richtigkeit derselben ist aber keineswegs über allen zweifel erhaben. Die lieder Reinmars wie die der meisten minnesinger haben in der regel keine durchgeführte gedankenentwickelung. Ein logischer zusammenhang zwischen den einzelnen strophen ist sehr oft kaum oder gar nicht zu bemerken, jede strophe könnte für sich ein ganzes bilden, woher es auch kommt, dass die hss. in der strophenordnung so oft von einander abweichen. Wenn wir überall da, wo der zusammenhang fehlt, teilen wollten, so würden wir noch eine menge einstrophiger lieder bekommen. Aber schwerlich würde dies verfahren richtig sein. Wir müssen vielmehr annehmen, dass auch solche eines inneren zusammenhanges entbehrende strophen doch äusserlich zu einem liede aneinandergereiht waren d. h. zusammen vorgetragen wurden. Ueber den umfang und die grenzen eines solchen liedes in jedem einzelnen falle zu entscheiden, haben wir kein mittel mehr. Es ist sehr wol möglich, dass manches zu trennen ist, was in MF zusammengefasst ist, manches zusammenzufassen, was in MF getrennt ist. Dadurch kann sich das verhältnis von einstrophigkeit und vielstrophigkeit, aus dem auch so nichts zu gunsten der Schmidtschen kritik zu entnehmen war, noch etwas anders herausstellen. Auf mehrere fälle, über die sich mit einiger sicherheit entscheiden lässt, komme ich später zu sprechen. Weiter macht Schmidt stilistische unterschiede zwischen Rugge und Reinmar geltend. Nach ihm liebt Rugge kurze parataktische sätze mit sparsamer anwendung von partikeln, dagegen Reinmar langgestreckte perioden, besonders conditionalsätze. Sehen wir, ob sich nach diesem kriterium die von ihm vorgenommene scheidung des eigentums beider dichter rechtfertigen lässt. Seine charakteristik des Ruggeschen stiles passt hauptsächlich auf den leich, dagegen nicht auf die ihm sicher zuzuweisenden lieder, besonders nicht auf 101, 15. 102, 27. 106, 24. 110, 26. Sie passt auch nicht auf die übrigen unter Rugge stehenden lieder. Von den aus Reinmar ausgeschiedenen zeichnen sich durch einfache satzfügung aus 182, 14. 183, 33 und allenfalls noch 184, 31. 190, 27, die übrigen gar nicht. Es ist also auch mit diesem unterscheidungsmittel nicht durchzukommen. Auch die beobachtung der ungenauigkeiten des reimes ergibt keine bestätigung für Schmidts scheidung, macht dieselbe im gegenteil bedenklich. Er sieht in dem reime lip gît 182, 18. 19 einen beweis, dass das lied 182, 14 nicht von Reinmar ist. Schon Haupt hat bemerkt, dass 103, 3 ff. nicht von Reinmar sein könne wegen des reimes wip: lit 103, 20. 22. Dass solche reime bedenken erregen bei sonstiger reimgenauigkeit ist nicht zu leugnen. Aber niemand wird behaupten, dass nicht ein dichter sich gerade nur zwei ungenaue reime gestattet haben könnte. Steht doch z. b. bei Walther der reim endelôs: trôst 72, 21. 24 ganz vereinzelt. Es müssen jedenfalls erst andere verdachtsgründe hinzutreten. Hier kommt noch in betracht, dass Reinmars jugend in eine zeit fällt, wo man an ungenauen reimen noch keinen anstoss nahm, dass ferner gerade zwei ganz analoge reime in zwei liedern nachgewiesen sind, die, allerdings nur in C, Reinmar beigelegt werden. Ich kann daher diese reime nicht als zureichenden grund gegen Reinmar gelten lassen. Noch weniger kann aus den in den streitigen liedern vorkommenden reimungenauigkeiten die verfasserschaft Rugges wahrscheinlich gemacht werden. Ausser den beiden eben bemerkten finden sich naht: gedâht 109, 19; hân kan 103, 31; kan: stân 103, 36, die nicht damit auf eine stufe gestellt werden können, und von denen die beiden letzten bei Reinmar in lân: an 189, 9 ihre analogie haben 1); ferner man: nam kan 160, 3 ff. wie bei Reinmar man kan bekam 191, 16 ff. Ausserdem haben wir nichtbeachtung des auslautenden n anzunehmen 191, 3 dol: wol, wo Haupt eine seltsame änderung vornimmt. Ebenso wol in einem von Schmidt Reinmar abgesprochenen liede 194, 10, wo zu lesen sein wird des fürhte ich vil unsælic man grôzen schaden gewinnen (gewinne CMF minne). So nun auch in einem unbezweifelt Reinmarschen liede. 