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ist es erst wider, der in seinem frauenmonologe (39, 11) mit anschaulicher situationsmalerei die begebenheit ruhig erzählt. Damit verbindet er freilich in wunderbar kunstvoller weise die errungenschaft der späteren lyrik, die entwickelung des gefühls, wie sich es bald mächtig erhebt, bald wider sich beschwichtigend in ruhige bahnen zurücklenkt. - Ist nun auf grund jener kriterien eine anlehnung des altheimischen minnesanges an die epik nicht zu verkennen, so geht doch Brachmann a. a. o. s. 451 zu weit, wenn er sagt: 'so betrachten wir also die frauenstrophen als eine dem epos glücklich entlehnte form'. Denn das selbstgespräch lässt sich durchaus nicht, so viel ich sehe, aus vorangegangenen epischen monologen ableiten. Aber wenn sich auch wirklich solche in den epen fänden, so wäre das nur ein neues argument für die behauptung der priorität der lyrik vor der epik. Denn das selbstgespräch ist doch nur in einem lyrisch gehaltenen gedichte denkbar. Natürlich kann diese art der lyrik von der epik beeinflusst werden, zumal da die epik zuerst schriftliche fixierung fand. Anders steht es mit den sogenannten wechseln in der lyrik. Diese veranschaulichen einen auftrag und gegenauftrag an den boten, welcher den vermittler zwischen den beiden liebenden spielt, und das ist ein motiv, das schon in den alten epischen dichtungen sich findet (z. b. Rother v. 1926 ff.).

Aehnliche anschauungen und gedanken

im liebesleben.

Veld. En. 10067* u. ö.
Reinm. 192,* 29 u. ö.

1) Die liebe ist etwas seltsam - wunderbares: Eilh. 2495.* Veld. En. 10065,* vgl. Herb. v. Fritzlar 856.* Haus. 53, 15. 52, 17. Walth. 83, 3 u. ö.; 2) man hat vorher ähnliches nie kennen gelernt: Eilh. 2493,* vgl. 2458.* Haus. 54, 3.* 42, 12 u. ö. Rugge 102, 1. Walth. 109, 12; 3) man ist immer in gedanken mit dem geliebten gegenstand beschäftigt: Eilh. 2568.* 2606. Veld. En. 1344. Haus. 46, 15 u. ö. Rugge 99, 36. Joh. 88, 4; - 4) auf die umgebung achtet man nicht: Veld. En. 10459.* Reinm. 163, 19. Walth. 41, 37; 5) man fragt nach dem natürlichen grunde der liebe: Eilh. 2412.* 2439.* 2456* (?). 2552.* Veld. En. 10173.* 10129.* 10228.* Haus. 46, 18. Reinm. 163, 32. Mor. 136, 1; 6) man hat den mut nicht, die liebe zu gestehen: Eilh. 2588.*

Veld. En. 10413.* Reinm. 153, 25 ff. 164, 21. Mor. 136, 14. 135, 32; 7) und doch ist die liebe zum geliebten einzig in ihrer art: Eilh. 2523*. Veld. En. 10104.* Haus. 54, 30.* Reinm. 190, 34. Walth. 49, 29; 8) das bekennen der liebe steigert sich zur liebesversicherung und zum schwur 1): Eilh. 1416. Walth. 74, 4. Joh. 87, 35; - 9) der einfluss anderer kann nicht die liebe mindern: Eilh. 5280. 1394. Haus. 54, 28.* Hartm. 216, 8.* Walth. 119, 5; 10) oft liebt man aber unglücklich: Eilh. 2552.* Veld. En. 10400.* 10735. Haus. 52, 19.2) 53, 12. Gutb. 77, 4. Fenis 81, 9. Reinm. 153, 1. Hartm. 207, 5. Mor. 130, 1. Walth. 50, 19. 71,31. 57, 17; 11) die pein überschreitet jedes mass: Eilh. 2510.*. Reinm. 186, 20*; 12) man liebt eigentlich wider seinen willen, ist aber doch auch wider zufrieden: Eilh. 2564* ff. 2572.* Veld. En. 10168.* 10240.* 10174.* Haus. 54, 23.* 51, 3. Reinm. 187, 11.* 186, 37*; 13) die hoffnung auf endliche gewährung beseelt den liebenden: Eilh. 2593*. Veld. En. 10360.* Haus. 45, 32. Gutb. 76, 34. Rugge 104, 33. Hartm. 208, 33. Mor. 125, 30. Walth. 92, 9; 14) denn der dienst fordert lohn: Eilh. 2522*. Joh. 86, 9. Horh. 114, 18. Haus. 45, 23. 54, 21. Bligger 118, 24. Rugge 104, 19. Walth. 120, 22; 15) oft setzt der liebende seine ehre aufs spiel3): Eilh. 2528.* 2586. Veld. En. 10425.* Haus. 54, 15.* Reinm. 186, 26.* 192, 38.* Hartm. 216, 19.* 205, 25. Walth. 114, 10*; — 16) weltliche ehre aber und guter ruf gelten viel und rufen die erste liebesregung hervor: Eilh. 2427.* Haus. 54, 37* ff. 44, 1. Reinm. 200, 7*. 200, 13. Walth. 114, 17* (vgl. Lehfeld a. a. o. s. 389). Die Deutschen legten auf dieses zeugnis grösseres gewicht als die Romanen (Wilmanns, Leben Walthers s. 1034)).

