entwickelte sich der zustand, dass ein teil unserer adjectiva einen tadel bezeichnete. Zufällig waren das gerade die häufigsten, die also im sprachbewusstsein einen grösseren raum einnahmen als die ohne tadel. Darum gewöhnte sich das sprachgefühl, diesen gelegentlichen tadel als einen wesentlichen bestandteil der bedeutung der gruppe aufzufassen: neue adjectiva auf isch wurden vorwiegend von solchen worten abgeleitet die einen tadel enthielten, ja zu adjectiven mit anderen suffixen wurden nebenformen auf isch gebildet, so - widersinnisch von Kant zu widersinnig (ebenso auch schon Fischart, Garg. 163). — eigenwillisch von Fischart, Bienenk.174 a und Ringwald zu eigenwillig. grätisch schlesisch und oberlaus. zu grätig, Weinhold, Beiträge zu einem schlesischen wb. unter grätig. K. G. Anton 8, 14. — drecksch oberlaus. zu dreckig. K. G. Anton 7, 16. gallisch zu gallig, Stieler, Frank, Krämer, Paracelsus. grentisch zu grandig 'mürrisch' bei Sachs, Fabeln und schwänke 1, 206. 513, zu scheiden von einem wie es scheint rotwelschen grandig 'gross' nach franz. grand, Simpl. 253. Teutscher Michel 13. Springinsfeld 23. Vgl. ferner Murner, Narrenbeschwörung 16,41. Moscheroschs rotwelsches wörterbuch. Weim. jb. 4, 83. K. G. Anton unter grandig. Horn, Soldatensprache 118. stätisch zu stätig 'störrisch' von pferden, denn nur das kann stätig bedeuten (vgl. Lexer, Maaler, Frisch, Adelung, Campe, das Bremisch-niedersächsische wb.), und nicht 'lammfromm', wie Spanier, Zs. fdph. 29, 420 Murners stettig rösser übersetzt haben will. Schliesslich wurde es auch möglich, dass die ableitungssilbe erst den tadel in ein wort hineinbrachte, indem sie eine tadelnde übertragung veranlasste, und schliesslich wurden adjectiva lediglich dadurch dass sie auf isch endeten, zum tadel. Diese letzte entwicklung ist sehr selten; eins der wenigen beispiele ist jägerisch, zu dem Frisch bemerkt: 'ist etwas spöttisch wegen der endung -isch, jägerlich ist besser'. Wenn man auch keinen anlass hat, Frischs angabe zu bezweifeln, so kann doch der spöttische beigeschmack von jägerisch nur geringe ausdehnung gehabt haben, denn weder bei Sebitz 1580 noch bei Goethe 1816 noch im heutigen bairischen (z. b. Fliegende blätter 2731. 1897) ist ein tadel darin zu verspüren, und schon 1775 erhebt Adelung einspruch gegen Frischs jägerlich. Jedenfalls ist die aufstellung einer gruppe von adjectiven dieser art praktisch ohne wert. 5. Die wenigen adjectiva auf -isch die in germanische zeit zurückreichen, bezeichnen die herkunft. Es sind got. mannisks got. piudiskô - got. haipiwisks got. iudaiwisks Diese ältesten adjectiva unserer klasse haben sich in den späteren sprachen alle erhalten: himmlisch, jüdisch, heimisch bezeichnen noch heute die herkunft vom himmel, den juden und der heimat: aber auch schon an diesen ältesten beispielen erkennt man, dass sie durch eine leichte bedeutungsverschiebung zum tadel werden können: bei jüdisch hat sich diese entwicklung in dem zu grunde liegenden substantiv, bei an. heimskr 'idiotus' in dem adjectiv selbst vollzogen. 6. In ahd. zeit wächst die zahl der adjectiva auf -isch. Sie sind bei Grimm, Kluge und Wilmanns angeführt, so dass hier eine aufzählung unnötig ist. Natürlich wächst bei dem anschwellen der ganzen bildung auch die zahl der adjectiva mit bösem sinne. Von tadelnden nominibus abgeleitet und daher, aber auch bloss daher, mit einem tadel behaftet sind: ahd. bruttisc 'schrecklich', von brutti 'schrecken'; gîrisc 'gierig', von girî 'gier'; mordisc 'mörderisch', von mord; tulise töricht', von tol, vielleicht schon gemeingermanisch: aschw. dulsker, dylsker 'träge, gleichgiltig' bei Tamm, Et. svensk ordbok. In den später zu tadelndem sinne entwickelten adjectiven gawisk, dorfise, gipûrisch, kindisc, unadalisc