189, 8 ist nach allen hss. (ACe) zu schreiben daz ich ruomde mich alsô fremeder dinge (: singen; Haupt: von also fremeden dingen). Damit ist das princip der reimgenauigkeit bei Reinmar schon durchbrochen, wenn man nicht völligen abfall des n und übergang des auslautenden m in n 1) Reinmar hat auch hâr: gar 160, 39, weshalb der zweifel, den Schmidt (s. 66) wegen lân : kan noch an der echtheit des liedes 189, 18 ff. hat, unberechtigt ist. annehmen will. In den sicher Ruggeschen liedern finden sich die unreinen reime 106, 35 sinne minne: gedinge, 107, 17 verzagen tragen haben: klagen: sagen, 110, 35 wîbe: libe: vertrîben: belibe. Ausserdem ist wol sicher 101, 27 zu lesen von stunde ze stunde (: gebunden). Möglich, dass in den nur in C überlieferten strophen noch der eine oder andere ungenaue reim entfernt ist. Der leich ist nach Schmidt ganz genau gereimt. Doch 99, 17 ist bin aus wil (: hin) geändert. Jedenfalls ist eine grössere sorgfalt in demselben nicht zu verkennen. Sehen wir nun von dem reime eines kurzen auf langes a, eines auslautenden m auf n und der nichtbeachtung des infinitivs-n ab, so ergibt sich folgendes verhältnis der ungenauen reime: Reinmar 0, Rugge (ohne den leich) 2, Reinmar - Rugge 1, die aus Reinmar ausgeschiedenen strophen 1. Das verhältnis ist für Rugge bei dem geringen umfange viel ungünstiger als für die streitigen strophen. Hält man es für unwahrscheinlich, dass ein dichter, der in grossen partieen immer genau reimt, doch zweimal einen ungenauen reim sich zu schulden kommen lässt, so kann man es eben so gut für unwahrscheinlich erklären, dass ein dichter, der in 160 zeilen zwei ungenaue reime hat, in 581 zeilen auch nicht mehr als zwei zeigt. Noch grösser würde der abstand, wollte man auf beiden seiten von den nur in C überlieferten strophen, die keine sicherheit gewähren, absehen. Der behauptung, dass die reingereimten lieder in Rugges spätere zeit gehören, kann man die andere entgegensetzen, dass die ungenau gereimten in Reinmars früheste jugend fallen. Es ist demnach sehr mislich, irgend einen bestimmten schluss aus den reimen zu ziehen. Noch ein anderer reim ist benutzt, um Reinmar ein lied abzusprechen, nicht wegen der unreinheit, sondern wegen der dialectischen form, die er voraussetzt: geschên: ergên 183, 13. Allerdings ist die form geschên hauptsächlich mitteldeutsch, aber doch dem oberdeutschen nicht ganz fremd. Neidhard reimt jên : zên (digitis) 18, 25. 27 und 76, 20. 21, versên : widervên (adversarii) 54, 16. 19, wo Haupt gewis unrichtig zehen, widervehen mit kurzem vocal ansetzt. Die reime in MSH I, 289 b begên-versên-stê-beschê sind allerdings von Wackernagel Ulr. v. Singenb. 228, 8 ff. mit recht nach den übrigen strophen desselben tones in begê-versehen-stê-beschehen geändert. Aber wenn sie auch nicht von Ulrich herrühren, so doch von einem oberdeutschen schreiber. Man vgl. ferner sên: Jerusalêm Walth. V. Rheinau 246, 4. Ausser reim findet sich diese und ähnliche formen nicht ganz selten in bairischen und allemannischen hss. schon seit Notker. Sollte man aber demungeachtet die form bei Reinmar für unmöglich halten, warum sollte sie wol für Rugge eher möglich sein? Wenn die form irgend etwas beweisen soll, so kann sie es nur unter der voraussetzung, dass man einen mitteldeutschen verfasser für das betreffende lied anzunehmen für nötig hält. Sie kann also keinesfalls zur stütze von Schmidts hypothese über die einschiebung Ruggescher lieder in die Reinmars dienen. Wichtig für die kritik ist die betrachtung der metrischen form. Allerdings führt auch diese nicht zu entscheidenden resultaten für alle einzelheiten. Wir haben gesehen, dass alle töne, welche die überlieferung nur Rugge zuschreibt, romanische schule verraten, und ebenso der erste der beiden töne, bei denen sich das zeugnis von A mit dem von BC für Rugge gegen das von C2 für Reinmar vereinigt (MF 106, 24), wogegen der zweite (107, 27) ganz einfach nach deutscher weise gebildet ist (achtzeilige strophe aus vierhebigen versen mit einem fünfhebigen abgeschlossen). Häufung gleicher reime, wie sie die töne 102, 27. 