wirklich mit bestimmtheit auf die liebe zu einem mädchen niederen standes bezieht. Wollten wir uns auch für das tanzlied der ansicht von Wilmanns anschliessen, so wären es immer nur zwei. Die übrigen aber sind von Wilmanns nur seiner willkürlichen hypothese zu liebe hierher gezogen ohne und gegen alle inneren wahrscheinlichkeitsgründe1), aus denen eben die unrichtigkeit der hypothese sich klar ergiebt. Andererseits hat Wilmanns in seiner ausgabe noch eine anzahl von liedern (nr. 3-8) auf die niedere minne bezogen, die gröstenteils zwischen denjenigen überliefert sind, die er der Östreichischen höheren minne zuweist, unter welche er sie auch in der zeitschrift einreiht. Damit aber hat er selbst sein princip durchbrochen und man sieht nicht ein, warum dasselbe in anderen punkte aufrecht erhalten wird. Was die scheidung zwischen dem östreichischen und thüringischen minnedienste betrifft, so ist zunächst zu bemerken, dass sich in den liedern keine andeutung über einen wechsel des verhältnisses findet in der art, wie der übergang von der niederen zur höheren minne gekennzeichnet wird. Ich behaupte nicht, dass sich alle lieder auf ein und dasselbe verhältnis beziehen müssen. Aber wer es behauptet, hat dazu gerade so viel recht als der, welcher zwei verhältnisse annimmt, und eben so viel hat der, der drei oder mehr vermutet. Und warum soll Walther immer nur in der nähe seiner dame gesungen und mit dem wechsel des aufenthaltsortes seine werbung aufgegeben haben? Vollends dass seine minnedichtung sich auf seine erste östreichische zeit und den aufenthalt in Thüringen beschränkt haben soll, ist eine sehr unwahrscheinliche annahme. Dem widerspricht das ausdrückliche zeugnis des dichters selbst 66, 27. Denn wenn er sagt: wol vierzec jâr hab ich gesungen oder mê von minnen, so heisst das doch wol nicht bloss, dass er über 40 jahre lang minnelieder vorgetragen, sondern dass er so lange solche gedichtet hat. Selbst wenn Wilmanns in der bestimmung der entstehungszeit dieses liedes (um 1217) recht haben sollte 1), so würden wir immer 1) Sinnlich kräftige und bildliche ausdrücke, wie sie Wilmanns für das alter der lieder geltend macht, hat Walther in jeder periode seines lebens. 2) Aber gewis hat er es nicht. Wir müsten sonst annehmen, dass noch weit über den thüringer aufenthalt hinausgeführt. Ueberhaupt wird der minnesang Walthers nicht bloss gelegenheitsdichtung gewesen sein, sondern lebensberuf, mittel zur erlangung von ruhm und unterhalt, und daher nicht auf einige perioden seines lebens beschränkt. = b Für die entstehung der gruppe C 43-125 in Thüringen macht Wilmanns geltend, dass die darunter befindlichen sprüche dahin gehörten. Sehen wir aber unbefangen zu, so ist nur ein einziger, 122 (104, 7), von dem die abfassung in Thüringen feststeht. Str. 104 125 (18, 15) gehört schon nach Meissen, 124 (16, 36) fällt vor den thüringer aufenthalt, 123 (104, 23), worin sich der dichter über die ungastlichkeit des Tegernseer klosters beklagt, wahrscheinlich in eine viel spätere zeit. Wenn Wilmanns auch 120 (103, 13), 121 (103, 29) und 125 (18, 1) nach Thüringen setzt, so spricht bei den beiden ersten nichts dafür als die gleichheit des tones mit 122, bei der letzten aber nur seine erst zu erweisende hypothese, die überhaupt auf seine ganze kritik, auf erklärung, bestimmung der chronologie, entscheidung über echtheit und unechtheit einen sehr nachtheiligen einfluss geübt und ihn vielfach irre geleitet hat. Das ergebnis unserer betrachtungen ist also, dass alle versuche, aus der ordnnng in den hss. die chronologische folge in den minneliedern zu bestimmen, sich als verfehlt erwiesen haben. Ich würde es für einen grossen gewinn erachten, wenn es mir einigermassen gelungen wäre, diejenigen, welche solchen versuchen geneigt sind, von der vergeblichkeit aller dieser bemühungen zu überzeugen. Im günstigsten falle sind sie nichts als eine nutzlose spielerei. Aber schlimmer als das, sie dienen dazu, die unbefangene auffassung zu trüben, sie verwirren statt aufzulösen, verdunkeln statt zu erhellen. Die Scherersche liederbüchertheorie ist gewissermassen die umkehrung von der Lachmannschen kritik des epos. Wie sich dort der scharfsinn daran ergötzt, das vorliegende grosse ganze zu zerstückeln, so sucht er hier, wo eine zerlegung nicht mehr möglich ist, seine befriedigung im zusammensetzen. Hier wie dort wird aller feste boden verlassen, werden der schrankenlosen willkür Walther etwa gleichzeitig mit Heinrich von Veldeke und Friedrich von Hausen zu dichten begonnen habe. tür und tor geöffnet; hier wie dort wird kraft und zeit in beklagenswerter weise vergeudet. Es bleibt uns doch wahrlich noch ein weites und fruchtbares feld, auf welchem dieselben eine nützlichere anwendung finden könnten. 