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bestätigen sie meine oben neu begründete reihenfolge. Im allgemeinen zeigen sie, dass man mit dieser methode nicht viel ausrichten kann, weil sie überaus umständlich und unsicher ist.

Was nun die reime anbetrifft, so liegt auf der hand, dass aus der häufigkeit der reimvocale und gewisser reimgruppen nichts gewonnen werden kann (vgl. Helm a. a. o.). Auch die beobachtung der 'unreinen' reime hilft zu nichts. Höchstens könnte man in der völligen reinheit der reime des A. Heinr. einen beweis dafür sehen, dass diese dichtung die jüngste ist. Dafür ist sie aber auch die kürzeste.

Wert hat in diesem teil der arbeit von Vos nur die zusammenstellung über die rührenden reime. Es finden sich nämlich von solchen reimpaaren im

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Berücksichtigt man den umfang der dichtungen, dann ergibt sich, dass I. büchl. und Erec von den andern dichtungen durch eine grosse kluft getrennt sind. Iw., Greg., A. Heinr. stehen sich dagegen so nahe, dass man keine schlüsse ziehen darf. Genaueres für die reihenfolge der strittigen werke lernt man also nicht. Immerhin bekommt man wider ein unverächtliches zeugnis für das alter von I. büchlein und Erec (vgl. oben s. 27).

Es ergibt sich also aus den vorstehenden erörterungen: von den zwei gründen die ich für die chronologie des II. büchleins geltend gemacht, hat den ersten niemand angefochten oder gar widerlegt; der zweite ist zwar angegriffen worden, aber ohne ausreichende gründe. Vielmehr ist gerade meine chronologie der echten reimpaardichtungen Hartmanns von Schönbach angenommen. Das büchlein ist also tatsächlich nach sämmtlichen werken des Auers geschrieben. Es fällt an das ende der reihe, nicht in die mitte, wie Schönbach annimmt, ohne es zu beweisen. Dann kann es aber auf keinen fall ein werk Hartmanns sein, wie ich H. v. A. s. 57 f. zeige, in einer auseinandersetzung der ich auch jetzt nichts weiter hinzuzufügen habe.

Welche neuen positiven gründe führt nun Schönbach an, um Haupts annahme aufrecht zu erhalten? Er behauptet zunächst s. 361, das zweite (und vor allem erste) büchlein hingen mit Hartmanns liebeslyrik aufs engste zusammen. Das erste büchlein gehöre zum ersten, das andere zu einem zweiten minneverhältnis. Diese behauptung lässt sich nur dann rechtfertigen, wenn das II. büchlein spätestens mit dem Iwein gleichzeitig ist. Es muss aber weit hinter alle werke des Auers fallen, wie oben gezeigt. Also braucht man mit dieser annahme Schönbachs nicht weiter zu rechnen.

Ferner sagt Schönbach s. 368: 'dass der verfasser dieses ganz vorzüglichen [?] gedichtes nicht wol jemand anders sein kann als Hartmann von Aue, lässt sich meiner ansicht nach mit sicherheit erweisen. Meine analyse hat ihren zweck vollständig verfehlt, wenn es ihr nicht gelungen ist zu zeigen, dass die beiden stellen 121-136. 145-153, die mit MF. 214, 12 ff. 27 ff. wörtlich [?] übereinstimmen, in organischem zusammenhange mit dem vorausgehenden und nachfolgenden stehen. Kein ausschreiber. und nachahmer ist so geschickt, dass er andere in dieser weise zu citieren vermöchte; ganz abgesehen davon, dass der dichter des II. büchleins es wirklich nicht nötig hatte, von fremden zu borgen. Nur wer sich selbst anführt, verfügt so souverain über das angeführte'.

