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gang von >f im germ. nichts unerhörtes, vgl. pliuhan > fliehen und th>f in englischen mundarten (Storm, Engl. phil. 12,825. Engl. stud. 12, 209). Das nord. kennt übrigens auch einen dissimilatorischen übergang von rd (Noreen § 203). Das von Grimm a. a. o. herangezogene oberhessische ertlich = etlich (ahd. etteslich) ist anders zu beurteilen als erdo. Die heute, wie es scheint, selten gewordene form findet sich als çatlig in mundarten, die auch kğal =‘kehle', šnçal = ‘schnell', kian 'kind(er)' u. s. w. sprechen mit dem nachlaut a hinter vocalen;1) dieses a lautet einem r ähnlich.

Neuerdings hat F. Hartmann in Dieters oben citiertem buch s. 308 eine erklärung von ahd. erdo vorgetragen. Er sagt: 'eigentümlich ist eine art von r-epenthese in kurzer stammsilbe vorbei folgendem r: wirthar, wirdar, wërdar findet sich mehrfach. Nach wërdar scheint dann auch in disjunctiven fragen und sätzen erdo (got. aippau) statt eddo, ëdo sein r bekommen zu haben, wie jedenfalls nhd. oder sein schliessendes r dem weder, entweder verdankt'. Diese erklärung halte ich für unwahrscheinlich, da ich mich der ansicht derer nicht anschliessen kann, die glauben, oder habe sein r von (ent)weder bezogen (s. unten).

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Eine andere eigentümliche form für oder verzeichnet Ph. Lenz, Der Handschuhsheimer dialekt, progr. von Konstanz 1887, s. 10, aus dem pfälzischen; ewer von 'unbekannter herkunft' ist dort seltene nebenform von orer 'oder'. In Remscheid (Beitr. 10, 416. 599) kommt dieselbe form vor (evr), auch in Greiz (ebber, Mitteilungen der geograph. gesellschaft zu Jena 5, 155), jedoch in der bedeutung 'aber'. Und im mittleren. Odenwald begegnet ewer als entsprechung von 'aber' und 'oder'. Holthausens erklärung, wonach e in eer schwächung von a in folge der unbetontheit ist, kann nicht auf das pfälzische und odenwäldische anwendung finden. Es ist also eine andere erklärung zu suchen.

Aber und oder haben sich bekanntlich in den verschiedensten mundarten in ihrer bedeutung beeinflusst, manchmal sogar ihre function geradezu vertauscht.2) Diese erscheinung erklärt

1) Nach den ermittelungen meines freundes Alles in Friedberg i. H. — Ueber a vgl. auch David, Germ. 37, 379.

2) Oder für aber, ower für oder in bayreuth.-fränk. ma. (Bay, maa. 2, 266).

sich nach Behaghel, Deutsche spr. s. 100 daraus, dass die beiden conjunctionen zur bezeichnung des gegensatzes dienen. Zahlreiche nachweise der vermischung bietet Lexer im DWb.1)

Die mundarten nun, die ewer für 'aber', für 'oder', für 'aber oder' aufweisen, sind noch weiter gegangen: sie haben ëd(d)o (mhd. vereinzelt ëde, md. [Lexer 2, 140] nd. eder) und aber contaminiert. Das e von edo ist also in ewer, eber u.s.w. erhalten wie in nnd. edder (Tümpel, Niederd. studien s. 18). Als mischung von aber und oder ist wol auch das in der älteren sprache und auch heute noch hie und da begegnende md. ader2) (teils 'aber', teils = = 'oder') zu betrachten; auch ado in der Exhortatio ad plebem christianam, MSD.3 54, 13, athe 'oder' im Trierer capitulare. Kaum zu bejahen ist die frage, die ein zusatz im neudruck von Grimms Grammatik (3, 264) stellt: 'erklärt sich aus oder aber das provinzielle mhd. ader (= aber)?'

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Ahd. abo, abe (vgl. Seemüllers glossar zu Williram), mhd. abe (Lexer 1, 11, dazu J. Meier, Iolande 18, fussn.) verdankt wol den endvocal dem einfluss von edo, odo, ode. Obir, ober, obe, ob'oder' (vgl. J. Meier und Sievers a. a. o.) zeigen beeinflussung durch aber.

