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Gehörte aber Hesler einem bürgerlichen geschlechte2) an, so schwindet jede hoffnung, ihn auf grund seines namens localisieren zu können, vollständig. Die möglichkeit des vorkommens des namens Heseler, Hesler ist unbegrenzt. In ganz Deutschland gibt es ortsnamen, die von Hasel abgeleitet sind; es ist nicht abzusehen, weshalb die familiennamen gleicher herkunft auf ein kleines gebiet beschränkt sein sollten. In Mecklenburg ist z. b. eine familie Hesler bezeugt durch Gerhard H., bürger in Rostock 1275. 1283, Alexander H. capitanus in Warnemünde 1302 und Hermann H., bürger in Rostock 1338. 1348. 1350; vgl. Mecklenburgisches urkundenbuch, index 1-4. 5-12.

Wir werden demnach darauf zurückgewiesen, zu versuchen, ob sich aus der sprache allein merkmale für die heimat des gedichtes ergeben.

1) Der vers in G ganz verdorben: so bin ich worden irre. S schreibt da von der unde genere; doch halte ich dies nur für einen versuch, die stelle, die der schreiber schon nicht verstand, verständlich zu machen. Ich vermute im original ein iedewëdere.

2) Dass Hesler nicht ein geistlicher, sondern ein laie war, hat Amersbach 2, 30 ff. auf grund einiger stellen der Apokalypse nachgewiesen.

Die weitaus überwiegende mehrheit der aus den reimen zu erschliessenden sprachlichen tatsachen sind gemeinmitteldeutsch und können zu einer engeren localisierung nichts beitragen. Wechsel zwischen e und i, o und u, vereinzeltes unverschobenes in dit, die contrahierten verbalformen fán, sên, doppelformen wie gân, gên, stân, stên, weste—wiste — wisse u. a. sind an keine bestimmte gegend gebunden. Ausserdem muss stets mit dem eindringen literarischer formen gerechnet werden. Einige enger zu begrenzende dialektische eigenheiten sind aber doch zu finden, und es fragt sich nun: kann darnach die bisher angenommene thüringische heimat des dichters als möglich oder wahrscheinlich erwiesen werden? Amersbach bejaht die frage, indem er sich auf die reime engrame : namen (Apok.) und veme: nemen Ev. Nic. 5067 beruft. Beide reime sind aber ganz verschiedener natur. Charakteristisch für Thüringen wäre nur der zweite mit verklingen des n im inf. Aber auch dieser nur, wenn er nicht der einzige seiner art wäre; in sämmtlichen nach Thüringen gehörenden denkmälern zeigen sich die apokopierten infinitive in grosser zahl.) Ebernands von Erfurt Heinrich und Kunigunde hat auf 2375 reimpaaren 79 mit infinitiv auf -e (zum teil zusammengestellt von Bechstein in der ausgabe s. XXI f.). 'Daz brechen leit' (Bartsch, Md. gedichte no. 3) hat unter 134 reimpaaren 8 solcher, Des alten weibes list unter 228 sogar 26 (ebda. no. 4). Die Pommersfelder hs., die auch die beiden letztgenannten gedichte enthält, schreibt auch im versinnern sehr häufig die apokopierten infinitive, so in der Heidin v. 45. 315. 545. 548. 584. 701. 749. 809. 856. 925. 1084. 1097. In Joh. Rothes werken sind die infinitive ohne -n ebenfalls sehr zahlreich. Im gedicht Von der stete ampten und der fursten ratgeben stehen 69 solcher reime auf 646 reimpaare. Im Ritterspiegel stehen 705 infinitive im reim. Von diesen reimen 242 untereinander, von den übrigen 463 reimen rund 100 mit -e, die übrigen auf -n oder sind zweifelhaft (z. b. ich schenke gedenken v. 4050). Noch mehr überwiegen die apokopierten infinitive in Stolles Thür. chronik (hg. von Hesse). Dort finden sich auf den seiten 1-24. 101-108.

1) Es handelt sich natürlich nur um den nominativ des infinitivs. Die flectierte form (ze sehene > ze sehen) hat natürlich das -n erhalten.