106, 24. 110, 26 zeigen, findet sich auch reichlich im leiche. Nachahmung romanischer formen muss daher als eine wesentliche eigentümlichkeit der Ruggeschen metrik gelten. Dagegen zeigen die strophenformen Reinmars, soweit sie von Schmidt als echt anerkannt sind, nur sehr wenig romanischen einfluss, sie sind vielmehr weiterentwickelungen derjenigen formen, die für uns durch Dietmar von Aist vertreten sind. Insbesondere sind bei ihm die volkstümlichen langzeilen am schlusse der strophen beliebt. Diesen gegensatz zwischen Reinmar und Rugge dürfen wir allerdings nicht zu einem absoluten kriterium für die scheidung ihres beiderseitigen eigentums machen. Es ist sehr wol möglich, dass ein dichter, der mit seiner metrik im allgemeinen auf dem boden des romanischen steht, doch daneben formen verwendet, die wenig oder gar nichts romanisches haben, und umgekehrt, dass ein anderer wider seine sonstige gewohnheit einige töne nach romanischer weise bildet. Ersteres ist z. b. der fall bei Heinrich von Veldeke, Albrecht von Johansdorf, Heinrich von Morungen, Hiltbolt von Schwangau, das letztere bei Hartmann von Aue. Unter seinen tönen ist nur einer, 205, 1, der aus zehnsilblern besteht und häufung des gleichen reimes zeigt. Ebenso hat er gerade einen daktylischen ton 215, 14; Walther von der Vogelweide drei, 39, 1. 85, 25. 110, 13. Jedenfalls aber dürfen wir verlangen, dass, was in den sicher echten liedern eines dichters bei weitem überwiegt, auch in denjenigen überwiege, die ihm auf unsichere gründe hin zugeschrieben werden. Wo dies nicht der fall ist, entsteht verdacht gegen die richtigkeit des verfahrens. Sehen wir uns darauf hin die streitigen strophen an. Die töne, bei denen sich die zeugnisse von (B) C1 und C2 für Rugge und Reinmar gegenüber stehen, zeigen, ausser dem von uns schon Rugge zugeteilten 106, 24, keine spur von romanischem einflusse, dagegen grosse verwantschaft mit Reinmarschen formen. Str. 99, 29 ff.1) zeigt die auffallendste ähnlichkeit mit 103, 35* und 187, 31. Alle drei besteben aus lauter vierhebigen männlichen versen. Die reimstellung ist für 103, 35*: ab ab ee fxf, für 99, 29*: abc abc ee fxf, für 187, 31: abcd abcd ee fxf. Also der abgesang ist gleich, der aufgesang in der zweiten weiter als in der ersten, in der dritten weiter als in der zweiten entwickelt. Das schlussglied fxf schliesst ebenso die strophen 163, 23. 178, 1. 184, 31*, 191, 34, in letzteren beiden den ganzen abgesang bildend. Str. 103, 3 ist = Dietmar 35, 16 und Veldeke 67, 9: vierhebige verse mit der stellung ab ab cd cd. Der aufgesang ist bei Reinmar ungemein beliebt. Er findet sich 150, 1. 151, 1. 33. 152, 25. 178, 1. 181, 13*. 183, 33*. 185, 27*: 191, 34*. 201, 12. *203, 10; ebenso 103, 35*. 107, 27*. Es ist allerdings die einfachste und nächstliegende form, die sich auch anderswo häufig genug findet. Der aufgesang von 109, 9 (4 a 5b 4a 5b) findet sich wider 162, 7. 171, 32. 177, 10. 195, 10. *195, 37. Mit drei gleichen reimen wie hier schliessen die strophen 172, 23. 173, 6. 174, 3. 183, 33*. 201, 12. Zu beachten ist noch, dass der ab 1) Mit x bezeichne ich im folgenden die waisen. Durch ein hinten hebe ich die strophen heraus, die von Schmidt Rugge zugeschrieben werden, durch ein vorn die sonst von ihm für unecht erklärten. |