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stellen original, die parallelen in den andern mhd. werken abgeleitet seien. Das wäre eine ausflucht die ein unbefangener von vorn herein ablehnen wird. Das büchlein rückt also mindestens in das zweite viertel des 13. jh.'s. Die untersuchung der metrischen technik, insbesondere der reimbrechung würde gewis ermöglichen, die chronologie noch genauer zu bestimmen.

Auf eins kann ich aber noch hinweisen. Wenn auch der verfasser als meister Hartmann verehrt, so kennt er doch auch Gottfried und ahmt ihm nach: vgl. v. 33-36 mit Trist. v. 1863 ff. Auch vierreim an prägnanter stelle wie büchl. 99-102 liebt Gottfried; vgl. Trist. 131-134. 233-236 ff. 11875 ff. Ja und das scheint mir ausschlaggebend - ohne Gottfrieds Tristan wäre das ganze büchlein wie ich glaube, nicht geschrieben.

Die situation des ritters im büchlein ist nämlich derjenigen ziemlich gleich, in der sich Tristan am ende von Gottfrieds dichtung befindet. Wie der dichter durch huote von seiner geliebten getrennt in der ferne weilt oder schweift, so ist auch Tristan fern von der blonden Isôt in Arundel. Auch ihm ist ein glückliches 'vollkommenes' minneverhältnis zum unglück geworden. Die stimmung beider liebenden ist ganz ähnlich. Dazu kommen einzelne beziehungen des inhalts.

Der verfasser des büchleins kennt als sicheres mittel gegen senedez leit daz man liebes müge mit liebe vergezzen.

Das mittel versucht er.

v. 19430

So denkt auch Tristan:

diz liep, daz mir sus wirret,
daz mir benimet lîp unde sin,
dâ von ich sus beswæret bin,
sol mir daz ûf der erden
v. 19465

gewende ich mîne sinne

mê danne an eine minne,

(Vgl. Büchl. 515.)

iemer gesenftet werden,

daz muoz mit fremedem liebe wesen.
Ich hân doch dicke daz gelesen
und weiz wol daz ein trûtschaft
benimet der anderen ir kraft.
ich wirde lîhte dervan

ein triurelôser Tristan.
nû sol ich ez versuchen.

Bei Ulr. v. Türheim (Massmann s. 498) heisst es dann übrigens weiter

Tristan lâ den unsin

unt tuo die gedanke hin
die dir dîn heil verkêrent

und gar dîn êre unêrent.

(Vgl. Büchl. 550-553.)

Die zweite Isôt heisst juncfrouwe 502, 19. Tristan und Isôt
Weisshand vermählen sich. Vgl. nun die erzählung von der
hochzeitsnacht und was folgt bei Ulrich: Massm. 503, 6. 7
Isôt, der er sich hâte verzigen,

diu kom im wider in den sin.

(Vgl. Büchl. 533. 534.)

Ebda. 33 ff. denkt Tristan den namen der fernen Isôt, während er eine andere Isôt triutet (vgl. Büchl. 532. 535). Dann Isôtes Vorwürfe 506, 20 ff.

dîn herze mich niht meinet.
ez ist diu blunde Isolde
diu diz gebot geboten hât.
ich hân diz nein und lige dâ
so ist si verre und hât diz jâ.

(Vgl. Büchl. 536 ff.)

Die zweifel an der beständigkeit der dame, die büchl. v. 644 bringt, lassen sich wenigstens mit Tristans zweifeln Gottfr. 19469 ff. einigermassen vergleichen, obgleich sie im übrigen anderer art sind. Auch das motiv der narrheit büchl. 171 ff. könnte mit dem Tristanstoff zusammenhängen.

Dass den büchleinstellen die herangezogenen verse der beiden dichtungen unmittelbar zu grunde lägen, soll hiermit nicht behauptet werden. Nur so viel scheint mir gewis, dass der dichter des büchleins motive dem Tristanstoff in der psychologischen vertiefung entnahm, wie ihn Gottfried in Deutschland zuerst bekannt gemacht hat. Das büchlein fällt offenbar in eine zeit, der die situationen des Tristan, und zwar ihrem seelischen gehalt nach, lieb und bekannt waren. Vor dem erscheinen des werkes Gottfrieds, also rund vor 1210, ist ein werk wie das büchlein nicht wol denkbar. Auch dies passt völlig zu der oben ermittelten zeit. Ich halte daher an meiner H. v. A. s. 60 gegebenen datierung 'um 1230' fest bis eine bessere nachgewiesen ist.

