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stand darstellt, der nicht auf zufall beruhen kann und der ursprünglicher sein muss, als der von B und C. Der bestand von B und C lässt sich aus dem von A ableiten, letzterer nicht aus ersteren. Hatten ursprünglich der text des Liedes ie, der text der Klage i, und die aventiurenüberschriften des Liedes, falls man diese als der vorlage von A B C zugehörig anerkennen will, ebenfalls i, so konnte einerseits zu gunsten von ie ausgeglichen werden (so C), oder es konnten abschreiber, die dem i-gebiet angehörten, letzteres mehr oder weniger stark unter das ie der vorlage einmengen und andererseits, nachdem sie einmal mit gemischter verwendung begonnen hatten, auch einmal ie setzen, wo die vorlage i gab (so B). Nach den gleichen gesichtspunkten erklären sich bei A das eine i des Liedtextes und das eine ie der Klage. Diese vermischung ist aber bei A nur die verschwindende ausnahme gegenüber der regel: ie im Liedtext, i in aventiurenüberschriften und Klage. Und diese regel fordert ihre erklärung. Wenn ie im alten bestandteil, i im jüngeren vorliegt, muss ersteres in der geschichte des Liedes und seiner hss. eine ältere schicht darstellen. Dass ie dem original selbst angehörte, ist damit nicht gesagt. Aber diese schreibung wird dem original sehr nahe gerückt, und da man suchen muss, zwischen diesem und den ältesten vorliegenden hss. möglichst wenig abschriften einzuschieben, und da die schreibung sehr gleichmässig auftritt, so ist es immerhin sehr wahrscheinlich, dass sie aus dem original selbst stammt. Die schreibung i hat dem exemplar der Klage angehört, welches mit dem Lied verbunden wurde. Ob dies die erste niederschrift der Klage war, bleibt damit offen. Endlich hat der verfasser der Aventiurenüberschriften, welche in A vorliegen, i geschrieben. Ob dieser der hinzufügung der Klage vorangeht oder nachfolgt, oder ob er mit dem schreiber der Klage identisch ist, bleibt dabei ebenfalls unentschieden. Nahe liegt es, die i-formen derselben hand zuzuschreiben, und das fehlen der aventiurenüberschriften in B beweist noch nicht, dass diese der Klage erst nachfolgten. Wenn aber die hinzufügung der Klage wie der aventiurenüberschriften einer gegend angehört, welche i gesprochen hat, so können auch verschiedene personen i geschieben haben. Ueber das gegenseitige verhältnis der abänderungen, welche in B und C vorliegen, lässt sich

von der vorliegenden frage aus nichts entscheiden. Beide können selbständig von der schreibung von A ausgehen, es kann aber auch die eine aus der anderen hervorgegangen sein, nur die von B aus der von C allein bei einem schreiber, der die -form seinerseits mitbrachte. Ueber die herkunft der e-formen in A weiss ich keine entscheidung zu treffen. Dem schreiber von A, der gelegentlich das r auslassend Kiemhilt (721. 929. 1760), oder das auslassend Kriemhit (1334) oder das h auslassend Kriemilde (1774 und mit nachträglicher correctur 1775) schreibt, wäre wol zuzutrauen, dass er auch aus flüchtigkeit mehrfach e statt ie schreibt, aber die reihe der e ist doch zu geschlossen und ausgedehnt, als dass diese annahme genügen würde. Soll der schreiber von A oder ein ihm vorausgehender abschreiber die e-formen irgendwo anders hergekannt und eingemengt haben? Aber es lässt nicht vorstellen, wo man damals e geschrieben oder gesprochen haben sollte. Ebenso rätselhaft bleiben die e-formen, wenn man sie dem original zuweisen wollte. Auch die annahme, sie seien in quellen des liedes vom 8. jh. an mitgeführt worden und hätten sich nun gerade in den str. 1784 ff. bis in unsere hs. hinein erhalten, erscheint mir wenig glaublich. Hervorheben möchte ich aber immerhin, dass dieselben erst in der geschichte vom untergang der Hunnen auftreten. An dem verhältnis der i- und ie-schreibungen wird jedenfalls durch die entscheidung über die e-formen nichts geändert.