141-150. 210 bis schluss ca. 250 infinitive ohne -n gegen ca. 200 mit -n; von letzteren ist aber etwa die hälfte in abrechnung zu bringen, da sie nach dem syntaktischen zusammenhang die flectierte form des infinitivs repräsentieren (s. oben anmerk.).

Die urkunden sind in diesem punkte sehr verschieden. Die der vögte zu Plauen, Gera und Weida (Thüringische geschichtsquellen bd. 5) zeigen nur wenige fälle. Die landgräflichen halten sich von diesen dialektformen ebenfalls fast ganz frei mit ausnahme einiger der verwitweten landgräfin Elisabeth, datiert Gotha 15. 10. 1331 und 24. 4. 1332 (im Urkundenbuch der stadt Jena, Thür. geschichtsquellen 6, no. 146 und 150), die je 7 apokopierte infinitive aufweisen.

Andere urkunden, die mehr local gefärbt sind, bieten dagegen eine reiche auswahl dieser formen. Die städtischen urkunden wiegen unter diesen naturgemäss vor, doch sind auch andere in ziemlicher zahl darunter. Einige beispiele aus dem Urkundenbuch von Arnstadt (Thüring. geschichtsquellen bd. 4) mögen dies bestätigen. No. 87 vom 12. 1. 1322 (vergleich zwischen Arnstadt und Erfurt wegen der über die juden obwaltenden streitigkeiten) hat 7 infinitive ohne -n, no. 118. 119 vom 14. 2. 1332 (vertrag zwischen dem abt von Hersfeld und den grafen von Schwarzburg über den verkauf der stadt Arnstadt hersfeldischen teils) haben zusammen 12, no. 142 vom 17. 3. 1343 (vertrag zwischen dem grafen von Schwarzburg und denen von Orlamünde wegen zusammenlegung ihrer herschaften) 15, no. 147 vom 11. 5. 1347 (vertrag zwischen den grafen von Schwarzburg über die teilung von Arnstadt) ebenfalls 15, no. 152 vom 13. 5. 1350 dat. Erfurt (vertrag wegen des nachlasses des verstorbenen königs Gunther von Schwarzburg) 30, no. 156 vom 26. 2. 1352 (innungsordnung des schmiedehandwerks zu Arnstadt) 14, no. 241 vom 9. 2. 1395 (vertrag zwischen Bertold Alkersleben und Kunne Meydel) trotz des geringen umfangs 7. Im allgemeinen werden die apokopierten infinitive seltener, je jünger die urkunde ist, doch hat z. b. no. 812 vom 16. 7. 1487 (innungsartikel des böttcherhandwerks) noch 20 derselben.

Die heutigen verhältnisse bestätigen aufs beste das aus den alten denkmälern gewonnene resultat. Im ruhlaischen z. b. begegnen uns zwei infinitivformen (vgl. Regel, Ruhlasche mundart

s. 100 ff.): eine endungslose und eine mit erhaltener endung. Erstere, die nach den hilfsverben wollen, sollen, müssen, dürfen steht und durch praefix ge- verstärkt') auch nach können und mögen, ist die normale form des infinitivs. Die zweite steht in verbindung mit zu, nach den verben bleiben und werden und bei den verben der sinnlichen wahrnehmung wie sehen, hören, wenn sie nachstehen. Diese zweite form repräsentiert also teils die alte flectierte infinitivform (nach zu), teils ein ursprüngliches part. praes. (er wirt weinende u. dgl.). Ganz dieselbe verteilung findet sich bei Joh. Rothe. Und wie im ruhlaischen, so verhält es sich auch in den übrigen thüringischen mundarten. Für Nordthüringen vergleiche man Mart. Schultze, Idiotikon der nordthür. mundart s. 12 f. E. Pasch, Altenburger bauerndeutsch s. 41 gibt nur den abfall des inf. -n an, doch werden seine angaben kaum als erschöpfend betrachtet werden dürfen: s. 44 bemerkt er wenigstens, dass der substantivierte infinitiv das -n behält. K. Schöppe, Naumburgs mundart, gibt ebenfalls s. 10 nur die kurze regel, der naumburgische infinitiv habe kein -n. Aber in der textprobe s. 55 ff. finden sich neben ässe (essen), du (tun) u. a. gerade wie im ruhlaischen: gäbbt dachch emal mein sone e bar ganze schdiweln ahnzezihn; ich hadde gedacht ich wärrdn nich widder ze sän grihche. Für das übrige Thüringen vergleiche man Hertel, Thüringischer sprachschatz; z. b. Ebeleben (s. 40 ff.) ha wul ufgá (er wolle aufgeben), aber nischt zum lachen; Erfurt (s. 42) kome, aber lús ze waren (los zu werden); Nordhausen (s. 43) ich wils dich ângešdríche, ène kû ufzufressen! Rudolstadt (s. 46) wolde name (nehmen), aber ze machen.