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1) Wenngleich liebesschwüre im ganzen minnesange vorkommen (s. Wilmanns, Leben Walthers s. 356. 152), so findet man doch keine, die so ähnlich wären: ê wolde ich die helle bûwen êwigliche: die helle müeze mir gezemen: got vor der helle niemer mich bewar.

2) Es ist bemerkenswert, dass dieses motiv der unglücklichen liebe erst mit Hausen in den minnesang eintritt. Die epen waren aber schon darin vorangegangen.

8) In diesem conflict zwischen liebe und ehre siegt in den monologen Eilharts, Veldekes, Hausens, Hartmanns (216, 9), Walthers (114,* 23) die liebe, dagegen behält in den frauenliedern Reinmars die rücksicht auf die ehre die oberhand, vgl. 178,* 28. 187,* 29.

4) Sonst stimmen in dem preise des geliebten die epischen und lyri

Ich stehe am schlusse. Eine beeinflussung der späteren lyriker durch die ersten höfischen epen Eilharts und Veldekes und namentlich eine nachahmung der epischen frauenmonologe Isaldens und Lavinias von seiten Hausens, Reinmars, Hartmanns, Walthers scheint mir sicher zu stehen. Denn die übereinstimmungen nach inhalt und form sind zu gross und zu zahlreich, als dass sie lediglich durch die gleiche situation hätten hervorgerufen werden können.

Freilich ist aber auch andererseits eine tiefgehende verschiedenheit in den monologen nicht zu verkennen, welche der ähnlichkeit denn doch gewisse grenzen steckt. Denn in den epen sind es die frauen, welche liebe heischen von dem zurückhaltenden, oft gleichgültigen mann, und das ist ein zug der an die ältere lyrik erinnert.')

schen dichter nicht überein. Bei Eilhart ist es die bewährung Tristrants im kampfe, welche Isalde vor allen anderen vorzügen hervorhebt (v. 2418: he ist ein vil kûner degin, daz hât he dicke schîn getân. he tar wol eine bestân swaz ein helt tûn sol). Die czechische übersetzung und die prosaauflösung gehen in der ausmalung der kampftüchtigkeit noch weiter: das ist also sicherlich ein ursprünglicher zug in der fassung des gedichtes und zeigt noch die verwantschaft mit den anschauungen des älteren volkstümlichen epos. Darauf deuten schon die ausdrücke für den geliebten: helt, kûner degen, guoter kneht hin (vgl. Lichtenstein s. CL-CLXXIV. Kettner, Die österreichische Nibelungendichtung s. 19 ff.). Schon bei Veldeke aber schwindet die vorstellung von einem streitbaren helden, obgleich sie doch bei dem stoffe der Eneide viel eher erwartet werden konnte als in dem liebesepos Tristrant. In der Eneide wird immer nur auf die stattlichkeit und schönheit des mannes gewicht gelegt: v. 10102* wie wart er ie sô wale gedân, sin houvet end al sin lif. Aeneas selbst wird hêre, rike, lussam, edel genannt, nur selten noch helt und degen, jedenfalls gedenkt die geliebte niemals seiner waffentaten (vgl. die lobpreisungen Didos v. 1544 ff.). Aeneas tritt auch in Veldekes dichtung überall als breiter redner auf, andere lässt er für sich handeln' (Goedeke, Grundriss s. 80). In den minneliedern endlich wird häufiger der bezaubernden rede des ritters gedacht. Das wird wol mit der gesellschaftlichen vorschrift in verbindung gebracht werden müssen, wonach kein böses wort gegen die frauen über die lippen gebracht werden durfte, sondern es sitte war, in zierlichen worten der frauen loblied zu singen, vgl. Haus. 55, 21.* Reinm. 187, 15. 187, 21. 25. 193,* 5. Hartm. 213,* 15. Walth. 44, 1.

