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Als das von dem dichter gemeinte buch der könige käme dann die Sächsische weltchronik in betracht, und diese war ihm, wie mehrere einzelheiten dartun, in der tat bekannt. Während bei uns Tiberius erschlagen und in die Tiber geworfen wird, findet er sonst fast stets, auch in der Kchr. v. 1134 und in der Sächs. weltchr. sein ende durch gift. Aber in der letzteren findet sich in der Gothaer hs. der zusatz vñ wart geworpen in den tyber de da vore het alban vñ het nu tyb' na tyberius de darinne wart gevunden.') Die durch die Gothaer hs. repräsentierte recension wird dadurch als vorlage unseres dichters erwiesen. Dass das bild der Veronica in Rom zu sehen sei, findet sich ebenfalls in der chronik; dadurch kann die angabe unseres gedichtes mit beeinflusst sein. Endlich findet sich hier auch die erzählung vom jüdischen krieg wie bei uns, Josephus' gefangennahme und weissagung, wenn auch natürlich weit kürzer, aber doch wie auch das folgende strafgericht mit ganz directen parallelen: vgl. v. 4639 (4421) si des niht so tote mich Chron. ne ist it nicht so dode mich. Die unfreiheit der juden namentlich, wofür gerade die Chronik als beleg angerufen wird, ist nachdrücklich hervorgehoben, und auch hier ist verwantschaft in den ausdrücken mit unserem Ev. nicht zu leugnen: in wart verdelt echt und reht, erve und eigen, dat se oc eigen solden wesen immer mer, vgl. v. 46954699 (4477-4481).

Von dem strafgericht gegen die juden sind nach unserem gedicht zwei geschlechter, Gog und Magog, ausgenommen, die von Alexander eingeschlossen wurden und deshalb die botschaft von Christus nicht vernommen hatten.

Die zu grunde liegende sage erscheint in verschiedener gestalt. Anknüpfend an die existenz einer wol von den persischen königen erbauten grossen mauer bei Derbend gewinnt

1) Diese erklärung des namens findet sich auch bei Enenkel (Strauch s. 385) v. 20184, aber ohne bestimmte angabe des gewaltsamen todes v. 20191: wan er zwar dar inne ertranc, ich weiz nicht ob ez an sinen danc geschach oder mit dem willen sin; daz ist mir noch nicht worden schin. Die etymologie beruht auf einer verwechslung des Tiberius mit Tiberinus Sylvius, dem alten Albanerkönig, von dem Honorius Augustodunensis dies erzählt (vgl. Strauch s. 384). In richtiger beziehung findet sich die notiz noch in Gottfrieds von Viterbo Speculum regum (MG. 22, 51).

sie anschluss an den bericht Ezechiels (38, 39) von dem heereszug des königs Gog aus dem lande Magog (so genannt nach Japhets gleichnamigem sohn, Gen. 10, 2) gegen Israel und seiner niederlage. Die sage nennt neben ihm noch bis zu dreissig heidnische geschlechter, und erzählt wie sie sich wider erholen und von Alexander zwischen hohen bergen eingeschlossen werden. In dieser form ist sie enthalten in den Revelationes Methodii, von wo sie teils direct wie bei Rudolf von Ems (vgl. Zingerle, Quellen zum Alexander des R. v. E. s. 196 ff.), teils indirect durch die von der Seitenstetter hs. repräsentierte fassung des Liber de proeliis in die meisten Alexanderdichtungen übergegangen ist.1)

In einer anderen fassung haben nun die stelle der gefangenen heiden die in der gefangenschaft befindlichen zehn stämme der juden eingenommen, die von Alexander vergeblich ihre freiheit erhoffen, aber von demselben ihrer frevel wegen für ewig eingemauert werden. 2) Wann diese umdeutung geschah, entzieht sich unserer kenntnis; schon Petrus Comestor (Migne 198, 1407) kennt sie offenbar, wenn er sagt: adhuc decem tribus ultra montes Caspios captivae tenentur.

Bei Quilichinus von Spoleto (1236) finden wir beide, heiden und juden, genannt, 3) wovon dessen quelle Julius Valerius noch nichts hat. Ebenso erzählt Rudolf von Ems einmal die einschliessung der heiden Gog und Magog, an einer anderen stelle der juden, während die Sächsische weltchronik nur die juden nennt. Mit einem weiteren schritt gelangte man zur identificierung der juden mit Gog und Magog. Dies geschieht z. b. im Compendium theologiae veritatis, lib. 7, cap. 11.4) Ihm folgt Hugo von Langensteins Martina 192, 31 (vgl. Köhler, Germ. 8, 23 ff.); auch in Seifrieds Alexander erscheinen Gog und Magog

1) Eine ausnahme bildet Lamprecht, der die episode nicht kennt. 2) Wir übergehen hier die rolle, die die eingeschlossenen zur zeit des Antichrist spielen.

