Page images
PDF
EPUB

2. Ags. ár f. ‘ruder'; an. gr, ár f. (nom. pl. árar), davonsexærr 'sechsruderig', teinárr 'zehnruderig'; urnord. *airu, urgerm. *airō. Aus dem germ. entlehnt finn. airo, lapp. ajrro, airo, airu, est. aer (Thomsen). Aus den lapp. nebenformen arjo, arje ist nicht mit J. Schmidt eine ältere germ. form zu folgern. Lapp. arjo ist vielmehr aus ajrro (airo, wo die länge des zweiten teiles des diphthongs bezeichnet) entstanden; vgl. z. b. lapp. uv'ja 'daune' aus *uiva anorw. hý (Qvigstad). Thomsen (Finske og balt. sprog s. 110) vermutet, dass lett. airis 'ruder', lit. vairas, vaira 'grosses ruder' ebenfalls aus dem germ. entlehnt sind. Liv. airas ist secundär vom lett. airis beeinflusst.

[ocr errors]

Urgerm. *airō 'ruder' gehört der bedeutung nach natürlich mit lit. iriù, ýriau, irti 'rudern', preuss. artwes 'schiffreise', gr. ἐρέτης, ἀμφ - ήρης, πεντηκόντορος, aind. aritra-m 'steuerruder', arită ‘ruderer' zusammen. Mit diesen wörtern hat man das germ. wort oft verbunden. Allein *airō kann nicht, wie u. a. J. Schmidt (Vocal. 2, 479 f.) meint, aus *arjō entstanden sein, denn dies hätte im an. zu *er gen. *erjar werden müssen. Auch aus vorgerm. *eryā kann germ. *airo nicht entstanden sein; vgl. z. b. ahd. mári und got. ferja.

Die indog. wurzel, wozu aind. arítra-m u. m. a. gehören, war éra. Germ. *airo 'ruder' setzt nach meiner vermutung ein vorgerm. wurzelnomen or, orǝ- oder art, arǝ- voraus.

Die indog. wurzelnomina, sowol die vocalisch als die consonantisch auslautenden, sind häufig fem. gen. (Brugmann, Grundr. 2', 449 ff.). Man nimmt auch zweisilbige vocalisch auslautende wurzelnomina an, welche fem. gen. sein können. 'Die beispiele sind aber undeutlich geworden, da sie nach dem wandel von zu i im indischen in die i-declination übergetreten sind' (Hirt, IF. 7, 191). Vgl. aind. jáni- f. 'weib', lat. indi-gena, zu aind. jani-tár- u. s. w.; aind. vaní- f. 'das verlangen' zu váni- tar-; aind. khaní- 'wühlend' zu kháni-tum;

u. m. a.

Das vorgerm. wurzelnomen *ar, f. oder *or, wurde zu germ. *air-. Dies wurde in die a-flexion herübergezogen. So entstand nach meiner vermutung germ. *airō.

Es scheint mir möglich, dass ein werkzeug wie ‘ein ruder' in der ursprache durch ein wurzelnomen bezeichnet werden

konnte. Vgl. z. b. ags. sulh f., pl. sylh 'pflug', ags. furh f., pl. fyrh 'furche' neben lat. porca, got. baurgs 'burg', lat. arx, gr. xoóza acc. 'einschlagfaden' neben xpóxy. Prof. Torp, dem ich meine deutung mitgeteilt habe, vermutet dagegen für germ. *airō eine vorgerm. form *arrā.

In betreff des ersten vocals vergleiche man vorgerm. *are oder *or- mit preuss. artwes oder mit gr. -ooos, wobei zusammensetzungen wie anorw. sexárr zu beachten sind.

Germ. *airō, an. ags. ár gehört also nach meiner ansicht zu derselben wurzel wie ahd. ruodar und mhd. rüejen, ags. rówan, an. róa. Das germ. rō- entspricht dem kelt. rā- in air. rám, ráme 'ruder'.

3. Got. airus m. 'send bote' (äɣyeλoç, ñqɛoßɛia). Ags. ár (wie ein a-stamm flectiert) 'legatus, nuntius, minister, apostolus, angelus'. As. *êr, nom. pl. éri. Anorw. orr, árr (u-stamm). Aus dem germ. entlehnt finn. airut 'legatus, nuntius', lapp. airas. Das got. wort haben einige forscher als ai-ru-s aufgefasst und von der wurzel ei- 'gehen' abgeleitet. Dagegen spricht schon die bedeutung des wortes. Anorw. árr ist nicht nur 'sendbote', sondern überhaupt 'ein untergeordneter mann, der im auftrage seines herrn oder seiner herrin etwas ausrichtet', 'minister'. Ein mann der im Ynglingatal Ásu árr heisst, wird in der prosa (Yngl. s. cap. 48 F. J. 53 Unger) skósveinn Ásu drótningar genannt. Sigvatr nennt die hirðmenn des königs konungs árir (Magn. s. g. Heimskr. cap. 7 F. J. 9 Unger). Die asen werden Yggs árir genannt; die zunge arr óðar 'minister poeseos', u. s. w. Mit árr ist ármaðr zusammengesetzt: 'ein verwalter, der im auftrag eines anderen einen hof bestellt'; namentlich ein mann der einen grundbesitz des königs verwaltet. Auch dies zeigt, dass die grundbedeutung von árr nicht 'sendbote' ist.