Und schliesslich hat nhd. oder sein r von aber erhalten.3) Die wörterbücher pflegen die wahl zu lassen zwischen 'comparativischer weiterbildung' und einfluss von weder. Die erste erklärung erscheint mir unmöglich, unter einer comparativischen weiterbildung von odo kann ich mir nichts denken. Die zweite ist unwahrscheinlich: oder wird doch gewis öfter in verbindungen wie er oder du gebraucht als mit (ent)weder.

2) Vgl. noch besonders die formen in der Iolande (worauf mich herr geheimrat Behaghel hinweist) bei J. Meier, einl. s. 17 ff., und E. Sievers, Oxforder benedictinerregel, Tübinger decanatsprogr. 1887, einl. s. 9.

1) Damköhler, Germ. 33, 480. Grimm, Gr. 33, 264. Lexer 1, 21. Schweiz. id. 1, 89. 97. J. Meier, Iol. 18.

3) Od noch im jahre 1588 in der Schweiz (Schweiz. id. 1, 97).

DARMSTADT, 3. dec. 1898.

WILHELM HORN.

MISCELLEN.

I. Zu Wolfram.

1. Bei Wolfram finden sich bekanntlich reime wie (ge)stuont kunt, stuonden: kunden, sun tuon, stüende: künde in grosser zahl (s. San Martes Reimregister s. 108. 110 f.). Lachmann schreibt sie, um reine reime herzustellen stuont: kuont, suon tuon u. s. W. Ob mit recht soll unten erörtert werden.

Reime wie z. b. hurte fuorte 600, 3 oder gefuort: hurt 444, 13 können zur erklärung nichts beitragen, da sie unter die lautregel fallen, dass i und u vor r diphthongiert werden, so dass tatsächlich in vielen teilen Deutschlands z.b. gesprochen wird nuor, or (nur', 'uhr'). Das gleiche ist bei der fall, z. b. 'wir' gespr. wior, wie denn auch Wolfram bekanntlich oft ir ier reimt.

Es bleiben somit, abgesehen von den reimen wie nû : zuo (San Marte s. 109) und vereinzelten andern beispielen nur solche fälle übrig, in denen auf den vocal u bez. uo in der gleichen silbe ein n folgt, und zwar sind diese reime auf alle bücher des Parzival verteilt, können also nicht mit Behaghel, Germ. 34, 487 f. als mittel zur entscheidung darüber dienen, ob die bücher in denen sie sich finden, vor, während oder nach dem aufenthalte Wolframs in Thüringen entstanden sind, wie schon W. Hoffmann, Der einfluss des reimes auf die sprache Wolframs, Strassb. 1894, s. 26 und L. Grimm, Wolfram von Eschenbach und die zeitgenossen, Leipzig 1897, s. 60 ausgesprochen haben.

Ist aber Behaghels annahme, dass jene reime auf thüringischen einfluss zurückzuführen sind, überhaupt richtig? Und ist es andrerseits gerechtfertigt, die reinheit der reime dadurch herzustellen, dass man die u-formen durch solche mit uo ersetzt?

