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Ueber die rhythmische bedeutung der reimbrechung wird Zur metrik Otfrieds v. Weissenburg s. 194 f. gehandelt. Es ist dort die rhythmische entwicklung kurz angedeutet, deren notwendiges schlussglied die brechung der rîme bildet. Aus jener darstellung ergibt sich auch, nach welchen regeln die erscheinung statistisch aufgenommen werden muss. Man hat von der tatsache auszugehen, dass ein reimpaar von haus aus den wert einer musikalischen periode hat; der erste vers ist vordersatz (a), der andere nachsatz (b). In der musik der geschlossenen, strengen form hat sich das wort der weise und ihrem rhythmus unterzuordnen. Also muss da entsprechend der melodieführung am periodenschluss (d. i. hinter dem zweiten reim) ein relativ starker, auf der cäsur (d. h. hinter dem ersten reim) ein relativ schwacher sinneseinschnitt statt haben. Jedenfalls muss der cäsureinschnitt schwächer sein als der am periodenende, weil sonst die periode nicht zusammenhalten würde (vgl. Beitr. 23,52 f. [§22]). Schwindet nun der strenge rhythmus nebst melodie, so wird das alte verhältnis von cäsur und periodenschluss zunächst traditionell gewahrt. So ist es noch in der ahd. und frühmhd. dichtung. Allmählich aber ändert sich das. Man bestrebt sich, aus ästhetischen gründen das verhältnis der schlüsse umzukehren. Dadurch wird das rhythmische system der periode zerrissen: die rîme werden gebrochen. Eine lockerung des periodensystems und eine vorstufe zur brechung ist es schon, wenn die cäsur dem periodenschluss an stärke gleichgemacht wird.

Will man nun statistisch aufzeigen, wie sich dieses bestreben geltend macht, so darf man nicht mit Stahl das verhältnis von satz und reimbrechung in den vordergrund stellen. Ebensowenig darf man reimbrechung nur da annehmen, wo hinter dem ersten reime ein punkt steht (Stahl s. 11). Man hat vielmehr einfach die fälle zu zählen, in denen jedesmal die innere verbindung eines reimpaares loser ist als die verbindung des ersten reimverses mit dem vorausgehenden oder des zweiten mit dem folgenden, oder in denen beide reimpaare völlig auseinander gerissen sind. So würde z. b. im I. büchlein gebrochen sein reimpaar 1/2. Gebunden ist 3+4; weiter: 5/6, 7/8, 9+ 10, 11+12, 13/14, 15+ 16, 17/18, 19/20 etc. Dabei wären schwere und leichte fälle der brechung bez. bindung zu scheiden. Nützlich ist es vielleicht, die fälle besonders zu zählen, in denen

die sinneseinschnitte als gleich gefühlt werden (so z. b. 3: 4; 15:16). Fehler oder ungenauigkeiten würden sich bei hinreichend grossem material gegenseitig ausgleichen. Die ergebnisse wären dann einfach auf je 100 reimpaare procentualiter zu berechnen. Unterscheidungen der art wie sie Stahl macht, sind als besondere fälle jener 3 hauptgattungen aufzunehmen, also in zweite linie zu rücken. Sie sind wertvoll für die beurteilung der kunst des dichters.

Schönbach tadelt an Stahls arbeit, dass sie nirgends auf das verhältnis der poetischen aufgabe zur form eingehe. Nun ist ja gewis richtig, dass der gegensatz von reimbrechung und bindung absichtlich zur erreichung bestimmter zwecke verwendet werden kann. Aber ich glaube nicht, dass eine statistik die auf eine chronologie ausgeht, jene möglichkeit besonders zu betonen braucht. Sie wird sich damit begnügen, die fälle der bindung festzulegen, wo sie zweifellos sinn- und stilgemäss ist, brechung minder gut wäre. Im allgemeinen aber dürfte gerade dieser punkt geringe bedeutung haben. Wo ist denn im einzelnen falle brechung oder bindung nötig oder auch nur wolgefällig und wo nicht? Ich bezweifle, dass man diese frage unzweideutig beantworten kann.