ist der tadel wol erst im keime enthalten. heidanisc, irdisc, weraltisc mussten im munde eifriger christen zum vorwurf werden; dass das aber nicht auf rechnung der endung zu setzen ist, zeigen die ihnen entgegengesetzten frónisc, himilisc, êrwirdisc. Immerhin ist zu bemerken, dass bei einer verhältnismässig grossen zahl ahd. adjectiva möglichkeit und wol auch neigung zu einer wendung ins moralische vorhanden ist; es muss aber betont werden, dass diese neigung noch keine bestimmte richtung eingeschlagen hat, weder zum guten noch zum bösen sinne: beide wege stehen noch offen. Wir erkennen aber in den angeführten beispielen auch schon den grund dafür, dass der erste weg beschritten worden ist: gerade die häufigsten der aufgezählten wörter, girisc, mordisc, gipûrisch, kindisc waren nur dieser entwicklung fähig, die entgegengesetzten, êrwirdisc, adalisc, fronisc waren leichter ersetzbar und sind denn auch früh ausgestorben, denn adelisch bei Luther, Murner (An den adel 36) und Agricola ist eine junge neubildung und ohne gefühlswert: dass es hier u. ö., z. b. auch in Scheidts Grobianus s. 4 d. n. ironisch gebraucht wird, ist wol zufall. Die grosse menge der ahd. adjectiva auf isc bezeichnet die herkunft, die meisten sind von völker- und ländernamen abgeleitet: arabisc, frenkisc, crêhhisc, nazarênisc, punikisk, samaritanisg, sirisc, spanisc, walahisc u. v. a. 7. Auch im mhd. bleibt das die hauptsächlichste verwendung unsrer adjectiva, und noch heute können wir fast zu jedem völkernamen ein adjectiv auf -isch bilden. Aber gerade weil diese klasse unserer adjectiva immer neu gebildet wird, entwickelt sie meist gar keine eigne bedeutung für die bedeutungsgeschichte kommen nur wenige fälle in betracht, in denen eine übertragung der bedeutung stattgefunden hat. Zwei beispielen für diese entwicklung sind wir schon oben in jüdisch und heimisch begegnet, weitere mögen hier folgen. vlämisch, d. i. 'flamländisch', war im mittelalter 'fein gebildet', denn aus den Niederlanden kam die ritterliche cultur nach Deutschland, und nach Stalder 1, 376 bedeutet es in der Schweiz noch 'das feine, zarte'. Flämisch zu reden hält der junge Helmbreht und nach Grimmelshausens Vogelnest 1, 18 im schwedischen kriege ein Schwabe für vornehm. Umgekehrt redet in Paulis Schimpf und ernst no. 484 ein heraufgekommener nit me sein sprach, er nimpt sich an schwebisch züreden. Als eine andere culturwelle viele flämische colonisten über Mitteldeutschland nach dem osten führte, bekam flämisch offenbar nach dem grossen wuchs, der ernsten art und den trotzigen gesichtern der Flemminge die neue bedeutung 'gross, grob, plump, rücksichtslos' (im Hennebergischen ist auch hollandsch 'sehr gross', Zs. fdm. 3, 134; die lausitzische bedeutung 'sehr' ist wol eine abschwächung aus der folgenden; K. G. Anton 17, 19 vergleicht unflätig), dann in der Altmark und in Niedersachsen, Schlesien und Nordböhmen, Franken, Henneberg und Hessen 'mürrisch, verschlossen, tückisch', schliesslich im Bairischen wald, Nord böhmen und Thüringen (Stieler 496) 'böse, zornig'. Auf eine dritte, vielleicht noch bevorstehende, entwicklung deutet Knothe, Markersdorfer mundart 38, wenn er für Nordböhmen flamända 'vagabund, liederlicher mensch' anführt. Sie entspräche einer dritten invasion der Flamen, der als herumziehender händler. Dieses neueste flämisch hat aussicht, entwickelt zu werden, denn es kann an redensarten anknüpfen wie er ist von Flandern, vagi sunt eius amores (Serz, Teutsche idiotismen 43a), er ist aus Flandern, ein Fländerer, er fländert (J.G. Berndt, Versuch zu einem schlesischen idiotikon, Stendal 1787), mädchen aus Flandern (Schmeller 1,792), die aus volksetymologischer umdeutung von fländern 'flattern' entstanden sind (vgl. auch