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Es spricht also in sprachlicher beziehung nichts gegen, alles für beibehaltung der handschriftlichen lesart, und zwar nicht zum mindesten auch der parallelismus mit dem folgenden innen, das ausser der überlieferung auch noch durch den reim (gewinnen innen) gesichert ist.

3. Parz. 230, 13. Wildenberc wird als Wolframs wohnsitz bezeichnet und für das jetzige Wehlenberg erklärt. Es ist dies ein weiler, aus zwei wohnstätten bestehend, 49° 9' 50" n. b., 52' 20" westlich von München (nach der bairischen generalstabskarte). Doch halte ich für das richtigste, Wildenberc an der betreffenden stelle für nichts anderes aufzufassen als für ein wortspiel. Es ist vorher von der pracht und dem aufwande zu Munsalvæsche die rede gewesen. Nun ist aber doch wol anzunehmen, dass Wolframs kenntnisse des französischen ihn wol haben verstehen lassen, was sein Munsalvæsche, Mont sauvage auf deutsch heisst. Die worte hie ze Wildenberc u. s. w. sind m. e. so zu erklären: 'hier, auf meinem »>Munsalvæsche«, meinem »Wilden berg« geht es bescheidener her'. Er benennt seinen wohnsitz in selbstironie wie die gralsburg, um so den gegensatz noch mehr hervorzuheben. Ich glaube nicht, dass zwingende gründe dafür vorhanden sind, Wolfram als auf einem 'Wildenberg' wohnend anzunehmen.

II. Brausch.

In Nürnberg und seiner umgebung ist ein adjectiv gebräuchlich, welches brausch lautet und von denjenigen personen, deren beschäftigung den öfteren gebrauch des wortes mit sich bringt, durchaus nicht als mundartlich gefühlt wird. Es kommt meines wissens nur beim hopfen und beim holze vor. Hopfen ist brausch, wenn er zu rasch gedörrt ist, so dass die blättchen der einzelnen dolden nicht aufeinander liegen, sondern sich sträuben. Brausches holz ist nach der erklärung eines zimmermanns in Nürnberg des wou recht frech gwachsn is. dau sen sū groussi züx drin. des spalt si überzwerch, während es ein schreiner in Lauf an der Pegnitz erklärt hat: des wou recht frech gwachsn is. dau sen recht brāti gauǝrn drin. des bricht nauch der läng. Die 'grossen züge' und 'die breiten jahren' sind selbstverständlich das gleiche: recht grosse jahrestriebe, die in folge ihres raschen wachstums nicht kernig, sondern locker sind und deshalb, wenn sie zu

Beiträge zur geschichte der deutschen sprache. XXIV.

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brettern geschnitten sind, leicht brechen, die aber auch eine menge von ansätzen zu ästen überwachsen und in sich eingeschlossen haben, woher es denn kommt, dass sich das brausche' holz überzwerch' spaltet.

Zu diesem worte ist mir bis jetzt noch nicht gelungen, irgend etwas in einem wörterbuche zu finden ausser dem artikel 'brauschholz' im DWb., wo aber die erklärung; 'b. nennen die bötticher weiches holz, das sich leicht verarbeiten lässt' weder erschöpfend noch unzweideutig verständlich ist. Das subst. brausche f. tuber (mhd. stf. brüsche), das adj. brauschig turgidus, tumidus führen die wbb. an, das einfachere brausch dagegen nicht.

Was das verbreitungsgebiet des wortes betrifft, so habe ich es, soweit es sich auf holz bezieht, bekannt gefunden bei personen aus Nürnberg, Lauf, Dinkelsbühl, Marktbreit, während es mit beziehung auf den hopfen unter hopfenhändlern und bierbrauern im ganzen hochdeutschen sprachgebiete gebräuchlich sein soll, und zwar überall in der lautform brausch.

Sprachgeschichtlich muss es mit dem fem. brausche, mhd. stf. brusche zusammenhängen, denn der vocal weist ausschliesslich auf mhd. û zurück, indem ou vor dental ja schon ahd. zu 6 geworden sein müsste, während mhd. â zwar im oberpfälzischen zu au (Lauf, Nürnberg), im fränkischen aber zu à geworden ist (Dinkelsbühl, Marktbreit), und selbst bei oberpfälzischem vocalismus wird wenigstens in Nürnberg von den gebildeten in ihrer umgangssprache mhd. â als à gesprochen. Das wort lautet aber im munde aller gesellschaftskreise brausch, soweit es überhaupt bekannt ist.

Es ist also nur noch die frage zu beantworten, ob es sich der bedeutung nach mit brausche 'beule' vereinigen lässt. Diese frage lässt sich m. e. sehr wol bejahen. Es ist stets ein rasches anschwellen vorhanden sowol bei der beule als beim brauschen hopfen wie beim brauschen holz. Oder sollte mit Kluge (Et. wb. unter brausche) die grund bedeutung die 'rundliche erhöhung' sein? Dann wäre das brausche holz im grunde solches holz, das in rundlichen zügen rasch um die alten äste gewachsen ist, so dass die ganze faserrichtung in wellenlinien verläuft, daher es sich denn auch schief spaltet. Hiermit würde sich auch am ehesten vertragen, dass man z.b.

von gestärkten stoffen, wenn sie sich nicht schön flach aufeinanderlegen, sagt 'sie brauschen sich'.

