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nur einkleidung, so mildert sich die stelle. Aber auch dann bleibt sie ein unerhörter verstoss gegen die kunstform deren sich der verfasser bedient, und zeigt, dass er eben kein künstler ist. Es bleibt mir schwer verständlich, dass man einer sittlichen persönlichkeit wie Hartmann, einem so bedeutenden künstler, dergleichen verse und an solchem orte zuschreiben kann.

VIII. Zur kritik und erklärung.

In diesem capitel mögen einige besserungsvorschläge und erklärungen zum text des büchleins platz finden. Dabei liegt Haupts text zu grunde und werden die H. v. A. s. 89 ff. gemachten vorschläge als bekannt vorausgesetzt. Ich muss zuweilen ausführlicher sein, als es die bedeutung der stellen an sich verlangt. Der grund ist, dass es mehrfach nötig wird, mich gegen die etwas scharfen angriffe Schönbachs in seinem schon oft citierten buche (s. 374 ff.) zu verteidigen. Ich hoffe nachweisen zu können, dass nicht immer ich derjenige bin der unrecht hat.

Die oben mitgeteilte disposition zeigt, dass die absätze bei Haupt zuweilen nicht zweckmässig gewählt sind. H. v. A. s. 89, bei Bech und dann bei Schönbach sind besserungsvorschläge zu finden. Mit v. 14 beginnt kein neuer teil (Schönb. s. 362). V. 4 solte ist nicht 'könnte' (Bech), sondern 'müsste'. V. 8 zu dem sich begunde vgl. Berl. heldenb. 5, s. xxI und Grimms Gr. 4,36. Hinter v. 28 setze man einen punkt, hinter v. 31 wäre ein kolon deutlicher. Hinter v. 34 ein komma. Zu v. 33 Hinter v. 41 ein komma, hinter 42 sich auf v. 42. Vgl. 22-32. V.72

-36 vgl. Trist. 1863 ff. semikolon. daz bezieht lies diu.

V. 79 schreibt die hs. wirs leben. Lachmann vermutet wunschleben. Diese besserung ist an sich - darauf weist Schönbach s. 375 mit grund hin - sehr gut und sinngemäss. Aber man fragt: wie kommt der schreiber auf das sinnlose wirs? Offenbar durch eine verlesung. Ich suche nun H. v. A. s. 89 eine solche wahrscheinlich zu machen, allerdings wie Schönbach mit recht tadelt, in zu künstlicher weise. Aus ritt's soll durch dreifache vertauschung der unverständliche ausdruck entsprungen sein. Trotzdem kann man an der möglichkeit einer paläographischen ableitung festhalten, nehme

dann aber rit's zum ausgang. Das r wird vom schreiber gelegentlich in u verlesen, wie Zingerle, Zs. fda. 27, 138 nachweist. Oefter t in r, ebda. s. 139 unten. Dass dann unter vernachlässigung des abkürzenden hakens aus rits uirs, endlich wirs entstehen konnte, ist also gewis möglich. Ob freilich die lesart wirs gerade auf diesem wege oder einfach durch flüchtigkeit eingetragen wurde, bleibe dahingestellt: mindestens steht dem schriftbild und dem klange nach wirsleben einem rit'sleben näher als einem wunschleben. Nun kommt dazu, dass unmittelbar vorher in v. 67 das wort rittersleben steht und v. 79 ausdrücklich darauf zurückdeutet. Warum also nicht lieber dies in den text setzen? Dass es vorher v. 67 richtig geschrieben worden, ist natürlich kein einwand. In v. 79 war das wort eben so undeutlich, dass der schreiber den sinn nicht gleich erkannte. Lange darüber nachzudenken aber fiel ihm schwerlich ein: er schrieb hin was er zu lesen glaubte.

Jedoch lege ich auf diese ableitung keinen wert. Ich möchte nur Schönbachs kritik gegenüber darauf hindeuten, dass sie möglich ist.