Ob es der dichter des II. büchleins nötig hatte zu borgen oder nicht, darüber unten. Tatsache ist jedenfalls, dass er überaus häufig aussprüche von gewährsmännern heranzieht, um seine erörterungen daran zu knüpfen oder um sie zur widerlegung zu brauchen. Autoren zu citieren ist der verfasser, vermutlich als kenner der rhetorik und dialektik, gewöhnt; war es doch auch in den lateinischen versen und der lateinischen prosa ganz üblich, phrasen und stellen berühmter dichter nachzuahmen oder einzuflechten. Der schreiber des büchleins hat mit diesen stellen aus Hartmann gewis nur einen beweis seiner kennerschaft liefern wollen und darin einen vorzug seines werkes gesehen. Warum soll ein nachahmer werke seiner vorgänger nicht auch einmal mit geschick benutzen, was hier entschieden der fall ist? Jenen allgemeinen erwägungen Schönbachs vermag ich keinen besonderen wert beizulegen.

Sind nun weiter die fraglichen stellen wirklich so organisch und unlösbar mit dem inhalt des II. büchleins verbunden?

Zunächst 121-136 MF. 214, 12-22. Schon oben ist angemerkt worden, dass Schönbach den gedankengang des liebesbriefes nicht immer richtig darstellt und namentlich darin fehlt, dass er eine fortlaufende dialektische gedankenentwicklung durch das ganze gedicht hin annimmt. Meine disposition auf s. 5 ff. zeigt das. Auf jeden fall beginnt mit v. 137 ein neuer unterteil (AI2), der dem gleichgestellt ist, der vorausgeht (A I 1) und dessen gedanke nicht aus dem vorhergehenden folgt. Die bemerkung Schönbachs s. 363 oben, mit v. 137 beginne die darstellung eines einzelfalles [zur begründung dessen was vorausgeht?] ist darum nicht zu billigen. Dort in A I 1 (v. 53-136) sagt der dichter, sein glückliches minneverhältnis habe ihm doch unglück gebracht; hier in A I2 sagt er weiter, ebenso bringe ihm die treue nicht freude sondern gerade pein. Also ist keine causale verbindung der teile I 1 und 2 vorhanden. Beide sind coordiniert.

Aber auch mit dem vorausgehenden sind die verse 121-136 nicht so organisch und unlösbar verbunden, dass sie nicht entlehnt sein könnten. Auch hier hat Schönbach den logischen zusammenhang nicht erkannt (s. 362 ff.). Er scheint mit v. 121 einen neuen gedankengang anzusetzen: ouch (v. 121) sei adversativ 'andererseits', eine entgegnung dialektisch einleitend. Aber das ist unmöglich. V. 121 ff. beginnt nicht einen neuen teil (ein solcher beginnt erst v. 137), sondern schliesst effectvoll den ersten. AI 1 hebt v. 53 (hinter der einleitung) nach gewohnheit des dichters mit einem allgemeinen erfahrungssatz an, den auch er anerkennen muss: 'ich höre, dass eine liebe die zum ziel gelangt, das schönste ist. Ferner (ouch v. 60) sehe ich selbst, dass glückliche liebe die herzen froh macht und zwar mit recht. Wenn man nämlich (v. 65) das los derer betrachtet, die da glücklich sind, dann ist in der tat nicht zu leugnen, dass ein glückliches minneverhältnis das beste leben ist, das gott geben kann'. V. 79 wird nun angedeutet, dass der dichter jener erfahrung entsprechend ein minneverhältnis und zwar ein 'vollkommenes' eingegangen ist. Aber (v.90-102) jenes glück ist gerade sein unglück geworden. Es ergibt sich

also, dass jener allgemeine satz falsch ist: vielmehr muss er sagen, sein glück bringe ihm unglück.

V. 121-136 setzt dieser leiden

'Darum (ouch v. 121) schreibe nieder, glücklich ist nur der,

Dieser gedanke, der zwischen v. 102 und 103 zu ergänzen ist, wird nun von v. 103-120 in emphatischer weise immer wider ausgesprochen. Das ich in v. 103, mich in v. 104 u. s. w. sind zu betonen. Die mannigfachsten antithesen müssen dazu herhalten, ihn einzuschärfen. schaftlichen rede die krone auf. ich das auch als eine wahrheit dem nie glück zu teil geworden'. Damit wird, wie man sieht, das gegenteil der allgemeinen behauptung zu anfang von teil AI 1 (v. 53 ff.) aufgestellt. Das ouch von v. 121 ist also keineswegs adversativ, sondern folgert bez. bekräftigt (vgl. Mhd. wb. 2, 1, 450 c).