Ueber die grenze -en/-e sind zu vergleichen Wredes berichte Anz. fda. 19 und 20 unter sitzen und machen (zum teil ist sie auch angegeben auf der karte Zs. fda. 39, 280), Jecht, Die grenzen der Mansfelder mundart, Zs. des Harzvereins 20, 96. Behaghel, Pauls Grundr. 1, § 100. Weitere angaben siehe bei

1) Diesen verstärkten inf. als eine dritte form den beiden anderen gleichwertig zur seite zu stellen, wie Regel tut, halte ich nicht für glücklich. Folgerichtig müsste er dann auch beim inf. mit endung die zwei allerdings lautlich zusammenfallenden, aber ihrem ursprung nach verschiedenen formen als zweierlei kategorien auseinander halten.

C. Franke, Veterbuch s. 73. Braune, Ahd. gr. § 126, anm. 2, und speciell fürs ostfränkische Ehrismann, Beitr. 22, 297.

Allerdings sind infinitive ohne n auch in anderen gegenden zu finden, in Oesterreich (Seifr. Helbl., hg. v. Seemüller s. xxII), in Hessen, vgl. Bartsch zu Erlösung v. 2768, im Passional und im Veterbuch (a. a. o. s. 74). Für Oberdeutschland vgl. belege bei Weinhold, Mhd. gr. § 372. Al. gr. § 30. Bair. gr. § 288. Aber hier überall wird das -n auch sonst abgeworfen, und der allgemeine verlust des -n zeigt sich dann eben auch im inf., im thüringischen und ostfränkischen dagegen bleibt der abfall im wesentlichen auf den inf. beschränkt, ist also ganz anderer natur. Ein rein lautlicher vorgang kann es nicht sein, es wäre sonst nicht abzusehen, warum er auf eine eng geschlossene syntaktische kategorie beschränkt blieb. Aus diesem grunde kann ich mich der von Behaghel, Pauls Grundr. 1, § 100 aufgestellten ansicht nicht anschliessen, dass nämlich der abfall des -n lautgesetzlich bei stämmen die mit nasal schliessen, begonnen und sich von hier aus verallgemeinert hätte. Eine andere erklärung gibt Ehrismann, Beitr. 22, 297 f., vgl. auch O. Brenner, Lit.-bl. 1898, s. 124.

Auch im Ev. Nic. ist der abfall des -n nicht speciell dem inf. eigen, findet sich vielmehr weit häufiger in anderen fällen. Diese, zu denen auch der von Amersbach aus der Apokalypse angeführte reim gehört, heben die beweiskraft des einen reimes veme nemen direct auf. Wir müssen also gegen Amersbach gerade in dem fehlen häufiger belege für apokopierten inf. einen beweis gegen thüringische heimat des dichters erblicken.

Auch weiter östlich im obersächsischen sind die infinitive ohne -n häufig, z. b. bei Heinrich von Krolewitz 146 unter 2444 reimpaaren (z. t. bei Lisch s. 11 aufgezählt).

In Schlesien ist heute nach Weinhold, Dialektforschung s. 126 und Rückert, Zs. für geschichte und altertum Schlesiens 11, 340 der apokopierte inf. regel. In dieser allgemeinen fassung dürfte die angabe kaum stichhaltig sein (vgl. Pauls Grundr. 1, § 100, 4). Ausserdem ist die erscheinung ganz bedeutungslos in den teilen Schlesiens, in welchen -n auch sonst verklingt. Alte belege für apokopierten inf. fehlen. Es ist dies um so auffälliger, als die grosse masse der schlesischen colonisten aus Ostfranken kam, ihrem dialekt also gerade die unterdrückung

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