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Man sieht aus den zahlen, dass unter berücksichtigung der verszahl I. büchl. und Erec zusammen stehen und von allen anderen werken durch eine grosse kluft getrennt sind.

Neuerdings hat auch Zwierzina (Verh. d. 44. vers. deutsch. philol. u. schulm. s. 124 f.) stilistische gründe für das höhere alter des Erec vorgebracht. Im Erec ist herre meist apposition: Erec der herre). Diese wendung dient nur dazu, herre in den reim zu bringen um eine bequeme versbindung zu haben. Solche flickreimerei weiss Hartmann im Iwein zu vermeiden: dort braucht er herre nur in der anrede (lieber herre) und in der prägnanten bedeutung 'herr' (über knechte) u. ä. m. Nach alledem ist kein grund an der richtigkeit der ansicht zu zweifeln, die Haupt ausgesprochen hat.

Von wert für die chronologie ist dann zweitens die einleitung zum Gregor, jetzt am besten bei Zwierzina, Zs. fda. 37, 407 ff. Sie ist schon von Naumann, Zs. fda. 22, 38 ff. benutzt, aber nicht consequent.

Hartmann bekennt daselbst: 'mein sinn hat oft meine zunge dazu gebracht, viel von dem zu sprechen, das lohn der welt zum zweck hat. Das hat ihm seine unerfahrene jugend angeraten. Nun aber ist es, wie ich genau weiss, ganz verkehrt auf seine jugend zu bauen und zu denken: »was du in der jugend sündigst, kannst du im alter wider gut machen <. Denn ein plötzlicher tod kann den sünder wegnehmen, ehe er busse getan. Darum möchte ich bei zeiten den weg der sünde verlassen und mich durch ein gott wolgefälliges werk von der sünde befreien, die ich aus nachlässigkeit mit worten auf mich geladen habe. Denn ich zweifle nicht daran, dass auch die grösste missetat des menschen vergeben wird, wenn sie ihn reut und er sie nicht wider tut. Die geschichte Gregors beweist es'.

H. v. A. habe ich s. 56 das nú in v. 6 temporal genommen und betont. Ich glaubte, diu tumben jár und das nú stünden im gegensatz und Hartmann stelle daher seine unreife jugend und sein jetziges reifes alter gegenüber. Diese deutung ist aber gezwungen. Nú ist anreihend: 'nun', 'nun aber'. Auf ein reifes mannesalter darf man also aus dieser einleitung nicht schliessen. Vielmehr hat Naumann recht, wenn er meint, Hartmann stehe hier noch in der jugent (a. a. o. s. 40). Denn

eben das ist ja der gedanke der einleitung: 'ich will noch in der jugent busse tun, damit es nicht zu spät wird. Wer weiss, wie lange ich lebe'.

Nun ist freilich das aus dem zusammenhang der stelle klar: diu tumben jár sind für Hartmann vorüber. Ist er auch junc, so ist er doch nicht mehr tump zu nennen. Wie alt Hartmann gewesen, als er diese worte schrieb, ist natürlich nicht zu sagen. Jugent ist ein dehnbarer begriff. Ich stelle ihn mir als dreissiger vor. Wie lange er sich für tump gehalten, lässt sich ebensowenig bestimmen. Bis ende der zwanziger wird man diese zeit ausdehnen dürfen, freilich ohne irgend welche sicherheit.

Welche seiner dichtungen verurteilt nun Hartmann?

Offenbar die weltlichen, die dieser einleitung vorausgehen. Wie aus dem ausdruck gesprochen hervorgeht, denkt er dabei an seine reimpaargedichte. Aber welche sind das? Es kann sich überhaupt nur handeln um I. büchlein, Erec und Iwein. Denn den Arm. Heinr. können wir nicht herziehen. Er ist ja, wie seine einleitung ausspricht, geschrieben zu gottes ehren und erst dann den lesern zur unterhaltung. Der lohn soll nicht weltlicher sein, sondern geistlicher: die fürbitte des hörers.

Zu den verurteilten dichtungen gehören nun zweifellos I. büchlein und Erec. Denn in beiden wird ausdrücklich betont, dass sie erzeugnisse der tumben jár seien. Vgl. I. büchl. 1265 f. swie tump ich nû selbe bin,

ich wil dir râten guoten sin.