Man wird z. b. sagen: reimbrechung erhöht die lebendigkeit der darstellung, bes. des dialogs (vgl. Stahl s. 27). Das ist i. a. gewis richtig. Muss aber lebhaftigkeit immer zur reimbrechung führen? Kann sie nicht auf andere weise (z. b. durch die wahl der verstypen) ausgedrückt werden? Der dichter hat gewisse stimmungen zu erregen so mannigfaltige mittel, dass man ihm schwerlich im einzelnen nachrechnen kann. 1)

Ich meine also gegen Schönbach: hat man bemerkt, dass sich ein dichter immer mehr bestrebt, die perioden zu brechen und für Hartmann ist das zweifellos, dann zähle man einfach die fälle in der oben angedeuteten weise. Man wird daraus meiner überzeugung nach einen wertvollen, vielleicht an sich schon genügenden anhalt gewinnen, die reihe der dichtungen zu bestimmen. Das verhältnis von inhalt und form zu betrachten wird zur scheidung der fälle, jedenfalls aber für das verständnis der dichterischen kunst von grossem wert sein;

1) Vgl. verf., Die einheit des Faustmonologs, Zs. fdph. 30, 538-545.

aber für den nächsten zweck der chronologie würde die aufgewendete mühe und zeit schwerlich im verhältnis zum wert der ergebnisse stehen.

Stahls ergebnisse halte ich also aus rhythmischen gründen nicht für stichhaltig. Sie sind unverwendbar für oder gegen meine chronologie.

Damit fällt freilich auch der grund, den er auf s. 27 gegen die echtheit des büchleins vorbringt oder er wird wenigstens zweifelhaft. Dies büchlein bricht nämlich die reime unverhältnismässig oft, geht damit sogar über den A. Heinr. hinaus, wie Stahl behauptet. Immerhin sieht man aber doch so viel, dass es auch in diesem punkt von Hartmanns werken abweicht.

Noch ein dritter versuch ist gemacht worden auf objective. art festzustellen, wie sich Hartmanns dichtungen an einander schliessen: B. J. Vos, The diction and rime-technic of Hartmann v. A., Leipzig 1896 (rec. v. K. Helm, Lit.-bl. 1898, s. 264). Der verf. versucht durch beobachtung des wortgebrauchs und der reimtechnik zu einer chronologie zu kommen. Ansätze zu dieser methode finden sich schon bei Haupt, Naumann, Lemcke, Greve (s. 60), Zwierzina (Zs. fda. 40, 237–241), doch ist Vos wegen der zahl und vollständigkeit der belege als ihr eigentlicher vertreter anzusehen.

S. 7-41 werden eine reihe von wörtern alphabetisch zuzusammengestellt, die in den werken Hartmanns mehr oder weniger oft vorkommen. Aus dieser tabelle werden dann schlüsse gezogen. Aber der verf. hat es unterlassen zu überlegen, ob solche schlüsse aus dem wortgebrauch überhaupt wert haben und wie weit etwa.

Zunächst musste bedacht werden Haupt, Jänicke u. a. waren darin vorangegangen ob besondere gründe dem dichter nahe legten, gewisse wörter oder wendungen allmählich zu meiden. Das ist nun sicher der fall. Wörter wie balt, degen, ellen, îsengewant, îsenwât, kneht (=ritter), rant (— schild), schaft, snel, snelheit u. a. werden im höfischen roman gemieden, weil sie 'unhöfisch' schienen, d. h. weil sie durch die dichtung älteren stiles so fest mit der vorstellung des rittertums älteren stiles verknüpft waren, dass sie mit den neuen idealen nicht mehr recht stimmten: ein ritter war für die phantasie der umgebung Hartmanns etwas anderes, feineres als ein degen;

