex Salomo sapiētissimus et Marculph' facie deformis et turpissimus, tamē, ut fertur, eloquētissimus feliciter 11 bll., initialen rot.

3) Göttinger, sign. fab. Rom. 1315, titel wie bei 2, schluss: post hoc domum remeans quievit in pace, M. R. ohne ort und jahr.

4) Haller, universitätsbibliothek, in einem sammelband, sign. Po, 9 bll., titel: collatiões, qs dicunt' fecisse mutuo rex Salomo sapientissim' et Marculph', facie deformis ac turpissimus, sed tamen, ut fertur, eloquentissimus, schluss: finit dialogus ut fertur inter Salomonem regem et Marculphum rusticum, impressus Dauetrie, anno dom. MCCCCXCVI. 5) Darmstädter, titel: Dyalogus Salomonis et Marcolfi, in Eichstädt gedruckt, schluss wie bei 3, ohne jahr. cf. Walther, beiträge, p. 24.

6) Druck in Andreae Gartneri Mariaemontani dicteria proverbialia, Frankfurt 1591, titel: Marculphus, disputationes, quas dicuntur habuisse inter se mutuo rex Salomo sapientissimus et Marculphus facie deformis et turpissimus, tamen ut fertur eloquentissimus latinitate donatae et nunc primum animi et falsi leporis gratia editae, 18 bll.

Drucke gibt es ausserdem, wie man sich leicht aus Brunet, Ebert etc. überzeugen kann, noch eine ganze reihe, welche aber alle mit den angeführten, der gleichheit der titel nach zu schliessen, übereinstimmen. Denn abgesehen von unbedeutenden abweichungen, dass z. b. in den einen steht Marculphus a parte orientis, in den andern Marculphus, qui a parte orientis venerat, stimmen die von mir angeführten genau überein. Es repräsentieren also die drucke einen strang der sage, der aber unserm deutschen gedicht nicht als quelle gedient hat.

Anders steht es mit den von mir eingesehenen handschrif

Den kürzesten text gewährt die Münchener handschrift, sie scheint nur ein auszug zu sein, wie man nach den schlussworten 'Et haec sufficiant de altricatione Salomonis et Marculphi' anzunehmen berechtigt ist. Ferner besitzt sie keine rahmenerzählung, und es hat wol auch der verfasser dieser recension keine solche gekannt, denn er sagt: 'his et aliis dictis rex Salomon dixit: Non possum amplius etc. Da aber auch die langen gelehrten etymologien in dieser recension fehlen, die besonders in den späten prosarecensionen des XVI.

jahrhunderts auffallen, so möchte ich diese recension für die älteste ansehen.

Dieser Münchener bearbeitung stehen gegenüber die vier Wiener, von denen die unter 4 angeführte nur ein ganz kurzer auszug ist. Den umfangreichsten text gewährt cod. 3092, der sich den angeführten drucken am meisten nähert.

Aber auch von diesen recensionen hat keine unserm spruchgedicht direct als quelle gedient. Das geht daraus hervor, dass das deutsche partien hat, die dem lateinischen abgehen, während anderseits das lateinische manches besitzt, das dem deutschen fehlt. Auf letzteres würde freilich kein zu grosses gewicht zu legen sein, denn der deutsche verfasser sagt ausdrücklich vers 1850 ff.:

Noch hat Morolff me gedrieben

das ich nit han geschrieben
dorch der wort unhubschheit

der doch gnung hieinne steit etc.

Betrachten wir die rahmenerzählung, welche sich um die deutsche und die lateinischen recensionen geschlungen hat, so fällt sehr auf, dass der auch sonst öfter in der litteratur widerkehrende schwank, in welchem Markulf erzählt, woher ihm seine 'versutia' komme, sich in allen lateinischen recensionen findet, dem deutschen dagegen vollständig fehlt. Kaum hätte sich der deutsche bearbeiter die erzählung, dass Salomo das herz eines geiers in seiner jugend gegessen habe, Morolf aber die rinde, auf der es gebraten, daher sei Salomo so weise, Morolf aber so verschmitzt geworden, entgehen lassen. Meiner ansicht nach ist das ein sehr characteristischer unterschied zwischen den lateinischen und deutschen bearbeitungen.

Ausserdem ist der inhalt der lateinischen rahmenerzählung in der deutschen ziemlich genau widergegeben. Der gang der ersteren ist folgender: Salomo kommt mit seinem gefolge vor Markulfs haus und findet ihn am feuer sitzen und bohnen kochen. Nachdem Markulf dem könig mehrere rätsel aufgegeben und ihm den eben erwähnten schwank, worin er den ursprung seiner versutia erklärt, erzählt hat, reitet Salomo wider weg, nachdem er dem narren noch zuvor befohlen, ihm andern tages einen topf mit milch zu bringen, bedeckt mit einem fladen, der von der kuh komme. Markulf macht sich

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