Dazu die stellen die Schönbach s. 282 ff. bespricht. Im Erec gehören hierher die bekannten verse, wo sich der dichter einen tumben kneht nennt (v. 1603 und 7480). Namentlich die erstere stelle ist bedeutsam, da sich Hartmann an ihr genau so charakterisiert wie im I. büchlein. Man darf darum ohne. bedenken annehmen, dass dies streitgedicht und der Erec einander zeitlich sehr nahe stehen. Daran zweifelt man jetzt auch nicht mehr (Piquet ausgenommen).

Als eine rein weltliche erzählung muss man auch den Iwein mit unter die frühsten dichtungen rechnen, die im Gregor verurteilt werden. Man tat das zunächst nicht. Naumann bleibt trotz der Gregoreinleitung bei Lachmanns ansatz und hält ihn für das letzte werk unseres dichters.

Tut man das, dann kann man Hartmanns worte in jener einleitung nur als vorübergehende stimmung auffassen, die später einer milderen und freieren denkweise weicht. So Paul, der in der einleitung zu seiner kleinen ausgabe auf Rudolf von Ems hinweist. Zu widerlegen ist diese ansicht nicht, ausser durch den positiven nachweis der wirklichen chronologie. Dennoch aber liegt sie gewis nicht zunächst. Gerade die worte einl. v. 50 und si niht wider niuwet sprechen doch dafür, dass der dichter dauernd auf rein weltliche poesie verzichten will. Jedenfalls muss man den Iwein dann vor den Gregor setzen, wenn irgend welche andern gründe von belang dafür entdeckt werden können. Solche sind m. e. vorhanden. Schönbach macht auf die stelle Iw. 6574 ff. aufmerksam. Sie lautet:

swer daz nû vür ein wunder
iemer ime selben sagt
daz im ein unsippiu magt
nahtes alsô nâhten lac

mit der er anders niht enpflac,
dern weiz niht daz ein biderbe man
sich alles des enthalten kan
des er sich enthalten wil.

Sie fehlt bei Chrestien. Der zusatz zeigt das sittliche selbstgefühl des dichters. Mit recht behauptet nun Schönbach, dass der dichter nach dem Gregor keinen so stolzen ausspruch gewagt hätte (s. 458) und darum der Iwein nicht wol nach dem Gregor angesetzt werden könne.

Es kommen hinzu die inhaltsbeziehungen der werke. Erec und Iwein verherrlichen rittertum und minne. Gregor und A. H. sind geistlichen charakters, 1) eine gruppierung, auf die ich H. v. A. s. 107 f. hingewiesen und in ihrer bedeutung für die chronologie gewürdigt habe. Schönbach nimmt sie an, und neuerdings hat auch Piquet seine auffassung von Hartmanns entwicklung ganz darauf gegründet. Man bedenke dazu, dass Hartmann den Iwein Chrestiens schon für seinen Erec benutzt (Schönbach s. 458): offenbar beschäftigte er sich in seiner ersten periode eingehend mit den dichtungen dieses meisters, bis er dann später durch innere erlebnisse zu einer andern weise des dichtens getrieben wurde.

1) Wackernagel stellt sie Lit. 12, 208 ff. der anlage seiner literaturgeschichte nach auch zusammen. Aber er hält diese stoffliche zusammengehörigkeit nicht zugleich für eine zeitliche. Auf eine chronologie verzichtet er ausdrücklich. Vgl. Wackernagel-Toischer, Arm. H. s. 18 f.

Nun meint man freilich, der Iwein falle nach dem A. H., weil wie Naumann a. a. o. s. 43 behauptet, die verse des A. H. 1-28 zu den ähnlichen versen Iw. 21-30 im verhältnis des originals zur nachbildung stünden. Aber das wird von Naumann nur behauptet, nicht bewiesen. Benecke (zu v. 22) führt allerdings dafür einen grund an, freilich einen etwas sonderbaren: die verse des A. H. seien freier und leichter, die stelle also ursprünglicher und älter. Näher liegt doch die annahme, dass Hartmann im A. H. die etwas unbeholfene periode des Iwein widerholend zerlegt und dadurch die stelle verbessert habe. Mir scheint die einleitung des A. H. jünger als die des Iwein. Sie verrät deutlich den einfluss der stimmung die den Gregor beherscht. Im Iwein dichtet Hartmann, wenn er seine zeit nicht nützlicher anwenden kann, im A. H., um schwer drückende zeit andern leichter zu machen (vgl. auch San Marte bei Haupt, A. H. S. XVIII). Dort schreibt er nur, weil er weiss, dass die leute es gern hören: hier in erster linie um gott zu ehren (wie den Gregor), dann auch den leuten zu liebe. Also durchweg im A. H. eine viel ernstere auffassung seiner kunst (vgl. H. v. A. s. 54 fussn. 2). Dazu kommt, dass die stelle im A. H. weit leichter und lesbarer ist als die im Iwein, wie schon Benecke anmerkt. Das spricht für spätere abfassung, wie oben gesagt.

