Ich stehe am schlusse. Eine beeinflussung der späteren lyriker durch die ersten höfischen epen Eilharts und Veldekes und namentlich eine nachahmung der epischen frauenmonologe Isaldens und Lavinias von seiten Hausens, Reinmars, Hartmanns, Walthers scheint mir sicher zu stehen. Denn die übereinstimmungen nach inhalt und form sind zu gross und zu zahlreich, als dass sie lediglich durch die gleiche situation hätten hervorgerufen werden können. Freilich ist aber auch andererseits eine tiefgehende verschiedenheit in den monologen nicht zu verkennen, welche der ähnlichkeit denn doch gewisse grenzen steckt. Denn in den epen sind es die frauen, welche liebe heischen von dem zurückhaltenden, oft gleichgültigen mann, und das ist ein zug der an die ältere lyrik erinnert.') schen dichter nicht überein. Bei Eilhart ist es die bewährung Tristrants im kampfe, welche Isalde vor allen anderen vorzügen hervorhebt (v. 2418: he ist ein vil kûner degin, daz hât he dicke schin getân. he tar wol eine bestan swaz ein helt tûn sol). Die czechische übersetzung und die prosaauflösung gehen in der ausmalung der kampftüchtigkeit noch weiter: das ist also sicherlich ein ursprünglicher zug in der fassung des gedichtes und zeigt noch die verwantschaft mit den anschauungen des älteren volkstümlichen epos. Darauf deuten schon die ausdrücke für den geliebten: helt, kûner degen, guoter kneht hin (vgl. Lichtenstein s. CL-CLXXIV. Kettner, Die Österreichische Nibelungendichtung s. 19 ff.). Schon bei Veldeke aber schwindet die vorstellung von einem streitbaren helden, obgleich sie doch bei dem stoffe der Eneide viel eher erwartet werden konnte als in dem liebesepos Tristrant. In der Eneide wird immer nur auf die stattlichkeit und schönheit des mannes gewicht gelegt: v. 10102* wie wart er ie sô wale gedân, sin houvet end al sin lif. Aeneas selbst wird here, rike, lussam, edel genannt, nur selten noch helt und degen, jedenfalls gedenkt die geliebte niemals seiner waffentaten (vgl. die lobpreisungen Didos v. 1544 ff.). Aeneas tritt auch in Veldekes dichtung überall als breiter redner auf, andere lässt er für sich handeln' (Goedeke, Grundriss s. 80). In den minneliedern endlich wird häufiger der bezaubernden rede des ritters gedacht. Das wird wol mit der gesellschaftlichen vorschrift in verbindung gebracht werden müssen, wonach kein böses wort gegen die frauen über die lippen gebracht werden durfte, sondern es sitte war, in zierlichen worten der frauen loblied zu singen, vgl. Haus. 55, 21.* Reinm. 187, 15. 187, 21. 25. 193,* 5. Hartm. 213,* 15. Walth. 44, 1. 1) Auch sonst finden sich in den epen anlehnungen an die alte lyrik. Eilh. 6610 f. scheint eine etwas scherzhaft gewendete paraphrase des unter Dietmar von Eist stehenden ältesten frauenliedes zu sein (37,4): dô sprach die vrauwe âne nît | zu den vogelin die dû sungin: | ir hât michel wunne | In den frauenliedern des höfischen minnesanges dagegen finden wir das verhältnis der geschlechter umgekehrt: schon Veldeke, der sonst durch die einstrophigkeit seines monologes und durch die epische formel an die altheimische dichtung sich anlehnt, zeigt einen ganz neuen inhalt: denn hier tritt uns zum ersten male eine spröde dame entgegen, welche dem ritter auf sein werben erwidert, er könne mit ihrem blick zufrieden sein, oder einen verstoss gegen die höfische sitte mit einer langen ungnade vergilt.) Und vollends in den frauenliedern Hausens und der übrigen erscheint die frau vorsichtig und zurückhaltend gegenüber dem drängen des liebeglühenden mannes. Daher erklären sich auch die anklänge unter den lyrikern selbst, die in den epen keine parallelen aufweisen, weil das verhältnis fehlt, welches jene voraussetzen, vgl. Haus. 54,* 21 lâze ab ich in ungewert, daz ist ein lôn, der guotem manne nie geschach Walth. 