flandern im DWb.). Umgekehrt hat wol auf die entwicklung des volksnamens flämisch zu ‘mürrisch' das weitverbreitete flänschen 'das gesicht verziehen' einfluss gehabt, namentlich die verbindung flämisches gesicht ist durchaus flunsch, doch darf man nicht mit Adelung flämisch in diesem sinne überhaupt als ableitung zu flennen u. s. w. ansehen. = Auf einem umwege vom volksnamen zum tadel geworden ist mhd. hiunisch. Begreiflicherweise hatten die Hunnen in Deutschland nicht den besten ruf hinterlassen, das zeigt schon die 38. zeile des Hildebrandsliedes: dû bist dir, alter Hún, ummet spûhêr ..., wo der tadel noch rein occasionell in das substantiv gelegt zu sein scheint. Doch hat sich wol Althin als scheltname festgesetzt, vgl. Förstemanns Namenbuch 1, 757 und Grimm, Deutsche mythologie 490. hiunisch aber und harthiunisch wurde scheltname für eine schlechte weinsorte (s. ausser Lexer und DWb. Schmids Schwäb. wb. Anz. fda. 4, 138 ff. Zs. fda. 23, 207 und Zs. fdm. 1, 257. 2, 250. Weistümer 3, 487. Fischart, Garg. 310. 313f. Bienenk. 243 a. Ist vielleicht hundzwein Sachs, Schwänke 1, 262 hiunischer wein? Dann könnte hundssoff und hundstrunk im DWb. als rausch von hiunischem weine aufgefasst werden, hundsvoll und hundstrunken (auch bei Sachs, Schwänke 1, 262. 594) 'von hundswein trunken' heissen. Eine andere erklärung im DWb. und den Generibus ebriositatis, das. unter hundsvoll). Unabhängig von dieser in den weingegenden, also namentlich im obd. vorgenommenen entwicklung, wandelte die norddeutsche sage mit dem mittelpunkt in Westfalen (Grimm, Myth. 490) die Hunnen in riesen. Das zugehörige hiunisch gieng aus der bedeutung 'riesenhaft' mit neuem tadel in die von 'ungeschlacht, roh, unedel' oder 'grimmig' über, des letzte oft bei Sachs, z. b. Schwänke 1, 25. Widerum abweichend ist das bairische hünsch aus 'ungeschlacht' zu 'gierig, heisshungrig' verengert worden. Sollte hier das wortspiel Ungern-hungern eingewirkt haben, das z. b. Murner, Narrenbeschw. 88, 15 verwendet (vgl. Spaniers anm. zu dieser stelle und unter 17)? Ganz anderer herkunft ist das weitverbreitete hinsch als name einer pferdekrankheit, Spanier zur Narrenbeschw. 95, 78. Staub-Tobler 2, 1475. Jung ist hünisch 'wie ein hüne' in Jordans Nibelungen 1, 15 u. ö. Wenn Fischart, Garg. 374 das ungeziefer seines helden das vngarisch vihe nennt, so knüpft er ausser an die unreinlichkeit der Ungarn (vgl. Sachs, Schwänke 2, 421) an den grossen ruhm an, den das ungarische rindvieh in Deutschland genoss (Garg. 381. Podagr. trostbüchlein 28). Es ist schwer zu sagen, ob diese bosheit ein witz Fischarts oder eine redensart ist. Geschichtliche verhältnisse dagegen spiegeln sich in der entwicklung die die wörter sklavisch und polnisch im deutschen genommen haben. Sklavisch wird etwa zu Fischarts zeit zu 'servus' geworden sein: Garg. 161 meint auff türckisch vnd sclavisch bloss die sprache, 163 den sclavischen Römern die denkart, Grimmelshausen nimmt lieber sclavonisch oder böhmisch, wo er volk und sprache meint, aber schon für Fischart ist eine bildung wie übersklavisch möglich: vberschlavischer, vberknechtischer dienst übersetzt er Bienenk. 187a hyperdulia. Polnisch ist in Schlesien und Sachsen, in dem lande das an Polen grenzt und dem das lange mit ihm politisch verbunden war (bei Bernd, Die deutsche sprache in dem grossherzogtum Posen und einem teile des angrenzenden königreiches Polen, fehlt es), ferner in Baiern zu 'liederlich' geworden in den redensarten hier siehts polsch aus, heute machen wir pohlsch, es geht pohlsch über eck. Ein stück geschichte lebt in der in den Sudeten üblichen wendung es sitt aus wie im pulschen kriege (Albrecht, Leipziger mundart) und dem in Sachsen und Beiträge zur geschichte der deutschen sprache. XXIV. 31 |