Dass got. airu-s, an. árr u. s. w. nicht von der wurzel eiabgeleitet ist, wird durch ein davon abgeleitetes wort endgiltig bewiesen. Anorw. orendi n.; auch eorende (was nur graphisch verschieden ist), eýrende, erendi geschrieben: 'auftrag den man für einen anderen ausrichtet, botschaft (flytja guðs erendi), geschäft'; neugotl. arundi; ags. ærende; neuengl. errand; as. ârundi; ahd. árunti. Dies wort entspricht dem sinne nach als nomen actionis genau dem nomen actoris airus. Das nomen

actionis hat in der ersten silbe sowol einen langen als einen kurzen vocal gehabt. Einen kurzen anfangsvocal hat aisl. erendi sicher in dem gedichte Lilja 24. Neuengl. errand setzt wol kürze des ersten vocals voraus. Ebenso nach J. Schmidt (Vocal. 2, 477) das aus dem germ. entlehnte ksl. oradije ‘apparatus, instrumentum, negotium, res'; vgl. poln. orędzie ‘nuntius', orendować 'aufträge verrichten'. Mhd. erende mit kurzem anlautenden e. Allein in den agerm. sprachen wurde das wort vorwiegend mit langem vocal im anlaut ausgesprochen. Die kürzung des vocals ist vielleicht daraus zu erklären, dass die zweite silbe stark betont wurde.

Nach Sievers (Proben einer metr. herstell. der Eddalieder s. 34) wird für an. orendi in dem verse ok orendi prymskv. 10 sicher länge der wurzelsilbe verlangt; ebenso in ríða erindi Atlakv. 3 und in mehreren anderen versen der Eddalieder. Freilich erkennt Sievers jetzt (Metrik s. 61) verse wie af konungum Guðr. 2, 4 als richtig an. Für länge des vocals spricht namentlich der vers Sigvats: en eyrindi óru Ól. s. helga in Fms. cap. 142. In dem von Wisén herausgegebenen Homilienbuche wird das wort gewöhnlich eyrende mit ey, selten mit eo oder geschrieben. Da diese hs. nur sehr selten') ey für e anwendet, spricht dies dafür, dass eine nebenform mit dem langen diphthonge ey existiert hat.2)

Bei ags. ærende und as. ârundi verlangt das metrum länge des œ, á.

Das nomen actionis beweist nach meiner ansicht, dass das ai von airus nicht indog. oi oder ai ist. Denn obgleich aisl. eyrendi, wie es scheint, aus älterem *airundī stammt, lassen sich andere formen, z. b. as. ârundi, ahd. ârunti, daraus nicht erklären.

Die älteste nachweisbare form der zwei letzten silben ist -undi. Hiernach darf man vielleicht vermuten, dass der ur

1) preyngva s. 165 z. 30.

2) J. Schmidt hat die anorw. form des wortes nicht richtig behandelt. Er führt eyrendi auf *arvjandi zurück und beruft sich dabei auf die von Egilsson angeführte form örvendi. Allein diese form hat nicht existiert. Die einzige dafür angeführte stelle ist ein vers der Fóstbræðra saga, allein dort bedeutet prvendi 'left-handedness' (Vigfusson, Corp. poet. bor. 2, 175, v. 7).

sprünglichere stamm von airus nicht airu-, sondern vielmehr *airund- war. Wenn wir von dem vocal der ersten silbe absehen, kann as. ârundi von *airund-, wie z. b. got. andbahti n. 'dienst von andbahts 'diener', lat. praeconium von praecon, abgeleitet sein. Auch dies spricht gegen die auffassung, dass got. airu-s von ei- 'gehen' abgeleitet sei.

Der urgerm. stamm *airund- bildete wol den nom. sg. ohne die endung s, also *airund, woraus regelrecht *airun entstehen sollte. Allein da ein nom. sg. m. *airun, wenigstens in der späteren sprache, isoliert dastand, wurde diese form nach der analogie der u-flexion zu airus umgebildet. Dabei wirkte der dat. pl. airum aus *airundm- mit. Aehnlich ist germ. *tegu-z 'decade', anorw. togr, wie es scheint, aus älterem *tegun entstanden. Brugmann hat bereits ausgesprochen (Grundr. 2', 491), dass *tegu-z von einem stamme tegun- gebildet ist. Er nimmt an, dass nur, der instr. pl. und eine gleichartige dualform den ausgangspunkt der u-flexion bildeten.')

