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allein sich die eigentümlichen formen erklären, die die moderne instrumentalmusik vorzugsweise benutzt und die der antiken rhythmik ganz fremd sind. Die hauptform des dekasyllabons ist im französischen ;ú~~~-- (bez. — ^).

Der anschaulichkeit wegen mögen hier einige analysen dekasyllabischer strophen folgen. Durch ligaturen (im schema durch angedeutet) und einmischung anderer verstypen wird das bild gelegentlich ein wenig verdunkelt.

Béranger, Le coin de l'amitié, in Musique des chansons de Béranger, Paris, Garnier frères, s. 14:

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- 8+ d― d

zeile 1a, 1b, 2a, 3a ist der zehn

3b, 4a des rhythmischen schemas zu sehen. silbler auf einen andern gepressten rhythmus componiert: in 2b ist ein achtsilbler mit vielen ligaturen so weit gestreckt, dass er für einen gepressten vierer ausreicht. Der primäre vierer würde in der umgebung von pressrhythmen stören. Derartige freiheiten sind erst neueren stiles: einfluss der instrumentalmusik liegt darin vor. Die vierte periode ist dreigliedrig. Aus der melodie folgt, dass der letzte sechssilbler ein b', d. h. eine schlusswiderholung ist. Vgl. Rhythm. § 10 (s. 49). Auch diese zeile ist hier auf einen gepressten rhythmus gezogen und tritt daher in 4b als gepresster abschnitt, in 4b′ als ge

presste dipodische reihe auf. Die primäre form des sechsers scheint noch aus der pressform heraus.

*

Andere modificationen des dekasyllabons zeigt ebda. s. 173: Treize à table:

Dieu, mes amis, nous sommes treize à table,
et devant moi le sel est répandu.
Nombre fatal! présage épouvantable!
la mort accourt: je frissonne éperdu,
la mort accourt: je frissonne éperdu.
Elle apparaît, esprit, fée ou déesse;
mais, belle et jeune, elle sourit d'abord,
mais, belle et jeune, elle sourit d'abord.
De vos chansons ranimez l'allégresse;
non, mes amis, je ne crains plus la mort,
De vos chansons ranimez l'allégresse

non mes amis, je ne crains plus la mort.

1. ~—--; -ú! | Aw; Jú⌁L

2. C.V.VL; JC.V.veo | ¿Vove; út!

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3. ^.V、. V L; plum-- | x.vu.v La; jú. Vu. VL __; J.VV (+4 mal als dehnung!)

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Zur erläuterung des rhythmischen schemas vgl. verf., Zur metrik Otfrieds v. Weissenburg (Festschrift für Sievers, 1896) s. 183. halbkürze, ~= 1 kürze +

V=

kürze, v = 1/2"

=^

1/2 kürze; = pause vom wert, ^=pause vom wert ~·. bezeichnet die cäsur, wenn die zusammenstossenden reihen des taktes wegen verkürzungen oder verlängerungen über ihren ursprünglichen wert erlitten haben. In reihe 3a.b habe

ich der übersicht wegen die pausen an den anfang gestellt. Streng genommen muss man sie an das anhängen, was ihnen vorausgeht. Doch kommt darauf hier nichts an. Im noten

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.

text wird durch, also durch, durch . vertreten.

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Interessant ist dies lied, weil hier die melodie öfters die früher s. 79 oben besprochene form des dekasyllabons zeigt,

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wenn auch ein wenig modificiert. So in reihe 1a, 2b', 3b'. Die form 3a, 3b ist in der heutigen musik sehr beliebt. Sie ist secundär entwickelt.

Die binnencäsur des dekasyllabons ist schon ihrer entstehung wegen rhythmisch unvergleichlich schärfer als die des einfachen sechsers, der eine primäre bildung ist. Man erwartet, dass sich auch im romanischen worttext der unterschied der rhythmischen grenzen bemerklich macht. Das ist, wie es scheint, wirklich der fall. Darauf möchte ich eben hier hinweisen.

Ich habe schon a. a. o. s. 79 die sog. epische cäsur des zehnsilblers herangezogen. Die scheinbar überschlagende silbe erklärt sich nur aus dem dekasyllabon (vgl. s. 78), zeugt also für dieses, wo sie sich findet. Im sechser würde sie zwingen anzunehmen, dass die dritte senkung aufgelöst sei und das ist unmöglich. Denn 'auflösung' oder genauer die besetzung zweier aufeinander folgender kürzen der melodie (in der function von masszeiten; ~) mit je einer sprachsilbe kennt die mittelalterliche romanische verskunst nicht. Sie braucht nur die ligatur, d. h. zwei1) kürzen der melodie auf eine silbe des textes.