3) Praeterea inclusit decem tribus filiorum Israel, sed Judam et Benjamin non inclusit, Wiener jahrbücher 57, anzeiger 61.

4) So muss wenigstens der wortlaut aufgefasst werden. De Gog et Magog dicunt quidam quod sint decem tribus intra montes Caspios clausae, wenn auch in scheinbarem gegensatz zu dem späteren has dicunt Judaei in fine exituras et venturas in Jerusalem et cum suo messia ecclesias destructuras.

als juden. Die weite verbreitung dieser version beweist ihr auftreten im Poema de Alejandro des Joan Lorenzo Segura de Astorga, der um 1260 schrieb (vgl. Wiener jahrbb. 57, 181).

Hesler hat nun jedenfalls die ursprüngliche version aus irgend einer der Alexanderdichtungen gekannt, die version welche die juden einsetzt, sicher wenigstens aus der Sächsischen chronik. Auch die contamination war ihm wol schon bekannt; denn das Compendium war ein ausserordentlich viel gelesenes buch; vielleicht kannte er aber auch die (nach 1293) geschriebene Martina. Einen weiteren schritt tut er aber, wenn er an stelle der zehn israelitischen stämme nur zwei setzt, da er nur für so viele namen hat. Dann ist aber auch der inhalt der sage ein ganz anderer geworden; die einschliessung, die ursprünglich doch eine strafe ist, erscheint bei uns als eine besondere gnade.') Ihren grund findet diese ganz vereinzelt dastehende lesart vielleicht in folgendem. In einzelnen judengemeinden sehr hohen alters (z. b. Worms) besteht zum teil heute noch die tradition, dass sie schon vor Christus bestanden hätten, mithin ihre mitglieder an Christi tod nicht mitschuldig seien. Solche anschauungen traten vielleicht Hesler entgegen und gaben ihm die idee ein; war dies der fall, dann ist seine darstellung jedenfalls polemisch zu fassen: er tritt jenen seiner meinung nach unberechtigten äusserungen entgegen mit dem satze: alle juden trifft das gericht mit ausnahme jener von Alexander zwischen den bergen eingeschlossenen.

III. Sprache und heimat des gedichtes.
A. Die sprache.

Ueber die sprache des Ev. Nic. hat abgesehen von den kurzen bemerkungen K. v. Bahders (Ueber ein vocal. problem des md. s. 42) ausführlicher gehandelt K. Amersbach (1,11 und

1) Im Vespasian des Wilden mannes erscheint widerum eine andere fassung, die nichts weiter ist als eine sehr verblasste reminiscenz der ganzen sage. Es heisst dort nach dem verkauf der juden v. 255: zen geslehte man ir virsande, diu quamen an ein gebirge zu lande. diu andirin wurdin virleidit und ovir alli di werlt verspreidet (vgl. Köhn, Gedichte des Wilden mannes s. 41). Eingehenderes über die ganze sage hoffe ich in bälde vorlegen zu können.

Beiträge zur geschichte der deutschen sprache. XXIV.

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2, 3 ff.). Seine darstellung bedarf jedoch sehr der ergänzung, da sie, ohne abschliessendes zu bieten, sich darauf beschränkt, die identität der sprache mit der von Heslers Apokalypse nachzuweisen. Ausserdem ist sie aber auch nicht einwandfrei, da sie zum teil mit zweifelhaftem material arbeitet und belegen aus dem versinnern zu viel gewicht zugesteht. Wir beschränken uns zunächst auf die ausbeute der reime, wobei als norm zu gelten hat, dass im zweifelsfalle jeder reim als dialektisch rein zu betrachten ist. Betreffs der sprache der Apokalypse beschränken wir uns auf angabe etwaiger abweichungen.

I. Vocale.

Der umlaut ist nur durchgeführt bei a, â, wo er regel ist. Hervorzuheben ist besonders 1) tregis (: hegis) 3346 und ehte (8): rehte.