Schönbach selbst verzichtet überhaupt auf eine solche und meint: 'im ernste jedoch genügt es, darauf zu verweisen, dass wunschleben bisher nur in guten mhd. schriftwerken, nämlich nur bei Hartmann von Aue (Iwein 11. A. Heinr. 393) gefunden, also wol wie der ganze begriff wunsch in späterer zeit unverständlich geworden ist und demgemäss in unverstandenes verlesen wurde'. Dieser hinweis genügt aber nicht: vielmehr kann diese erklärung Schönbachs mit sicherheit widerlegt werden. Der schreiber der Ambraser hs. verstand nämlich den ausdruck wunschleben sehr wol; denn an jener Iweinstelle setzt er dafür ein wunnsamesleben. Ebenso verstehen es die jungen hss. z und r: diese bieten wunschlich l. und erwunstes l. Im A. Heinr. hat B auch wunschliches leben. Es kommt dazu, dass das wort wunsch und seine composita in der Ambraser hs. wenigstens in den Hartmannischen werken, die das büchl. umgeben, selten verlesen wird. Im Erec z. b. von den zehn stellen, die ich Bechs index entnehme, nur in v. 2741: die hs. hat hier wust. 6487 ist vnns keine verlesung, sondern absichtliche änderung des sinnes. Ueberdies steht II. büchl. v. 113 wunsch ganz richtig in der hs.

Anstössig, wie Schönbach meint, konnte mir Hartmanns wunschleben im II. büchl. unmöglich sein. Denn eben das habe ich mich bemüht nachzuweisen, dass der verfasser dieses gedichtes die werke des Auers genau kennt und benutzt. Da die wendung daz selbe wunschleben nebst dem folgenden reim gegeben im A. Heinr. steht (v. 393. 394), so hätte man, Lachmanns conjectur als richtig angenommen, einen neuen beweis dafür, wie gründlich der verfasser die werke seines meisters studiert hat.

V. 80 halte ich trotz Schönbach an Bechs lip fest. Die verse 79-80 nehmen v. 72 ff. wider auf und zwar mit denselben ausdrücken. Ausserdem ist sînen vliz geben in mîner frouwen gewalt gewis nicht mhd., weil dem rliz geben dabei eine kaum glaubliche anschaung zu grunde liegt. Auch finde ich keine parallelen dazu. V. 81 kurzer ausdruck für 'in die gewalt derjenigen, die jetzt meine dame ist'. V. 94 übersetzt Haupt 'der sich doch leicht erfüllen konnte'. Aber hán ist 'haben', nicht 'erlangen'. Vgl. Iw. 7864 ichn habe gedingen noch wân. Genauer also: 'den ich leicht d. i. mit grund hegen konnte'. V. 95 ist sælden gemach nach Paul, Mhd. gr. § 190, 1 zu beurteilen, etwa 'mein ruhiges glück', 'das selige behagen' (Bech). V.98 nimmt v. 90 wider auf. Beide daz haben gleiche bedeutung. Haupts auffassung ist also der Schönbachs (s. 376) vorzuziehen.

zusetzen. Vgl. die disposition.

V. 99 ist kein anlass ab

V. 102 steht dem sinne nach

v. 99 und 100 gleich. Der nachsatz ist mit einer im mhd. gewöhnlichen freiheit zwischen die daz-sätze eingeschoben. V.99: 100 ie gesach unheiles.

V. 117-120 ergibt die hs.

daz vor mîn trûren wære

dô ich was âne swære,

daz wær mîn beste freude nû.

Hier werden die verse Greg. 505-507 nachgeahmt. Dort haben die ausgaben

daz ê ir trûren wære

dô sî was âne swære,

daz was ir bestiu vreude hie,

und zwar ist è in V. 505 nirgends überliefert, sondern conjectur Beneckes. Nun hat Haupt das vor der Ambraser hs. durch

das é Beneckes, d. h. eine überlieferung durch eine vermutung ersetzt. H. v. A. s. 90 habe ich dem gegenüber betont, dass die überlieferung des Gregor keinen anhalt für das é biete, weil alle hss. änderten. Es sei darum methodisch richtiger, die Gregorstelle nach dem büchlein zu bessern als umgekehrt, also im Gregor wie im büchlein vor statt ê zu schreiben. Schönbach entgegnet darauf: 'mit der berufung auf Gregor 505 steht es übel. Dort verhält sich die überlieferung so:

Daz ir tr. w. A

Daz er ir tr. w. D

Dy ane tr. w. EJK,

das heisst: die hss. ändern nicht alle, wie Saran behauptet. Vielmehr ist ein wort in A ausgefallen, EJK haben das [?] fortgebildet und durch Dy einen neuen bezug des satzes, durch ane einen andern sinn hergestellt. In D ist eine spur des alten erhalten: er. Die beziehungen von D zu den übrigen hss. sind nach Zwierzina, Zs. fda. 37, 124 nicht klar zu legen. Aber dass dieses er in D leichter auf é denn auf vor zurückzuführen ist, wird niemand bestreiten'. So übel, wie Schönbach meint, steht es aber mit meiner berufung auf die Gregorhss. doch nicht.

Freilich glaube ich nicht mehr, dass alle hss. dort ändern, so dass ein schluss auf das ursprüngliche nicht möglich sei (H. v. A. s. 90), vielmehr genügt die lesart von A dem sinne vollkommen. Weder das é Beneckes noch das vor, das ich vorgeschlagen habe, ist von nöten. Man setze hinter v. 503 einen punkt und übersetze: 'die dame ward über den rat des bruders froh. (Der ausdruck 'froh' wird nun eingeschränkt:) Ihre freude wurde aber nur so, wie es ihre lage erlaubte. Von wirklicher freude wusste sie nichts: denn ein zustand, der bei ihr zur zeit als sie noch nicht von dem leid gedrückt wurde, traurigkeit gewesen wäre, der war in dieser lage ihre grösste freude, der zustand nämlich, dass sie wenigstens aufhörte zu weinen', d. h. der höchste grad ihrer sogenannten freude in ihrem jetzigen zustand war das blosse nichtweinen. Man sieht, sowol é wie vor ist hier völlig überflüssig, dies um so mehr als das modale hie v. 507 mit einem temporalen é keineswegs einen guten gegensatz ausmachen würde. Im

büchlein dagegen hat man keinen grund das vor anzufechten. Es ist offenbar zusatz des dichters. Um aber einen stumpfen gegensatz wie é-hie zu vermeiden, hat er zugleich das hie (Greg. v. 507) in nu verändert. Nun bringen die verse 117119 die doppelte antithese: vor - nú, trûren — beste vreude und damit tritt die stelle zu denen, über die ich H. v. A. s. 44 gehandelt habe. Auch sie ist stilisiert worden, um pointierten, gegensätzlichen ausdruck zu gewinnen.

Ist also an der Gregorstelle nichts fortgefallen, so lag auch für die abschreiber kein grund vor, eine unklar gewordene lesart zu verbessern, wie Schönbach will. Was die abweichungen der hss. verschuldet hat, sieht man leicht, wenn nicht bloss zeile 505 für sich, sondern die stelle im ganzen betrachtet wird. Zudem sind Schönbachs angaben über die lesarten in einem punkte nicht ganz richtig. Es hat

daz ir truren wære

do si was ane swære

A

daz was ir bestiu vreude hie
daz si niuwan ir weinen lie.

Dies ist also die richtige lesart. Deren sinn, der in der tat kaum bequem zu finden war, haben die schreiber der andern hss. nicht verstanden. Darum ändern sie, und nicht etwa, weil die vorlage durch ausfall eines wortes unklar geworden war. J, das zu derselben klasse wie A gehört, hat (Beitr. 3, 95 b v. 8 ff.):

[blocks in formation]

E hat den sinn ganz verkehrt. Es versteht offenbar: 'die beste freude der einst im glück treulosen war immer zu weinen'. Kliest nach Zs. fda. 37, 132 unten

daz ir truren wære

des si was an ir swære

des was ir beste fröd hie
daz si númē ir weinen lie.

Schönbach hat sich hier bei der anführung der lesarten versehen: er identificiert die von K mit denen von E und J. K hat Beiträge zur geschichte der deutschen sprache. XXIV.

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