Ich vermute, dass airus, aus älterem *airund, mit *airō 'ruder' verwant ist, denn zu gr. pitns 'ruderer' gehört vлnQEτng 'diener, gehilfe'. Dies könnte in manchen verbindungen durch an. árr widergegeben werden; so wenn Hermes bei Aischylos or vлngέτηs genannt wird, wenn die adjutanten und ordonnanzen des feldherrn vлnoita heissen, u. s. w. Vgl. ferner das zu derselben wurzel gehörende aind. aratí- m. 'gehilfe, diener, verwalter', und air. ara 'diener, fuhrmann', gen. arad, st. arāt- (Stokes, Sprachschatz s. 39).

Ich vermute hiernach, dass got. airu-s, urgerm. *airund part. praes. von einem verbalst. air- 'rudern' ist. Ferner dass air- 'rudern' aus vorgerm. *ar oder *or- entstanden ist und dass dies zu indog. érǝ im ablautsverhältnisse steht.

Eine frühere vorgerm. form des part. war wol *arǝnt-. Ich finde es weniger wahrscheinlich, dass *arǝnt- zu *arunt

1) Es ist verlockend, im finn. airut eine spur der vorausgesetzten älteren germ. nominativform *airund, wie im finn. olut 'bier' nach der andeutung Thomsens eine spur von germ. *alup oder lit. *olut, zu finden. Vgl. Thomsen, Finske og balt. sprog s. 158. Finn. ailut 'plage' könnte eine germ. neutralform *aglut sein. Wegen des fehlens des n in airut könnte man dann finn. tuhat neben tuhansi aus lit. túkstantis vergleichen.

wurde wie gr. ἄγαμαι τα αγάομαι. Ich möchte lieber vermuten, dass vorgerm. ar- in anderen verbalformen lautgesetzlich zu germ. air- wurde und dass die form des part. praes. *airunddarnach durch analogie gebildet wurde.

Dass as. árundi einen anderen vocal als êri (pl.), got. airus hat, beruht darauf, dass die urgerm. form von árundi zur zeit der freien betonung auf der dritten silbe betont war.

4. Ahd. feili, mhd. und mnd. veile, nhd. feil, nl. veil ist offenbar mit dem gleichbedeutenden ahd. fâli und mit an. falr 'feil' verwant. Darum kann das ei von feili nicht einem indog. oi entsprechen. Allein wie diese formen sich zu einander verhalten, ist bisher nicht erklärt worden. Man hat gr. лolé∞ 'verkaufe', aind. pana-, pánate (aus *palnate) 'einhandeln, kaufen, tauschen', lit. pełnas 'erwerb, verdienst' verglichen.

Hierzu gehört ferner kelt. (p)elnio 'verdiene' in air. at-róilli 'meret' (Stokes, Sprachsch. s. 42).

Für лlé, lit. pełnas u.s. w. vermute ich eine wurzel *péla-. Ahd. feili ist nach meiner vermutung aus vorgerm. *polǝyo-s, *pol¡yo-s entstanden. Ich lasse es unentschieden, ob das â von fâli mit dem á des as. ârundi gleichartig ist oder ob fâli vielmehr eine bildung wie mhd. gabe, got. unqēps, andanēms u. s. w. ist.

An. falr kann nach der an. form einen stamm fala- oder fali enthalten. Ich vermute in *fali-z eine bildung wie die der adjj. toógię, doóлis und der substt. germ. mati-z, balgi-z, gr. πόλις, μόμφις u.s. w. (Osthoff, IF. 3, 390).

5. Got. *mail évtię (nur im gen. pl. maile erhalten), ahd. meila f. macula, mhd. meil n. und meile f. 'fleck, mal', auch bildlich 'sittliche befleckung, sünde' (dazu meilen 'beflecken'), ags. mál n. 'fleck', neuengl. mole 'muttermal'. J. Schmidt u. a. haben mit recht die folgenden wörter verglichen: aind. mála-m n. 'schmutz, unrat (in der physischen und in der moralischen welt)', maliná-s 'schmutzig, unrein', später 'von unbestimmter dunkler farbe'; gr.uéλas; lett. melns 'schwarz', melums 'schwärze, schmutzfleck', melt 'schwarz werden'. Zu diesen wörtern gehört u. a. cymr. melyn 'gelblich'.

Gr. μélas setzt eine indog. wurzelform *méla- voraus; dazu verhält sich gr. uɛlav- in betreff des -- wie takav zu der wurzelform taλa-. Zu *mélǝ- steht vorgerm. *malə, *mal; oder

« PreviousContinue »