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TEXTKRITISCHE BEMERKUNGEN.

1. Zum Erec.

V. 2079. Hs. der höret alter zelen, Haupt und Bech der alter hæret zellen. Der fehler der hs. ist eher erklärlich aus ursprünglichem dá hæret alter zellen! 'da hört von alter erzählen!'

V. 2302. Hs. vnd nyeman dem erennen geleich, Haupt und Bech und niender dem erren glich. Beim ersten und dritten schilde wird die farbe des äussern, der mouwe und des innern (innen v. 2295 und 2305) beschrieben. Demnach ist statt nyeman v.2302 ebenfalls innen zu lesen und die interpunction zu ändern: v. 2296 der ander von zinober rôt

dar ûf er slahen gebôt

ein mouwen von silber wîz

(diu was geworht in solhen vlîz

daz man sie sô kurzer stunde
niht baz erzingen kunde)

und innen dem erren glich.

Nach der lesung von Haupt und Bech fehlt hier, bei der beschreibung des zweiten schildes, eine angabe über die farbe der innenseite ganz.

V. 6231. Hs. für schaden der euch wenig frumb ist. Die bisherigen besserungsversuche verzeichnet Bechstein, Germ. 25, 319 (nachzutragen ist Bechs vorschlag in der anmerkung seiner ersten und zweiten auflage der wæne ich frum für schaden ist) und fügt noch einen eigenen hinzu. Die einfachste änderung ist:

ditz ist der schoniste list

für schaden Ider iu wæn ich
(oder wæn) frum ist

daz man sichs getræste enzît

'das ist die schönste kunst gegen einen schaden
(nebenbei gesagt), wie ich meine, zu nutzen kommt

der euch dass

man's bei zeiten verschmerzt'. Der tod Erecs sei für Enite ein glück, denn nun will er, der mächtige graf Oringles, sie heiraten! Die vorlage der hs. mochte wenih gehabt haben, vgl. die lesarten zu Iwein v. 8157.

V. 6570. Hs. sy stund im vil verre, Haupt si stuont von im unverre, Bech si schunt in vil verre, Bechstein nimmt Germ. 25, 325 die lesart der hs. wider auf und übersetzt 'sie leistete ihm energischen (vil verre) widerstand'. Die lesart der hs. gibt allerdings einen guten sinn, aber einen andern als Bechstein übersetzt. Verre stân heisst 'hoch im werte stehen, teuer sein, teuer zu stehen kommen' tiure, hôhe stân. Hartmann gebraucht es selbst Iwein 4316 só stüendez iuch ze verre, vgl. dazu Beneckes anmerkung und sein wb. zum Iwein unter verre. Ausserdem begegnet verre stân mehrfach in dem gedicht von der hochzeit, vgl. Kraus, Vom rechte und die hochzeit s. 120. Der sinn ist also 'sie kam ihm teuer zu stehen, sie gieng nicht so leichten kaufs auf sein verlangen ein'. Das gegenteil von verre stán ist náhe stân 'wolfeil sein'. Nâhe='billig, wolfeil' hat Bech, Germ. 17, 296 in vielen belegen nachgewiesen, vgl. ferner für Hartmanns sprachgebrauch die im Mhd. wb. 22, 574b verzeichneten stellen Erec 968 f. so stüende iuch ze ringe iuwer fürgedinge, 6108 ez sol dich niht số ringe stân, I. büchl. 438 f. ob dich min smerze iedoch so gar vergebene stê. Die person der etwas billig oder teuer zu stehen kommt, steht im acc. oder im dat. verre und tiure sind ausser in diesem falle auch sonst synonyma, z. b. verre biten Erec 3524. 4757. 4943. Iwein 5128. 5459. 8131 var., und tiure biten Iwein 6859; verre beswern A.Heinr. 1073, und tiure beswern ebda. 1104, tiure swern Iwein 5740; verre manen Erec 4558. Iwein 4853. 6050. 6836. 8131, und diu tiure manunge Iwein 4862; verre begrifen Erec 9490 und Iwein lesarten 8131='hoch und teuer beschwören'; verre bevelhen Tristan 1894 und tiure bevelhen ebda. 11474.