A. a. o. s. 79 habe ich auch angenommen, es gäbe dekasyllaben mit überschlagender weiblicher silbe hinter der dritten. Ein vers wie et a Lengres seroie malbaillis wurde rhythmisiert: * LLLL - 2 - - - 7 ||

Nun würde sich ein contrapunktiker oder ein moderner operncomponist gewis nicht scheuen verse mit jener sog. lyrischen binnencäsur so zu componieren. Denn das alte romanische rhythmische system ist durch die polyphonie und jetzt durch den einfluss des instrumentalen stiles sehr verändert worden. Aber für die ältere zeit, d. h. die zeit der herschaft des homo

1) Auch mehr als zwei töne werden liiert, namentlich wenn sie den charakter von verzierungen tragen.

phonen calen stiles wiche formen anzunehmen ist nicht zuassig, weil dies dem princip ier silbenzahlung widerspricht. Die silbe gres schiesst tatsächlich nicht über, sondern zählt mit, sie ist zwar dem prachaerent nach anbetont, aber dennoch rhythmisch eine Tonsilbe': gl. Tobier? $5. Stengel, Gröbers Grundr. 2. 1. 1. §. 51 £

Nun ist klar, dass eine binnencäsur sehr schwach sein muss, wenn man unmittelbar vor sie eine unbetonte sprachsilbe stellen darf. Denn starke rhythmische einschnitte, also diáresen. casuren, binnencäsuren von pressreihen haben immer eine auch sprachlich betonte tonsilbe vor sich. Ist nun in einem textzehnsilbler die binnencäsur sehr schwach, so liegt nahe, hinter ihm nicht das dekasvilabon, sondern den sechser zu suchen. Somit wäre die sog. lyrische binnencäsur des zehnsiblers ein kriterium für den sechser, wie es die epische für das dekasyllabon ist.

Das scheint nach den angaben die von Tobler und Stengel gemacht werden, wirklich der fall zu sein. Das dekasyllabon ist der rhythmus der chansons de geste. Daher ist in der epik und überhaupt der erzählenden afrz. dichtung die epische binnencäsur beliebt (Stengel s. 50). Diese wird dagegen und, wie Stengel sagt, von anfang an in der nord- und südfranzösischen lyrik gemieden. Nicht weil in folge des einheitlich gestalteten tonsatzes der versmelodie die pause im innern der einzelnen verse nicht mehr zur geltung kam, zehnsilbler also auch dem bane nach wie einreihige verse behandelt werden mussten' (Stengel s. 50). Denn der zehnsilbler ist in jeder form eine reihe wie der achtsilbler und andere verse. Sondern der lyrische zehnsilbler wird eben in weitaus den meisten fällen rhythmisch etwas anderes gewesen sein als der epische: dieser das dekasyllabon, jener der sechser.

Dass das ursprünglich gewis französische dekasyllabon zunächst in die französische, dann auch in die provenzalische lyrik eingedrungen sei, ist wahrscheinlich. Umgekehrt kann man den erzählervers gelegentlich nach dem schema des lyrischen gebaut haben, um so leichter, wenn es sich dabei um sprechpoesie handelte; vgl. Stengel § 108.

Einen sicheren beweis für den sechser darf man in der

binnencäsur sehen, die Stengel § 109 'die schwache' nennt. Ihr schema ist

L

"
; ___ (bez. LT)

qui de s'amie respite sa joie

qu'elle te face bien sovent chanteir

(Tobl. s. 86); vgl. auch meine abhandlung s. 79 f. Es handelt sich da lediglich um den sechser mit 'verschobener' binnencäsur (ebda. s. 52. Rhythm. § 20). Diese binnencäsur brauchen die Griechen z. b. im iambischen trimeter, der bekanntlich ein (freilich akatalektischer) sechser ist:

Aesch. Prometh. τὸ σὸν γὰρ ἄνθος, παντέχνου πυρὸς σέλας.

Es ist sehr bezeichnend, dass diese 'schwache' binnencäsur nicht in der epik, sondern nur in der lyrik vorkommt (Tobl. s. 86). Wenn sie auch selten ist, so beweist sie doch für den rhythmus der zehnsilbler, unter denen sie sich findet, sehr viel. Dass Stengel s. 53 solche verse nicht cäsurlos nennen will, ist durchaus berechtigt. Wenigstens haben die von Tobler s. 86 mitgeteilten verse alle einen wenn auch schwachen einschnitt. Man darf dessen stärke aber nicht an der binnencäsur des dekasyllabons messen.

Zehnsilbler ohne binnencäsur, die Tobler s. 87 f. mit recht annimmt, können nur sechser sein, wie ich schon betont habe (s. 80). Die binnencäsur einer pressreihe fällt, so weit ich sehe, nicht einmal in der sehr freien modernen instrumentalmusik weg. Dagegen haben sechser ohne einen im text ausgeprägten einschnitt rhythmisch nichts ungewöhnliches. Tobler rechnet mit recht dazu auch die fälle, wo in liedern (nicht im epos) der zehnsilbler hinter der sechsten betonten einen einschnitt hat. Man vergleiche hierzu fälle wie Aeschylos Prom. 6: ἀδαμαντίνων δεσμῶν ἐν ἀρρήκτοις πέδαις.

Im epos, auch den romanzen 1,5 und 1, 16 (Bartsch) sind solche verse ganz anders zu beurteilen (Tobler s. 87. Stengel § 110). Dort gibt es einen typus, in dem sich die silben in 64 gruppieren. Dabei ist die sechste sprachlich und rhythmisch eine tonsilbe und dahinter liegt eine auch im text scharf ausgeprägte binnencäsur. Z. b. Rom. und past. 1, 5 Lou samedi

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