In verwanten sprachen habe ich nichts gefunden, das sich mit 'brausch' zusammenbringen liesse. Oder etwa aind. bhrû 'braue', so dass damit ursprünglich die wulstige erhöhung des stirnknochens gemeint wäre, und das wort erst später die auf dieser wachsenden haare bezeichnet hätte? Und könnte man nicht franz. brusque als aus deutschem *brúsc entlehnt ansehen? Diez, Et. wb. stellt nur vermutungen über die herkunft von brusque auf. Sowohl das rasche, 'freche' vgl. oben — als auch das rauhe hat franz. brusque mit deutsch 'brausch' gemein.

Vielleicht veranlassen diese andeutungen zu weiteren nachforschungen über die herkunft dieses zwar nicht in allen schichten der bevölkerung, wol aber in gewissen berufskreisen auf grösserem gebiete gebräuchlichen wortes.

III. An. væringjar.

Dass in dem worte væringjar die endung -ingjar nicht die bezeichnung der herkunft ist, ist seit Bugges ausführungen Arkiv 2, 225 wol allgemein anerkannt. Bugge erklärt væringi für identisch mit ags. wærgenza 'fremder'. Beide formen, die nordische und die ags., hat man bisher mit einem veralteten wort vár 'fœdus' zusammengebracht, so dass væringjar heisse 'fœderati', wie sie ja in alten griech. und lat. quellen auch genannt werden. Ein gegenbeweis gegen diese auffassung lässt sich wol kaum erbringen. Aber m. e. lässt sich auch eine andere erklärung geben. Njála 81, 14-21 heisst es: Kolskeggr tók skírn í Danmorku, en nam þar þó eigi yndi, ok fór austr í Garðaríki ok var þar einn vetr, þá fór hann þaðan út i Miklagarð ok gekk þar á mála. Spurðisk þat til hans, at hann kvángaðisk þar ok var höfðingi fyri Væringjaliði ok var þar til dauðadags. Kann die conjunction þá unmittelbar nach einn vetr anders gefasst werden als 'im darauf folgenden frühjahr'? Und kann man sich denken, dass die alten nordleute, die bekanntlich Konstantinopel auf dem landwege durch Russland aufzusuchen pflegten und zwar meist zu schiffe auf den flüssen, indem sie ihre fahrzeuge über die wasserscheide schleppten, eine andere jahreszeit zu dieser beschwerlichen reise wählten als den frühling, wo die steppe vom schnee, die

flüsse vom eise frei wurden, nachdem sie während der aus den sogur männiglich bekannten nordischen winterruhe lust und kräfte für neue abenteuer gesammelt hatten? Dem entsprechend fasse ich væringjar als várgengjar 'frühjahrswanderer' von an. vár lat. ver.

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IV. Völuspá 5, 1—4.

Zu den bisherigen deutungen dieser vier kurzzeilen

Sól varp sunnan

sinni Mána

hendi inni hégri

um himiniqður

hat vor einigen tagen Wadstein eine neue gefügt. Er erklärt Arkiv 15 (n. f. 11) s. 158 ff.: 'solen kastades fram söderifrån på högra sidan över himlaranden i månens sällskap', worin ich die (hier von mir) gesperrten neuerungen ohne weiteres annehme. Dagegen erkläre ich sunnan und sinni Mána anders.

Sunnan muss m. e. mit hendi inni hógri zusammengefasst und so erklärt werden, wie ich in meinen Beiträgen zur bedeutungslehre der altwestnordischen präpositionen, Halle 1896, s. 60 f. verbindungen wie fyrir neðan u. s. w. erklärt habe. Die sonne sieht man zur eigenen rechten aufgehen, wenn man sich nach norden wendet, also den vorgang von süden aus betrachtet. Sól varp sunnan hendi inni hégri heisst also 'die sonne warf sich, d. h. sie erschien, rechterhand, von süden gesehen. Ebenso wie die sonne alltäglich im osten über den himmelsrand, den horizont, heraufkommt, ebenso dachte man sich ihr erstes erscheinen nach ihrer erschaffung.

Sinni Mána kann m. e. mit i månens sällskap' nicht richtig übersetzt sein. Ebenso wenig wie man täglich sonne und mond mit einander, das eine in des anderen gesellschaft, ihren scheinbaren lauf um die erde vollbringen sieht, ebensowenig wird sich der dichter der eddischen kosmogonie das erste auftreten der sonne und des mondes gemeinsam gedacht haben. Sinni>*za-sinpa ist 'wer den gleichen weg macht wie jemand anders', ob selbander oder zu verschiedener zeit kommt etymologisch nicht in betracht: sonne und mond beschreiben täglich eine scheinbare bahn um die erde, welche, wenn auch nicht für den astronomen, so doch für den gewöhn

lichen menschen eine und dieselbe ist. Wenn Gylf. cap. 11. 12. SE. 1, 56, 58 gesagt wird, dass Sól auf ihrer täglichen fahrt um die erde in der weise zwischen zwei wölfen dahinfährt, dass der sie verfolgende wolf Skoll sie, der vor ihr herlaufende wolf Hati Hroðvitnisson dagegen den Máni verschlingen will, so ist dies doch nur so zu denken möglich, dass beide zwar die gleiche bahn beschreiben, aber nicht mit, sondern hinter einander.

Daher erkläre ich die vier kurzzeilen so: zu unserer rechten hand, wenn wirs von süden aus betrachten, kam um den himmelsrand herauf (erschien über dem h.) die sonne, welche die nämliche bahn beschreibt wie der mond.

NÜRNBERG, 9. dec. 1898. AUGUST GEBHARDT.

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