Die einzelfrage zeigt, wie A bei aller flüchtigkeit doch an bestimmten punkten altes gut erhalten hat. Es mag gerade seine flüchtigkeit sein, die den schreiber an ausgleichungen gehindert hat.

Ist die form Kriemhilt mit wahrscheinlichkeit dem original zuzuweisen, so wird dadurch auch die frage nach dessen heimat berührt. Von dieser namensform aus ist die heimat des originals in erster linie in dem gebiete zu suchen, wo die form Kriemhilt zu hause ist. Es kann ja wol zufall im spiel sein, wie unter den räumlich bestimmbaren belegen aus dem SO sich auch einzelne mit ie finden, und gewisheit ist um so weniger zu erreichen, als schon die voraussetzung, die zuweisung der form Kriemhilt an das original, nur als wahrscheinlich gelten kann. Aber immerhin liegt ein in betracht

zu ziehendes moment vor. Dass mit der heimatsbestimmung des originals des Liedes nicht über die bairisch-alemannischen grenzgebiete nach westen gegangen werden darf, steht durch das sonstige sprachliche verhalten der hss. fest.1) Eine genauere grenze für die ausdehnung der ie-formen nach O ist nicht zu geben, aber das westliche gebiet Baierns sowie Tirol scheinen mir nicht ausgeschlossen. Jedenfalls ist da die regelmässige verwendung der form Kriemhilt weniger auffallend als weiter östlich. So weist die namensform in die gebiete, auf welche Zarnckes darlegungen in den Ber. üb. d. verh. d. sächs. ges. d. wiss. 8, 211 hinführten. Letztere haben nicht viel anklang gefunden, weil man glaubte, andere durchschlagendere gesichtspunkte wiesen auf Oesterreich. Von diesen letzteren bleibt aber heute nicht viel übrig. Dass die reiseberichte der hauptsache nach der quelle des Liedes angehören, ist m. e. durch die erneuerte gründliche untersuchung H. Neuferts (Der weg der Nibelungen, 1892, progr.) ausser zweifel gestellt, mag Neufert auch im einzelnen zu weit gehen und unerklärbares erklären wollen. Die sprachlichen gesichtspunkte aber, die man für die österreichische heimat anzuführen pflegt, sind nach unserem heutigen wissen über eine recht bescheidene wahrscheinlichkeit nicht hinauszubringen. So sind wir heute jedenfalls verpflichtet ein moment, das mit Zarnckes gründen zusammentreffend mehr nach westen zeigt, ernstlich in betracht zu ziehen.

1) Manche sprachliche frage, die durch vergleichung von Lassbergs und Laistners text nahe gelegt wird, muss offen bleiben, so lange nicht ein diplomatisch genauer abdruck von B vorliegt. Ein solcher ist ein grosses bedürfnis.

TÜBINGEN, april 1898.

K. BOHNENBERGER.

UEBER DEN CONJUNCTIV PRAETERITI IM

BAIRISCH-OESTERREICHISCHEN.

Zu den auffälligsten kennzeichen der groben mundart in Oberbaiern und den angrenzenden provinzen Oesterreichs (Ober-, Nieder-, Innerösterreich) gehört der conj. praet. schwacher verba auf -ad, der dann auch die starke conjugation ergriffen hat, die nunmehr aus dem praesensstamme (nicht immer: neben gengad lebt giengad) die neue hybride form entwickelt. Ueber das historische aufkommen dieser bildungen herscht, so weit ich sehe, noch keine klare anschauung. H. W. Nagl handelt in seinem reichhaltigen buche 'Grammatische analyse des niederösterreichischen dialektes' (1886) mehrmals einlässlich (z. b. s. 376 ff. 389 ff.) über diese erscheinung, ohne sie jedoch an den älteren sprachstand anzuknüpfen. Daraus schöpfe ich den mut, eine beobachtung vorzulegen, die vielleicht etwas zur erklärung dieser merkwürdigen formen beiträgt.