Es tritt noch eins hinzu. Hartmann nennt und charakterisiert sich in seinen werken absichtlich, und zwar gleich in der einleitung. So im I. büchl. v. 29, Iwein v. 28 und Gregor v. 173. Aber an diesen drei stellen steht das persönliche mit dem namen immer am schluss der einleitung, unmittelbar vor beginn des eigentlichen inhalts. Hier im A. H. stehen diese angaben voran, am beginne der einleitung. Ausserdem folgt v. 18 noch ein grund für diese gewohnheit: er möchte sich die fürbitte des lesers oder hörers sichern. In den andern werken wird nie ein solcher grund angegeben. Diese besondere anlage der einleitung des A. H. ist natürlich beabsichtigt; sie ist wahrscheinlich die antwort auf irgend welche bemerkungen die sich jemand über Hartmanns gewohnheit, insbesondere über die hervorhebung seiner gelehrsamkeit (im Iwein) bez. deren hervortreten (im Gregor) erlaubt hat. Ohne zweifel nimmt Hartmann in ihr absichtlich auf den Iwein bezug und widerholt die

selbstcharakteristik aus opposition ausführlich und zwar am anfang des ganzen. Zugleich lehnt er den vorwurf der eitelkeit indirect durch v. 18 ab.

Ist diese beurteilung der einleitung richtig, dann folgt auch daraus, dass der A. H. das letzte werk des Auers ist.

Man fragt: wer ist derjenige dem Hartmann opposition macht? Man denkt zunächst an Wolfram. Wie Hartmann im Iwein seine gelehrsamkeit betont, so betont Wolfram im Parz. 115,25 ff. und Wh. 2, 19 ff., dass ihm diu buoch fremd seien. Das bedeutet, er habe die gelehrte (lateinische, schulmässige) bildung nicht genossen. Es bedeutet nicht, wie man vielfach glaubt, er habe überhaupt keine bildung und könne weder lesen noch schreiben. Im Willehalm liegt das zu. tage. Es handelt sich dort um den gegensatz der ansichten und kenntnisse die das natürliche denken (sin) und wissenschaftliches studium der gelehrten kirchlichen literatur (der buoche) gibt. Aber auch im Parzival ist es nicht anders. Man scheint zu glauben, v. 115,28 bedeute 'damit (sc. mit der versicherung ihrer gelehrten bildung) fangen viele ihre werke an'. In diesen worten spürt man dann einen seitenhieb auf Hartmanns einleitungen, bes. die des Arm. Heinr. Diese erklärung halte ich nicht für zulässig. Erstens passt das genuoge nicht (auch nicht wenn man es als übertreibende verallgemeinerung nimmt), falls bloss Hartmann gemeint ist. Ferner heisst urhap nemen nicht 'anheben etwas zu tun' sondern entspringen, seinen ursprung nehmen', also 'anheben zu sein'. Vgl. die beispiele bei Lexer. Genuoge kann darum hier nur auf aventiuren gehen. Also: 'wer die fortsetzung wünscht, der betrachte meine erzählung nicht als ein gelehrtes werk: von gelehrtem wesen verstehe ich auch nicht einen buchstaben (buoch stap in einer durch das voraufgehende buoch humoristisch gefärbten bedeutung). Viele aventiuren haben ja freilich dort (in der gelehrsamkeit) ihren ursprung: diese hier dagegen geht ohne beihilfe der gelehrsamkeit ihren weg'. Wolfram will also hier offenbar die meinung abwehren, als habe der inhalt seines werkes in letzter instanz einen gelehrten, lateinischen ursprung oder solle mit gelehrsamkeit abgehandelt werden. Man konnte das denken, da er in den ersten zwei büchern scheinbar geschichte des hauses Anjou erzählt. Aventiuren deren ursprung

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