9. Reinmar und Heinrich von Rugge. Diese beiden dichter bedürfen einer zusammenfassenden betrachtung, weil eine reihe von liedern in den hss. sowol dem einen, als dem andern zugeschrieben werden. Haupt hat in MF alles, was in einer überlieferung dem Rugge zugeschrieben wird, unter diesen gestellt, ohne sich jedoch überall ganz bestimmt über die verfasserschaft zu entscheiden. Eine sonderung des beiderseitigen eigentums, wodurch noch eine weitere zahl von liedern Reinmar ab- und Rugge zugesprochen wird, ist neuerdings versucht worden von Erich Schmidt, Reinmar von Hagenau und Heinrich von Rugge (Quellen und forschungen von Ten Brink und Scherer V). Ich kann aber den resultaten, zu denen derselbe gelangt, so wenig beistimmen, dass mir eine neue aufnahme der untersuchung geboten erscheint. Unsere erste aufgabe muss die prüfung der überlieferung sein. Umfängliche sammlungen von liedern unter Reinmars namen haben wir in A, B, C, E. Unter diesen führen B und C wie gewöhnlich auf eine gemeinsame quelle zurück. In B sind Reinmars lieder in zwei teile auseinander gerissen, zwischen denen die Heinrichs von Morungen stehen. Die zweite grössere hälfte ist in MF durch b bezeichnet. Folgende tabelle zeigt das verhältnis: 69-120 C 26-77 b ohne die geringste abweichung. Aus dieser vergleichung ergibt sich mit ziemlicher sicherheit die gestalt des beiden hss. zu grunde liegenden liederbuches. 24-30 B sind sicher ein späterer einschub. Ueber die plusstrophen in C kann man zweifelhaft sein, ob sie in B weggelassen oder in C aus anderen quellen nachgetragen sind. Doch spricht gewis die allgemeine wahrscheinlichkeit für das letztere. Die geringe abweichung in der folge von 65. 67 C 24. 23 b ist von keinem belang. Wichtig wäre es, über die trennung von B und b und die damit zusammenhängende abweichung der folge ins klare zu kommen. Schmidt nimmt an (s. 30), dass B und b auf zwei verschiedene quellen zurückgehen; B 31-35, die von anderer hand sind, seien dann später nachgetragen. Ich vermag keine befriedigende erklärung der sonderbaren auseinanderreissung zu geben und will mich nicht in vagen vermutungen ergehen. Aber so viel scheint mir sicher, dass Schmidts annahme falsch ist und dass wir für B und b, abgesehen von 24-30 B und 78-84b nur eine quelle anzunehmen haben, welche dieselbe war wie die von C, und 1) 24-30 B stehen in C unter andern dichtern. dass C die ursprüngliche anordnung bewahrt hat. Wenn wir bedenkeu, dass 31-35 B von einem anderen schreiber herrühren, dass 24-30 B unechte ansätze sind, so schliesst b 1 genau so an B 23 an wie in C. Es würde ein merkwürdiger zufall sein, wenn beide hiss. unabhängig von einander zwei verschiedene liederbücher in gleicher weise vereinigt hätten. Es ist überhaupt nicht wahrscheinlich, dass zwei solche sammlungen Reinmarscher lieder neben einander würden haben bestehen können, ohne dass ihr inhalt sich irgendwie gekreuzt hätte, man müste sie denn auf den dichter selbst zurückführen, was auch Schmidt wenigstens mit b gewis nicht tun wird. Dass B 31-35 nicht irgendwo anders her entlehnt sind, sondern aus derselben quelle geschöpft wie C 55-59, beweisen ausser der anordnung die varianten (vgl. besonders 165, 18 es BC sone A, son E; 165, 26 geschehen BC = gewesen AE; 165, 30 so rehle BC so AE; 165, 32 mit rede niemen wol vol enden kan BC mit rede nieman vollenden kan A, nieman mit rede volenden kan E). Dass aber die ursprüngliche ordnung in C bewahrt und in B gestört ist, geht daraus hervor, dass C 55 B 31 denselben ton hat wie C 49-54. = = Was die anordnung des liederbuches betrifft, so ist ein consequent durchgeführtes princip so wenig als anderwärts zu erkennen, abgesehen davon, dass die strophen desselben tones zusammen stehen. Aber ein ansatz zu weiterer gruppierung scheint vorhanden, indem vielfach ähnliche töne sich an einander reihen. So haben gleichen aufgesang die auf einander folgenden töne 150, 1; 151, 33; 152, 25; ferner 156, 27; 158, 1 (auch der abgesang sehr ähnlich); 159, 1; ferner 171, 33; 172, 23. Nur durch das reimgeschlecht in der zweiten und vierten zeile unterscheidet sich der aufgesang von 165, 10 und 166, 16; ein entsprechender unterschied ist im abgesang, der im übrigen wenig abweicht. Die drei töne 172, 23; 173, 6; 174, 3 schliessen mit dreifachem reim. Ich bin weit entfernt, auf diese beobachtungen, wie sie sich ähnlich auch anderswo machen lassen, grosses gewicht zu legen und würde es für bedenklich halten, daran weitere combinationen zu knüpfen. Aber wir haben es doch wol nicht mit blossem zufall zu tun. Es lag ja auch sehr nahe, wenn man einmal die strophen nach gleichheit der form ordnete, dass man auch gelegentlich Beiträge zur geschichte der deutschen sprache. II. 32 |