Wenn wir die zeitgenössischen werke aus Wolframs näherer heimat betrachten, so finden wir, dass auch der mit Wolfram am nächsten benachbarte mhd. dichter, der Winsbeke, das reimpaar sun tuon hat, und zwar gleich im eingang (1,1 und 3), während der andere mhd. dichter den wir einen engeren landsmann Walthers nennen können, Wirnt, solche reime nicht. kennt. Er reimt derartige formen immer rein, z. b. Wigalois (Pf.) 14, 27. 39, 40 stuont: tuont, 81, 20 bestuont: tuont. Da nun aber Wirnts heimat Gräfenberg fränkisch ist, diejenige Wolframs dagegen ebenso wie Windsbach in dem gebiete desjenigen dialektes liegt, der als eine übergangsstufe zwischen bairisch und fränkisch zu betrachten ist, so mag es gestattet sein, die erklärung durch ein analogon in einer neueren mundart zu suchen, und zwar in der meiner vaterstadt Nürnberg, welche ja das typische beispiel einer übergangsmundart zwischen bairisch (speciell oberpfälzisch) und ostfränkisch darstellt, indem ihr vocalismus noch heute rein oberpfälzisch ist, während der consonantismus (der noch zu Grübels zeiten ein stark bairisches gepräge gehabt zu haben scheint) heute schon fast rein fränkisch zu nennen ist. In der Nürnberger mundart findet sich nun eine fast vereinzelte form, die den schlüssel zur lösung unserer frage gibt, der infinitiv tu (mit nasalem π) und daneben die seltene flectierte form ztuna (mhd. ze tuonne), für die allerdings, namentlich bei jüngeren, fast stets schon ztų gesagt wird. Vereinzelt steht die form deshalb, weil die anderen hier in betracht kommenden formen fast lauter praeterita sind — mhd. stuont, stiende und das einfache praeteritum ind. in der mundart überhaupt nicht gebraucht wird, der optativ aber durch eine -t-neubildung ersetzt ist: šteɔt (auch stěnǝt nach 1. 3. pl. praes. štěna). Das wort mhd. huon ist in der ma. durch putla ersetzt. Die unflectierte form groj mit nasalem i kommt nicht in frage, weil zu der zeit von der die rede ist, das -e von grüene noch nicht gefallen war, also n nicht zur gleichen silbe gehörte (es wurde grüene also erst greina, dann erst > groin > groį). Neben inf. tu, flectiert ztuna haben wir 1. 2. 3. sg. i tou, du toust, er tout, während der plural nach analogie von 'stehen' lautet mir (mər) těna, îr tět, sì těna. Ueber die zeit, wann im oberpfälzischen uo zu ou, ie und ie zu ei geworden sind, vermag ich nichts

zu sagen, auch sind in Wolframs heimat heute uo, ie und ie zu, ü, i monophthongiert, wie denn diese mundart heute ein durchaus fränkisches äussere hat. Da sich aber Wolfram selbst Parz. 121, 7 einen Beier nennt, so können wir gewis annehmen, dass die mundart seiner heimat damals in der hauptsache bairisch war. Und wenn wir annehmen, dass sie etwa damals schon auf dem wege war, fränkisch zu werden, so können wir um so mehr einen vorgang auf sie übertragen, der sich heute in einer mundart abspielt, welche eben heute auf dem wege ist, aus einer bairischen zu einer fränkischen zu werden. Die reime sind also, wenn wir nicht die lesart der hss. beibehalten oder nach dem mustermhd. normalisieren wollen, nicht mit Lachmann suon tuon u. s. W., sondern vielmehr sun: tun zu schreiben, und zwar mit kurzem u, nicht mit û, denn *tún wäre ja heute nicht zu tu, sondern zu tay geworden. Weit entfernt, spuren thüringischen einflusses auf Wolframs sprache darzustellen, zeigen diese reime vielmehr, dass er, auch fern von der heimat, diese freiheit der heimischen mundart in seine dichtersprache herüberzunehmen sich nicht gescheut hat, wo es ihm um des reimes willen angenehm schien.

2. Parz. 702, 18 f. liest Lachmann: der sin (sc. schilt) was ûze unt innen zerhurtiert unt ouch zerslagen, obwol sämmtliche hss. ûzen oder eine nur graphisch davon verschiedene form, z. b. G uzzen, D uozen haben. Der grund zu seiner abänderung der lesart liegt auf der hand: durch einsetzung des elidierbaren ûze für das überlieferte úzen sollte die senkung auf éine silbe gebracht werden. Aber abgesehen von der überlieferung ist auch sprachlich ûzen die einzig richtige form. Der schild wird doch nicht ûze 'draussen' zerstossen und zerschlagen, sondern ûzen 'von aussen her'. Die participia haben doch stets den gleichen casus wie das verbum finitum, es steht also ebenso wie Parz. 560, 17 f. von fuoz ûf wapent in do gar diu süeze maget wol gevar, wo wir gleichsam sehen, wie vor uns die wappnung des ritters vor sich geht, indem er zunächst mit den füssen in die kettenhosen steigt und nach oben zu ein stück dem anderen folgt, bis ihm zuletzt der helm aufs haupt gesetzt wird, ebenso auch Parz. 120, 24 f. mit part. praet. pass. nu seht: dort kom geschûftet her dri riter nach wunsche var, von fuoze ûf gewâpent gar.

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