Ohne zweifel ist das ganze sehr geschickt aufgebaut, und der paradoxe gedanke der die pointe bildet, sehr gut vorbereitet. Aber dass diese verse 121-136 so organisch und unlösbar in dem ganzen stünden, dass ein nachahmer sie nicht hätte anbringen können, finde ich nicht. An sich reichte es hin, wenn der dichter mit dem trumpf von v. 117-120 schlösse, der schon kräftig genug ist.

Ausserdem sieht man klar, wie der verfasser den abschluss dieses teiles, in dem er seine verzweifelte stimmung schildert, aus lauter nur leicht veränderten citaten zusammengebaut hat: v. 103-113 vgl. Iw. 7066-7074,

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Die mittel um seine gefühle auszudrücken, borgt er; die stelle des liebesbriefes, wo der grösste schwung gefühlt wird, ist nicht selbständig!

Gerade die verse also, die Schönbach zum beweis dafür verwendet, dass sie originell seien, beweisen evident, dass wir es mit einem nachahmer zu tun haben.

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Auch die andere stelle büchl. 146-153 MF. 214, 27-33 beweist nichts für Schönbach. Teil A I 2 beginnt wie 1 mit einer allgemeinen erfahrung (137-144): treue und beständigkeit soll für leib und seele von allem was glück ist, das beste sein. V. 145 wird die entgegengesetzte erfahrung gemacht und

zur darstellung die bekannte strophe Hartmanns benutzt. Vermutlich ist der ganze teil erst aus der antithese Hartmanns herausgewachsen: darum passt die stelle auch so gut hinein.

Aber warum soll ein nachahmer diesen teil nicht haben schreiben können?

Die verse 157-159 sind nach Schönbach s. 363. 369 citat aus einer liebesbotschaft der frau. Warum? Derartiges deutet der text nirgends an. Wenn ein dichter eben zwei strophen Hartmanns benutzt hat, dann liegt doch wol am nächsten zu glauben, dass er auch die andern lieder seines lieblingsdichters kennt und ausschreibt. Uebrigens sind die dort stehenden wendungen und die zu grunde liegende situation im minnesang so beliebt, dass sie der dichter des büchleins auch anderswoher als aus Hartmann haben könnte. Vgl. Reinmar MF. 192, 38 (v. 31 steht das angestlichen von büchlein 154, das bei Hartmann fehlt); Hausen ebda. 54, 1 dieselbe situation (vgl. bes. 55, 5).

Das MF. 212, 37 als Hartmannisch bezeichnete lied soll nach Schönbach s. 370 von einer dame gedichtet sein. Das II. büchlein sei die antwort Hartmanns darauf. Wo aber sind die gründe für diese behauptung?

Alle diese constructionen Schönbachs haben die vorgefasste, doch nirgends bewiesene annahme zur voraussetzung, das zweite büchlein und die darin benutzten lieder Hartmanns gehörten ihrer entstehung nach zusammen. Dass an eine solche beziehung nicht zu denken ist, habe ich oben nachgewiesen. Schönbachs darlegungen entbehren also der realen grundlage.

Meine ansicht, dass das sog. II. büchlein Hartmann nicht gehört, halte ich demnach als völlig unwiderlegt fest. Es ist also eine etwas verfrühte behauptung Helms, wenn er Lit.-bl. 1898, s. 264 seinen lesern versichert: 'das sog. zweite büchlein kann jetzt, nachdem Schönbach und Vos auf ganz verschiedenen wegen zum gleichen resultat gelangt sind, mit bestimmtheit als ein werk Hartmanns betrachtet werden'.

Wer ist nun der verfasser des liebesbriefes? Es finden sich darin stellen aus sämmtlichen werken Hartmanns, auch parallelen zu Wigalois, Freidank, Krone. Wörtlich benutzt ist eine strophe Burkards von Hohenfels. Wer Hartmanns verfasserschaft retten will, muss annehmen, dass die büchlein

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