mit jenem wort verbanden sich ganz andere associationen als mit diesem oder gar mit kneht (dem das guot, d. i. 'vornehm, bevorzugt' freilich fast nie fehlt). Lässt sich nachweisen, dass auch Hartmann solche wörter allmählich meidet, dann bedeutet das allerdings nicht wenig. Die beobachtung ergibt nun, dass solche wörter i. a. nur im Erec und I. büchl. vorkommen, dann verschwinden. Das sichert, wie schon oben bemerkt, den frühen ansatz beider dichtungen. Für die reihe der übrigen ergibt sich, dass im Iwein die besonders charakteristischen (degen, kneht, schaft) noch zuweilen da sind, im Gregor aber verschwinden. Das spricht für das relativ höhere alter des Iweins. Man vergleiche folgende tabelle:

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Zum teil hängt dies auch mit dem inhalt zusammen. Gerade für die wichtigsten kann man es aber nicht behaupten.

Im zusammenhang mit dem erörterten steht es wol auch, wenn wörter wie hêrlich (Er. 5 m), hêrlichen (Er. 2 m.; Iw. 1 m.), manlich Er. 8 m.; Iw. 4 m.; Gr. 1 m.), manliche (I. b. 1 m.; Er. 3 m.) allmählich verschwinden. Sie passten vermutlich nicht mehr zu Hartmanns vorstellung vom idealritter bez. mann. Umgekehrt vgl. hövesch und seine sippe.

Im übrigen scheinen mir zu chronologischen schlüssen nur solche wörter geeignet, die oft vorkommen und zugleich ohne

sonderlichen unterschied mit synonymen wechseln können. Besonders partikeln. Vos hat auf einiges selbst hingewiesen. So nimmt der gebrauch von dagen (nebst compositis) vom Iwein an ab (Iw., Greg., A. Heinr. stehen sich i. a. gleich), der von swigen (und compositis) entsprechend zu (im A. Heinr. wider ab). Harte nimmt vom Iwein an ganz bedeutend zu und bleibt im Gregor und A. Heinr. auf der höhe, vil dagegen nimmt merklich ab. Starke verhält sich ähnlich wie harte. Es wird also statt des blasseren vil öfters ein volleres wort gewählt. Andere solche paare ergeben nichts, wie z. b. dicke und ofte, hæren und vernemen.

Weitaus die meisten der von Vos beigebrachten wörter sind m. e. für eine chronologie ganz ungeeignet. Houbet kommt Er. 36 m., Iw. 8 m., Greg. 5 m. vor. Das wort als solches ist ganz unverfänglich. Was soll sein gebrauch für die chronologie bedeuten?

Bei andern worten ist einfluss der lectüre zu berücksichtigen. Im Iwein findet sich das wort gehaz 10 m., sonst in den reimpaardichtungen nie. Dafür vient u. ä. Wahrscheinlich ist Hartmann hier das ihm an sich bekannte wort durch irgend einen literarischen einfluss neu in den sinn gekommen; es gefiel ihm und er brauchte es nun öfter. Literarische einflüsse können ihm aber ebensogut ein wort, das er im Iwein nicht mehr verwendet, im Greg. oder A. Heinr. wider empfohlen haben.

Wenn Vos darauf hinweist, dass Gregor und Erec viele worte der tabelle gemeinsam hätten (s. 69), so ist zunächst zu bemerken, dass die angeführten gar nicht charakteristisch sind. Ferner ist die gegenprobe nicht gemacht: ob die fälle des unterschiedes oder der zusammenstimmung überwiegen, muss festgestellt werden, wenn über relative verwantschaft etwas ausgesagt werden soll. Dann ist zu bedenken: Hartmann hat seine erzählungen ohne zweifel an seinem hofe vorgelesen. Las er nun den Erec, während er am Gregor arbeitete, so konnten ihm wörter aus jenem, die er im Iwein zufällig nicht anwendet, sehr wol wider ins gedächtnis kommen. Diese möglichkeit hat Vos überhaupt nicht erwogen.

Ich kann also den sprachlichen beobachtungen von Vos nur wenig bedeutung beimessen. So weit sie brauchbar sind

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