HALLE a. S., august 1898.

NACHTRAG.

Nach abschluss meiner untersuchung ist erschienen: Carl Kraus, Das sog. II. büchlein und Hartmanns werke (Abhandlungen zur german. philol., festgabe für R. Heinzel Halle 1898).

Ein hinweis auf diese sorgfältige und wertvolle arbeit möge hier noch platz finden.

Auch Kraus kommt zu dem ergebnis, dass das büchlein nicht von Hartmann verfasst sein kann. Bedeutsam ist, dass er auf ganz anderem wege dazu gelangt als meine arbeit. Weder literarhistorische noch metrische gründe führt er an, sondern rein technische: sprachgebrauch und reimgewohnheit. Er weist auf grund seines vollständigen materiales nach, dass die reime

II. büchl. 17 zerunne: sunne 822 hêre: mêre u.s. w. 409 daz ein zwein

II. büchl. 259 sinne inne
519 jugende: tugende
337 klagenne tragenne

für Hartmann unmöglich sind; ferner dass v. 653 swirt, v. 30 snellen list, 402 dol gegen seinen sprachgebrauch verstossen Endlich dass das büchlein, die echtheit vorausgesetzt, nicht in die chronologie der Hartmannschen werke passe und zwar aus gründen des sprachgebrauchs.

Wer sich gegen die kraft der gründe verschliesst, die ich aus der stilisierung der entlehnungen, aus der metrik und aus andern tatsachen hergenommen habe, wird für diese rein sprachlichen beobachtungen von Kraus vielleicht empfänglicher sein, obwol meiner meinung nach die von mir Hartm. v. Aue s. 43-45 festgestellte und oben s. 26 nochmals betonte tendenz allein schon die unechtheit sicher stellt. Diesen hauptteil meiner beweisführung hat man Piquet ausgenommen - leider nicht genügend beachtet, und das dürfte nicht zum wenigsten der grund gewesen sein, dass die überzeugung von der unechtheit so wenig an boden gewonnen hat. Selbst Kraus erwähnt jene meine ausführungen nicht, scheint ihnen also auch seine aufmerksamkeit nicht zugewendet zu haben.

Mit zuversicht meint der verf. andrerseits (s. 40), dass die werke Hartmanns die reihe bilden: I. büchlein (und lieder), Erec, Gregor, A. Heinr., Iwein. Das ist die folge der reimversdichtungen Hartmanns, die Lachmann und Haupt annehmen und zwar auf grund von reim- und sprachgebrauch. Auch K. Zwierzina hat sich dieser ansicht angeschlossen und sie, wenigstens für die reimpaardichtungen, in derselben festgabe für R. Heinzel mit sehr grosser sicherheit vorgetragen. Der titel seiner reichhaltigen und namentlich für das problem

Beiträge zur geschichte der deutschen sprache. XXIV.

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der mhd. dichtersprache wichtigen abhandlung ist: Beobachtungen zum reimgebrauch Hartmanns und Wolframs (s. 437 -511). Ueber die stellung der lieder äussert er sich hier nicht. Kraus hat sie im anschluss an meine beweisführung Beitr. 23 alle in die nähe des I. büchleins gesetzt: Zwierzina ist meiner argumentation minder geneigt (vgl. seine kritik s. 451 und 452 am schluss der fussnote). Es ist nicht nötig, deshalb auf die sache zurückzukommen.