1) Auch sonst finden sich in den epen anlehnungen an die alte lyrik. Eilh. 6610 f. scheint eine etwas scherzhaft gewendete paraphrase des unter Dietmar von Eist stehenden ältesten frauenliedes zu sein (37,4): dô sprach die vrauwe âne nît | zu den vogelin die dâ sungin: | ir hât michel wunne |

In den frauenliedern des höfischen minnesanges dagegen finden wir das verhältnis der geschlechter umgekehrt: schon Veldeke, der sonst durch die einstrophigkeit seines monologes und durch die epische formel an die altheimische dichtung sich anlehnt, zeigt einen ganz neuen inhalt: denn hier tritt uns zum ersten male eine spröde dame entgegen, welche dem ritter auf sein werben erwidert, er könne mit ihrem blick zufrieden sein, oder einen verstoss gegen die höfische sitte mit einer langen ungnade vergilt.') Und vollends in den frauenliedern Hausens und der übrigen erscheint die frau vorsichtig und zurückhaltend gegenüber dem drängen des liebeglühenden mannes. Daher erklären sich auch die anklänge unter den lyrikern selbst, die in den epen keine parallelen aufweisen, weil das verhältnis fehlt, welches jene voraussetzen, vgl. Haus. 54,* 21 lâze ab ich in ungewert, daz ist ein lôn, der guotem manne nie geschach Walth. 113,* 34. Reinm. 193,* 19. Haus. 54,* 19 owê tœte ich des er gert = Joh. 94,* 8.

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Aber noch eine dritte seite dieses literarhistorischen problems ist einer untersuchung wert. Das ist die abhängigkeit der frauenlieder der späteren epik von denen der höfischen lyrik. In dem Moritz v. Crâon erinnert der monolog der gräfin (v. 1270) solt ich in des ungelônet lân u. s. w. an die worte Hausens 54, 21 lâz ab ich in ungewert, daz ist ein lôn, der guotem manne nie geschach. In dem monologe der Blanscheflur in dem Tristan Gottfrieds v. Strassburg muss z. b. die wendung (v. 989) dá von ich hân erworben náhe gêndiu leit unzweifelhaft von den lyrikern übernommen sein, denn bei diesen tritt sie zuerst auf; v. 972 seneliche arbeit weist auf Hausens senede

mit manchir hande stimmen: | ich gebe ûch dorch minne | zwelf guldín boige gút | daz ir mir zu libe tût | und vliget mit mir hinnen. Hier wie dort die anrede an einen vogel, hier wie dort der vergleich zwischen der eigenen unfreiheit und der fröhlichen ungebundenheit der leichtbeschwingten bewohner der luft. Veld. En. 11082: of al die werelt wâre min, so engewonne ich niemer ander wif MF. 3,7: wær diu werelt alliu mîn. Uebrigens auch Mor. v. Crâon 592: du bist mîn unde ich bin dîn MF. 3, 3.

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1) Freilich findet sich auch für dieses auftreten der frau eine auffallende parallele bei Eilhart: Gymele weist den rohen, stürmisch begehrenden Kehenis mit einem vorwurf zurück: v. 6680 ff. jâ sêt ir wol daz ich nicht bin eine gebûrinne, der an Veld. MF. 57, 30 erinnert.

arbeit (54,* 2), v. 1015 waz wize ich aber dem guoten man, er ist hie lihte unschuldec an enthält den gleichen gedanken wie Hartm. 213,* 19. Die verse 1043 ff. mîn tumber meisterlôser muot der ist der mir dâ leide tuot rufen uns das erste lied Veldekes (MF. 56, 1) und ähnliche aussprüche der lyriker ins gedächtnis.

LANGENSALZA, october 1898.

ERNST LESSER.

AGS. HNESCE.

Während der i-umlaut von a vor sc im ags. sonst stets a ist (æsc esche, ræsc blitz, dwæscan ersticken, vgl. meine Ags. gr.3 § 89, 2), wird hnesce, dem man auch gemeinhin ein umlauts-e zuschreibt, ebenso consequent mit e geschrieben (auch Sal. und Sat. 286 hat die überlieferung hnesce, nicht hnæsce). Schon hieran dürfte die beliebte directe gleichsetzung mit got. hnasqus scheitern. Erwägt man dazu die formen north. nom. (h)nesc L Mt. 24, 32. Mc. 13, 28, hnisca R2 Mc. 13, 28, dazu zehnis(c)tun mollierunt Vesp. Ps. 54, 22 (spätws. Inysce in glossen ist dagegen vielleicht kenticismus), so wird man gezwungen sein, jenes hnesce vielmehr als eine mischform von hnëse und *hnisce zu einem mit got. hnasqus im ablaut stehenden st. *hnësqu- aufzufassen.

LEIPZIG-GOHLIS, 20. märz 1899.

E. SIEVERS.

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