V.6652. Haupt und Bech folgen im texte der hs., indem sie dicke fliuhet grozen schal aufnehmen, in der anmerkung stellt Bech die feinsinnige conjectur gruozesal für grôzen schal auf und Haupt (2. ausgabe) hält diese vermutung für nicht unwahrscheinlich. Trotzdem hat die hs. diesmal das richtige bewahrt, denn v. 6862 ff. wird eine ähnliche situation, wie die hier vorausgesetzte, geschildert: Erec, mit Enite im wald

reitend, hört von ferne eine schar gewappneter, denn der schal und der dóz was von den schellen gróz (6876 f.), und findet selbst die lage für gefahrvoll (6879 ff.). Eine solche widerholung gleicher gedanken und gleicher worte in kurzem abstande ist ja eine stilistische ungewantheit Hartmanns.

V.6931 f. ouch wære es der werde

vil wol erlân dâ ze stunt

Haupt; die hs. hat worden statt erlán, weshalb Bechs herstellung (3. aufl.) vil wol worden âne dá ze stunt sich durch engeren anschluss an die überlieferung mehr empfiehlt. Daneben kann auch folgende in betracht gezogen werden: wol über worden dá ze stunt.

V. 7138 ff. Nach Lachmanns correctur von v. 7140 f. geben Haupt und Bech folgenden text:

mit mûre was der selbe kreiz,

als ich iu ze sagen weiz,
gliche endriu gescheiden hin.
daz dritte teil von den drin

hâte rôtwildes gnuoc:

swarzwilt daz ander teil truoc.

in dem dritten teile dâ bî,

fragt ir waz dar inne sî?

u. S. W. Die hs. hat als reimwörter von v. 7140 f. gescheiden: den beiden, wofür Lachmann gescheiden hin: den drin einführte, Ich vermute folgende ursprüngliche fassung von v. 7140-42 gliche endriu gescheiden,

daz dritte teil von den beiden.
einez hâte rôtwildes gnuoc

u. s. w.; d. h. 'mit mauern war dieser kreis in drei gleiche teile geschieden, je der dritte teil von den beiden andern'. Dann folgt die aufzählung der drei teile und ihres wildbestandes, 'ein teil (einez) hatte genug rotwild, der andere teil schwarzwild, in dem dritten teil u. s. w. waren füchse, hasen und dergleichen'. Der fehler der hs. erklärt sich aus solcher gestalt des ursprünglichen textes leicht: der schreiber zog den vers einez hâte rôtwildes gnuoc zum vorhergehenden satze statt zum folgenden, gerade wie Lachmann, dabei war einez sinnlos und wurde von ihm weggelassen. Lachmanns änderung der reime setzt eine viel stärkere abweichung des schreibers von seinem originale voraus, deren grund zudem nicht ersichtlich ist.

2. Zum lwein.

V. 3225 f. Das eigentümliche handschriftenverhältnis, wonach B allein ern hazte, die übrigen hss. ern ahte... ûf haben oder doch voraussetzen, erklärt sich aus der schreibung der urhandschrift bez. einer der frühesten vorlagen: für z war die dem hähnliche über die zeile aufsteigende form gesetzt, und aus einem solchen hazte konnte leicht hahte > ahte verlesen werden. Die verwechslung des langen z und h kommt ja in mhd. hss. häufig genug vor, und es ist deshalb auch nicht auffallend, wenn mehrere schreiber von Iweinhss. unabhängig von einander den fehler begiengen. Pauls annahme (Beitr. 1,374), Hartm. v. 3225 f. ern hazte u.s. w. sei eine übersetzung von Chrest. v. 2790 ne het tant rien u. s. w., wird von Zwierzina in seiner gründlichen erörterung dieser stelle in der Zs. fda. 40, 230 ff. bekämpft. Zwierzina tritt wider für Lachmanns lesung ern ahte ... ûf u. s. w. ein, denn Hartmann folge in dieser ganzen partie schritt für schritt seiner quelle Chrest. V. 2790 ne het tant rien u. s. w. sei also durch Hartm. v. 3221 er verlôs sin selbes hulde widergegeben. Indessen entspricht selbst hier auch nach Zwierzinas vergleichung der text Hartmanns nicht zeile für zeile dem von Chrestien. Denn v. 3227 er stal sich swigende dan ersetzt doch jedenfalls Chrest. v. 2796 d'antre les barons se remue und der folgende vers Hartmanns 3228 daz ersach dâ nieman den übernächsten Chrestiens, v. 2798 et de ce ne se gardoit l'an, erst darauf folgen dann Chrestiens verse 2800 f. bien sevent u. s. w., die aber Z. schon den in frage stehenden versen Hartmanns 3225 f. gleich setzt. Es fällt also dieser grund gegen Pauls parallelstellung von Hartm. v. 3225 f. ern hazte mit Chrest. 2790 ne het tant rien u. s. w. weg.