Der umlaut von á ist gesichert durch reime wie mêre : were 2566, emphét: set (sëhet) 2671, néte (zu nâhen) : vê(he)te 1967. offenbêre reimt auf -êre (are) 1647. 4766. 4978, was allerdings nichts beweist; in der Apokalypse sind auch reime auf -âre belegt (Amersbach 2, 1). In einzelnen fällen unterbleibt dagegen der umlaut von â, vgl. hâte (conj. praet.): rûte 2507. Der reim swâr (: wâr) 993, swâren (: wâren) 1217 begegnet auch sonst oft in md. denkmälern, vgl. Katharinen marter v. 306 (Germ. 8, 129). Ebernand v. Erfurt 847. 1283. 3671. Herbort v. Fritzlar 9596. Ludwigs kreuzfahrt 1928. Der sünden widerstreit 2200, sehr oft bei Jeroschin (Pfeiffer s. LVII). Mit dem umlaut hat dies nichts zu tun, vielmehr liegt die alte lautgesetzliche form alter i-stämme vor; vgl. Behaghel, Germ. 23, 275. beswaret (: wâret) ist dann auf grund von analogie zu erklären.

Umlaut unter einfluss der suffixe -lich, -ic wird durch keinen reim erwiesen. Rückumlaut ist regel: vorant: hant 2633. 3579, vorhancte (: crancte) 2929, haften (: caften) 1807, sante (: mante) 2964, genant (: want) 4611, (: hant) 2601, gesant (: lant) 2923. 4055, (: hailant) 4259, gestracket (: entnacket) 1655, vorwánde (:mânde) 3887.

1) wennen (: irkennen) 3264 ist nebenform zu wannen, nicht mit Weinhold § 28 als umlaut zu erklären.

Der umlaut sämmtlicher anderer vocale ist nach gemeinmd. weise wenig ausgeprägt; demgemäss erscheinen unbedenklich umgelauteter und unumgelauteter vocal im reim gebunden;') vgl. Behaghel, Pauls Grundr. 1, § 40, Weinhold, Mhd. gr. § 54. 82. 102. 118. 132. Beispiele: ô: brôde (: tôde) 3248. 3342. 4027, hôren (: ôren) 1293, ze honden (: schônden) 4711, verbôsen (: lasterlósen) 4801, lôsen : vrô sîn 3011, stôren: bekoren 1415. ou: frouwen (inf.) (: frouwen dat. sg.) 4494 ist die alte regelrechte form mit geminiertem w, *frawwjan, wo nie umlaut eintritt. u: geturstic (: durstic) 329, sunden (: wunden) 3771, sunde: munde 3573, urkunde: munde 617, twunge (2 p.): lósunge 150, runge: wustenunge 1645, wunne: sunne 2623, errult sult 1825, gedult 1910. 2027, grunden (: schunden) 3099, turen ( bekuren) 3283, stucken ( erschrucken) 3293, bute (:schutte')) 2925. uo: guote (:bluote) 1511, ruogen (: sluogen) 1815, muon (: müejen) :`tuon 1281. 3077. 4937, gescuofe (:ruofe) 345. 4907, pruofen (: huofen) 5121, suone (: tuone) 2099. Nicht beweisend da die alte regelrechte form ohne umlaut vorsind: fuozen (: muozen) 434. 907. 4511,

:

liegen kann bez. muss kuol (: stuol) 625.

a, â

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a.

gemeinmhd. a, â. Insbesondere ist a erhalten in rianden (: anden) 4995. Im sg. praes. des verbums 'sollen' ist die a-form durch die reime auf al, gewalt, gestalt gesichert; vgl. v. 998. 2968. 3082. 3352. 3934. Darnach wird wol auch sal: wal 1281. 2607 zu lesen sein, obwol auch sol: wol möglich ist. Der gebrauch von sol neben sal wäre ganz unbedenklich. Die a-formen entsprechen dem dialekt des dichters, die o-formen konnten als bequeme conventionelle reimwörter verwendung finden. Dem entspricht auch die ausschliessliche herschaft der o-formen in den reimen der Apokalypse, die sicher nicht als dialektisch erklärt werden kann. Auch die

1) Ebenso bei Jeroschin (Pfeiffer s. LX), Erlösung (anm. zu v. 154. 275. 523). Im buch Hiob wird ausser a, â nur ou umgelautet (vgl. W. Müller, Das md. buch Hiob s. 14). Im Md. schachbuch ist der umlaut aber, wenn auch nicht ausnahmslos (gunne: brunne 241, 11), doch im allgemeinen durchgedrungen (vgl. Sievers, Zs. fda. 17, 387).

2)= 'das schütteln'; Jeroschin v. 22742 die dries gab so harten stôz mit schutte dem gebuide.

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