113,* 34. Reinm. 193,* 19. Haus. 54,* 19 owê tæte ich des er gert Joh. 94,* 8. Aber noch eine dritte seite dieses literarhistorischen problems ist einer untersuchung wert. Das ist die abhängigkeit der frauenlieder der späteren epik von denen der höfischen lyrik. In dem Moritz v. Crâon erinnert der monolog der gräfin (v. 1270) solt ich in des ungelônet lán u. s. w. an die worte Hausens 54, 21 lâz ab ich in ungewert, daz ist ein lón, der guotem manne nie geschach. In dem monologe der Blanscheflur in dem Tristan Gottfrieds v. Strassburg muss z. b. die wendung (v. 989) dá von ich hân erworben náhe gêndiu leit unzweifelhaft von den lyrikern übernommen sein, denn bei diesen tritt sie zuerst auf; v. 972 seneliche arbeit weist auf Hausens senede mit manchir hande stimmen: | ich gebe ûch dorch minne | zwelf guldín boige gút | daz ir mir zu líbe tût | und vliget mit mir hinnen. Hier wie dort die anrede an einen vogel, hier wie dort der vergleich zwischen der eigenen unfreiheit und der fröhlichen ungebundenheit der leicht beschwingten bewohner der luft. Veld. En. 11082: of al die werelt wâre min, so engewonne ich niemer ander wif MF. 3,7: war diu werelt alliu min. Uebrigens auch Mor. v. Crâon 592: du bist mîn unde ich bin dîn MF. 3, 3. 1) Freilich findet sich auch für dieses auftreten der frau eine auffallende parallele bei Eilhart: Gymele weist den rohen, stürmisch begehrenden Kehenis mit einem vorwurf zurück: v. 6680 ff. jâ sêt ir wol daz ich nicht bin eine gebûrinne, der an Veld. MF. 57, 30 erinnert. arbeit (54,* 2), v. 1015 waz wize ich aber dem guoten man, er ist hie lihte unschuldec an enthält den gleichen gedanken wie Hartm. 213,* 19. Die verse 1043 ff. min tumber meisterloser muot der ist der mir dâ leide tuot rufen uns das erste lied Veldekes (MF. 56, 1) und ähnliche aussprüche der lyriker ins gedächtnis. LANGENSALZA, october 1898. ERNST LESSER. AGS. HNESCE. Während der i-umlaut von a vor sc im ags. sonst stets a ist (æsc esche, ræsc blitz, duæscan ersticken, vgl. meine Ags. gr.3 § 89, 2), wird hnesce, dem man auch gemeinhin ein umlauts-e zuschreibt, ebenso consequent mit e geschrieben (auch Sal. und Sat. 286 hat die überlieferung hnesce, nicht hnæsce). Schon hieran dürfte die beliebte directe gleichsetzung mit got. hnasqus scheitern. Erwägt man dazu die formen north. nom. (h)nesc L Mt. 24, 32. Mc. 13, 28, hnisca R2 Mc. 13, 28, dazu zehnis(c)tun mollierunt Vesp. Ps. 54, 22 (spätws. Inysce in glossen ist dagegen vielleicht kenticismus), so wird man gezwungen sein, jenes hnesce vielmehr als eine mischform von hnëse und *hnisce zu einem mit got. hnasqus im ablaut stehenden st. *hnësqu- aufzufassen. LEIPZIG-GOHLIS, 20. märz 1899. E. SIEVERS. TEXTKRITISCHE BEMERKUNGEN. 1. Zum Erec. V. 2079. Hs. der höret alter zelen, Haupt und Bech der alter hæret zellen. Der fehler der hs. ist eher erklärlich aus ursprünglichem dá hæret alter zellen! 