Die ausarbeitung des zweiten teiles meiner 'Miscellen aus Grazer handschriften', der sich mit den deutschen übersetzungen biblischer schriften auf unserer bibliothek beschäftigt, veranlasste mich, den codex no. 1631, der einen deutschen psalter enthält, genauer zu analysieren. Es gelang der erweis, dass diese aufzeichnung (nach einer ursprünglich mitteldeutschen vorlage) von einem oberbairischen priester, namens Konrad, für die nonnen von Altomünster (diöc. Freising) im jahre 1407 hergestellt worden ist. Die hs. enthält eine ganz naive und grobe lautbezeichnung und formengebung, weshalb ich sie auch der achtsamkeit aller forscher auf dem gebiete der bairischösterreichischen mundart dringend empfehle. Besonders fielen mir eine anzahl von verbalformen auf, die ich hier gesammelt und geordnet vorlege. Ueberall setze ich den deutschen bei

spielen den text der lateinischen vulgata zur seite, um über die auffassung der worte keinen zweifel zu lassen.

Praet. ind. 1. pers. sing.: ich hazzacht di chirchen der ubeln 38a, odivi ecclesiam malignantium Ps. 25, 5; ich chundacht dein rechtichait 57b, annuntiavi justitiam tuam Ps. 39, 10; do ich an hoffnaht 59a, in quo speravi Ps. 40, 10; ich wartacht sein 73 a, expectabam eum Ps. 54, 9; ich chundacht 75a, annuntiavi Ps. 55, 9; ich richtacht mich 77b, direxi Ps. 58, 5; ich trahtacht 94b, existimabam Ps. 72, 16; ich vestnaht 98a, confirmavi Ps. 74, 4; ich cheraht 100a, scopebam Ps. 76, 7; ich hoffnaht 156a ff., speravi Ps. 118, 42. 43. 81. 114; ich suchacht 159a, exquisivi Ps. 118, 94; ich hazzaht 159b, odivi Ps. 118, 104; ich irraht 159b. 165a, erravi Ps. 118, 110. 176; ich atmitzaht 161a, attraxi spiritum Ps. 118, 131; ich verwideraht 163a, abominatus sum Ps. 118, 163. 2. pers. wand du hailachtest

uns 61b, salvasti enim nos Ps. 43, 8; setzachtestu 69a, ponebas Ps. 49, 18; du trachtacht bosleich 69a, existimasti inique Ps. 49, 21; du zufürahtest uns 78b, destruxisti nos Ps. 59, 3; du zurnahtzt uns 79a, iratus es Ps. 59, 3; du zaichnecht 79a, ostendisti Ps. 59, 3; du hohæht 79b, exaltasti Ps. 60, 3; du belaiteht mich 80 a, deduxisti me Ps. 60, 3; du erlæutrahtest 84b, examinasti Ps. 65. 10; du laitaht zweimal 84b, induxisti - eduxisti Ps. 65, 11; du leraht mich 92b, docuisti me Ps. 70, 17; du belaitahst mich 95a, deduxisti me Ps. 72, 24; du mohaht 97b, fabricatus es Ps. 73, 16; du laidaht 101a, deduxisti Ps. 76, 21; du peltzahtest 108a, plantasti Ps. 79,9; du plantzicht 108a, plantasti Ps. 79, 10; du rüffeht 109a, invocasti Ps. 80, 8; du mahædt senft 112b, mitigasti Ps. 84, 4; du becheræht dich 112b, avertisti Ps. 84, 4; du laittæht 115a, induxisti Ps. 87, 8; du versmæhæht 118b, despexisti Ps. 88, 39; du vercheræht 118b. 119a, evertisti - avertisti Ps. 88, 40. 44; du hohoht 119a, exaltasti Ps. 88, 43; du zefuræht 119a, destruxisti Ps. 88, 45; du vercheusæht 119a, collisisti Ps. 88, 45; du satzæht 134b, posuisti Ps. 103, 20; du straffæht 154b, increpasti Ps. 118, 21; du braitteht 155b, dilatasti Ps. 118, 32; du vestnæht 159a, fundasti Ps. 118, 90; du machæht 159a, fecisti Ps. 118, 98; du versmæhæht 160 b, sprevisti Ps. 118, 118; du hocheht 174a, magnificasti Ps. 137,2; du vorschaht 174b, investigasti Ps. 138,3; du losæht 186a, eruisti Isai. 38, 17; du verfluchahtest 190a, maledixisti Habac. 3, 14;

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