Kraus und Zwierzina billigen die chronologie Lachmanns und Haupts. Das ist begreiflich, da sie dasselbe kriterium benutzen wie jene: den wechsel im sprachgebrauch, wie ihn die reimstatistik erkennen lehrt. Es ist nun nicht zu bezweifeln, dass dies kriterium von hohem wert ist. Aber die grundlagen der ansicht beider gelehrten kann man erst dann wirklich prüfen, wenn das ganze material in übersichtlicher form mitgeteilt ist, auf das sie ihre annahme stützen. Was in den beiden oben citierten aufsätzen beigebracht wird, genügt m. e., so anregend es ist, keineswegs, die ordnung der dichtungen zu sichern. Namentlich wäre es erwünscht, genauer die grundsätze zu wissen, nach denen der gesammelte stoff benutzt ist. Es scheint mir, als ob Zwierzina den gemachten beobachtungen gelegentlich etwas zu viel gewicht beilege. Und wenn er mir s. 451 fussnote vorwirft, ich hätte in meinem buch die interessantesten beobachtungen der altmeister unterschätzt, so will ich das für die zeit jener erstlingsarbeit (dissertation von 1889) nicht leugnen. Aber ich möchte doch darauf hinweisen, dass eben jene beobachtungen selbst die altmeister nicht gehindert haben, das II. büchlein für zweifellos echt zu halten, ein werk, dessen unechtheit nun auch für Zwierzina völlig feststeht.

Es handelt sich bei der chronologischen frage um die stellung des Iwein. Ich setze ihn wie nun auch Schönbach - genau in die mitte der fünf fraglichen dichtungen, Kraus und Zwierzina nach Lachmann und Haupt ans ende. Für meine ordnung 'I. büchlein, Erec, Iwein, Gregor, A. Heinrich' sprechen vor allem die einleitung des Gregor, die psychologische wahrscheinlichkeit und die entwicklung der metrik. Die ersten beiden momente sind an und für sich nicht ausschlaggebend, die metrische statistik aber fällt sehr in die wagschale. Durch

übereinstimmung mit deren ergebnis gewinnen dann auch die beiden ersten gründe bedeutend an wert. Für die reihe 'I. büchlein, Gregor, A. Heinr., Iwein' werden besonders von Zwierzina wortwahl und reimgebrauch angeführt.

Ist die reihenfolge Lachmanns richtig, so haben wir im Iw. eine metrische entwicklung bergab bei zunehmender 'verbesserung' der sprachform. Jene versstatistik aber bleibt, so lange sie nicht als verfehlt erwiesen ist, ein beweismoment, das nicht vernachlässigt werden darf. Wenn die anerkannte reihe 'I. büchlein, Erec - Gregor, A. Heinr.' und die unechtheit des II. büchleins durch sie bestätigt wird, so darf man den Iwein nicht ohne zwingenden grund ihrem bereich entziehen.

Nimmt man meine chronologie als richtig an, so muss man fragen: wie weit sind beobachtungen über wortwahl und reimtechnik für die zeitfolge zwingend? Mir scheint, dass Zwierzinas sammlungen in diesem punkt noch eine methodische bearbeitung vertragen.

Zunächst können jene sprachbeobachtungen nicht so bequem und einfach statistisch aufgenommen werden, wie metrische. Zahlen beweisen bei ihnen nur dann etwas, wenn sie relativ bedeutend sind.

Beobachtet man die glättung des verses, so kann i. a. rücksicht auf den inhalt bei seite bleiben. Für den sprachgebrauch und die reimtechnik ist der erzählte stoff aber von grosser bedeutung. Viele wörter die im Erec und Iwein zu brauchen sind, passen für den A. Heinr. nicht. Zwierzina deutet selbst s. 502 an, dass der reichliche gebrauch von dagen und verdagen im anfang des Iwein mit der situation zusammenhängt. Kommt also ein wort im Erec 30 mal, im Gregor 3 mal, im Iwein 1 oder 2 mal vor, so wird i. a. der unterschied von Erec und andererseits Gregor und Iwein für die chronologie bedeutung haben. Der unterschied zwischen Gregor und Iwein aber kann auf zufall beruhen. Trotz des verhältnisses 6:1 (bez. 31) ist er nicht bedeutend genug gegenüber dem verhältnis des Erec: Iwein (16: 1 oder 18: 1).

Die beobachtungen bei Zwierzina liefern, so weit ich sehe, fast durchweg grosse differenzen zwischen Erec einer- und Gregor, A. Heinr., Iwein andererseits. Aber das verhältnis

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