Bleibt man umgekehrt bei dieser: der gedankengehalt bei beiden stellen deckt sich vollständig, Hartmann sagt nicht mehr und nicht weniger als Chrestien und hazte ist zudem so gut wie wörtliche übersetzung von het. Dagegen bei Zwierzinas parallele, wo Hartmann er verlós sin selbes hulde = Chrest. ne het tant rien com lui meisme und Hartmanns ern ahte weder man noch wip niuwan ûf sîn selbes lip Chrest. bien sevent que de lor parler ne de lor siegle n'a il soing, berühren sich die gedanken nur.

Eine andere erwägung spricht direct gegen Lachmanns text: v. 3201 ff. wird die stimmung Iweins geschildert, er schämt sich vor den leuten (vgl. v. 3204 der slac siner éren, 3207 daz schemeliche ungemach), sie sind ihm lästig, er will sich vor ihnen verbergen. Die gegenwart der menschen ist ihm also keineswegs gleichgültig, sondern sie übt einen höchst bedrückenden einfluss auf ihn aus; dann kann aber nicht wol fünf bis zehn zeilen später gesagt werden ern ahte weder man noch wip.

Demnach, da rein graphisch betrachtet B mit hazte immerhin das ursprüngliche bewahrt haben kann, die wörtliche übereinstimmung mit Chrestien aber und der sinn eher für hazte als für alte sprechen, so wird man doch der lesung von Pfeiffer, Paul, Bech und Henrici den vorzug geben müssen.

3. Zum Armen Heinrich.

V. 225 und 447. Die in beiden hss. A und B (= Ba und Bb) auseinandergehenden lesarten sind erbære A, vriebere B in v.225 bez. manbere A, verbere B in v. 447. Haupt und Bech (3. auf.) setzen dafür beide male érbære, Wackernagel hibære, Scherer schlug vor vriebære 'heiratsfähig, reif zum freien' (Wackernagel-Toischer, anm. zu v. 225), dafür Burdach cribære 'von freier geburt' (Anz. fda. 12, 196 f.); letzterem folgen Paul in seiner zweiten auflage des A. Heinrich, Schönbach, Ueber Hartmann v. Aue s. 140 f., Schulte, Zs. fda. 41, 267. Doch scheint mir auch gegen ribære ein anderes wort, nämlich werbære, den vorzug zu verdienen. In technischer hinsicht lassen sich die entstellungen der hss. aus werbære nicht schwerer begreifen als aus eribære, im gegenteil, die eine lesart von A, erbære, lässt sich leichter mit werbære vereinigen als mit cribære. Werbære ist zusammengesetzt mit diu were 'besitz, gewalt' = diu gewere. Es ist speciell die gewalt des vaters über die unmündigen kinder, des mannes über die frau; auch die hörigen und eigenleute stehen unter dem verfügungsrecht, nämlich ihres herrn. Werbare heisst demnach, wer der väterlichen gewalt oder der eines herren nicht bez. nicht mehr unterworfen ist, der freie handlungsfähigkeit besitzt (zu der rechtsgeschichtlichen bedeutung vgl. Schröder, D. rechtsgesch.1 bes. s. 667 ff. 693 ff. und die daselbst angebene literatur; über Hartmanns

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