'da hört von alter erzählen!' V. 2302. Hs. vnd nyeman dem erennen geleich, Haupt und Bech und niender dem erren glich. Beim ersten und dritten schilde wird die farbe des äussern, der mouwe und des innern (innen v. 2295 und 2305) beschrieben. Demnach ist statt nyeman v.2302 ebenfalls innen zu lesen und die interpunction zu ändern: Nach der lesung von Haupt und Bech fehlt hier, bei der beschreibung des zweiten schildes, eine angabe über die farbe der innenseite ganz. V. 6231. Hs. für schaden der euch wenig frumb ist. Die bisherigen besserungsversuche verzeichnet Bechstein, Germ. 25, 319 (nachzutragen ist Bechs vorschlag in der anmerkung seiner ersten und zweiten auflage der wæne ich frum für schaden ist) und fügt noch einen eigenen hinzu. Die einfachste änderung ist: ditz ist der schoniste list für schaden der iu wæn ich (oder wæn) frum ist daz man sichs getræste enzît 'das ist die schönste kunst gegen einen schaden der euch dass man's bei zeiten verschmerzt'. Der tod Erecs sei für Enite ein glück, denn nun will er, der mächtige graf Oringles, sie heiraten! Die vorlage der hs. mochte wenih gehabt haben, vgl. die lesarten zu Iwein v. 8157. = V. 6570. Hs. sy stund im vil verre, Haupt si stuont von im unverre, Bech si schunt in vil verre, Bechstein nimmt Germ. 25, 325 die lesart der hs. wider auf und übersetzt 'sie leistete ihm energischen (vil verre) widerstand'. Die lesart der hs. gibt allerdings einen guten sinn, aber einen andern als Bechstein übersetzt. Verre stân heisst 'hoch im werte stehen, teuer sein, teuer zu stehen kommen' tiure, hôhe stân. Hartmann gebraucht es selbst Iwein 4316 so stüendez iuch ze verre, vgl. dazu Beneckes anmerkung und sein wb. zum Iwein unter verre. Ausserdem begegnet verre stân mehrfach in dem gedicht von der hochzeit, vgl. Kraus, Vom rechte und die hochzeit s. 120. Der sinn ist also 'sie kam ihm teuer zu stehen, sie gieng nicht so leichten kaufs auf sein verlangen ein'. Das gegenteil von verre stán ist náhe stân 'wolfeil sein'. Nâhe 'billig, wolfeil' hat Bech, Germ. 17, 296 in vielen belegen nachgewiesen, vgl. ferner für Hartmanns sprachgebrauch die im Mhd. wb. 22, 574b verzeichneten stellen Erec 968 f. só stüende iuch ze ringe iuwer fürgedinge, 6108 ez sol dich niht so ringe stân, I. büchl. 438 f. ob dich min smerze iedoch so gar vergebene stê. Die person der etwas billig oder teuer zu stehen kommt, steht im acc. oder im dat. verre und tiure sind ausser in diesem falle auch sonst synonyma, z. b. verre biten Erec 3524. 4757. 4943. Iwein 5128. 5459. 8131 var., und tiure biten Iwein 6859; verre beswern A.Heinr. 1073, und tiure beswern ebda. 1104, tiure swern Iwein 5740; verre manen Erec 4558. Iwein 4853. 6050. 6836. 8131, und diu tiure manunge Iwein 4862; verre begrifen Erec 9490 und Iwein lesarten 8131 = 'hoch und teuer beschwören'; verre bevelhen Tristan 1894 und tiure bevelhen ebda. 11474. V.6652. Haupt und Bech folgen im texte der hs., indem sie dicke fliuhet grôzen schal aufnehmen, in der anmerkung stellt Bech die feinsinnige conjectur gruozesal für grôzen schal auf und Haupt (2. ausgabe) hält diese vermutung für nicht unwahrscheinlich. Trotzdem hat die hs. diesmal das richtige bewahrt, denn v. 6862 ff. wird eine ähnliche situation, wie die hier vorausgesetzte, geschildert: Erec, mit Enite im wald |