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daß kein von der hellenischen Kirche vollzogener Akt als ein legaler in Rußland werde betrachtet werden, vergebens habe er seine goldenen Pharapharnalien, seine bärtigen Priester und bartlosen Sänger von Moskwa gebracht; vergebens habe er den Priester Defonomos und den Mönch Germanos bezahlt, damit jener gegen die Kezer schreibe, dieser gegen sie predige, die Maßregel sei weise, folglich populär gewesen. Jezt aber sei Herr von Rudhart, durch Destreichs Vermittelung, mit Herr Katakast mehr als ausgesöhnt; erneuert sei die Frage wegen der Kirchentrennung; Defonomos habe den Erlöserorden erhalten und bereits sprenge man aus, Se. Majestät fühle sich geneigt, die Wünsche ihres Volkes zu erfüllen, und die griechische Kirche wieder unter die Leitung des Patriarchen von Constantinopel zu stellen.

Bierter Abschnitt.

Diese Kirchenverfassung mit einer permanenten Synode" gefährdet die dogmatische Einheit des Glaubens.

S. 45.

Eine permanente Synode ist wohl geeignet die gewöhnlichen Angelegenheiten der Kirche zu besorgen, und darüber nach den bestehenden Kirchengesehen zu entscheiden. Wenn sich aber Anstände in der Kirche erheben, wenn irgend ein Dogma angegriffen wird, oder ein neuer Irrthum sich in die Kirche einzu schleichen droht, wo ist dann das Tribunal, welches die Frage entschiede, dem Irrthume steuerte und das Gemüth der Gläu bigen mit Vertrauen erfüllte? Die permanente Synode ist einmal dieses Tribunal nicht; denn wie könnten einige von weltlichen Machthabern berufene Bischöfe im Stande sein, über den allgemeinen Glauben der Kirche zu urtheilen, die h. Schrift und die Ueberlieferung zu prüfen und zu entscheiden, was von jeher, zu allen Zeiten, in allen Jahrhunderten und von allen Kirchen gelehrt und geglaubt worden ist? In einem

solchen Falle wird man sagen, beruft der König ein Concilium 1). Aber wir fragen: Ist ein solches griechisches Concilium im Königreiche, das kaum den fünften Theil der griechischen Nation in sich faßt, ermächtigt, im Namen der griechischen Kirche eine schwierige dogmatische Frage zu lösen, oder eine dogmatische Entscheidung zu geben, und diese als Glaubensnorm den Gläubigen vorzuschreiben? Fehlt ihm nicht die Eigenschaft der vollkommenen Kirchenrepräsentation und mithin auch der Charakter der Untrüglichkeit? Denn es ist ja Lehre der morgenländischen wie der abendländischen Kirche, daß nur die Gesammtkirche in ihren Repräsentanten, den Bischöfen, in Glaubens- und Sittenlehren ein untrügliches Urtheil erlaffen kann. Auf diese Weise hat sich auch die eigentlich griechische Kirche immer erklärt. Nun aber ist nach den gegenwärtigen Fundamentalgesehen der griechischen Kirche ein ökumenisches Concilium gar nicht denkbar; denn ausdrücklich bestimmen diese, daß die Synode, unabhängig von jeder äusseren geistlichen Behörde, die kirchlichen Angelegenheiten leiten soll; fie schließen dem zufolge die griechische Kirche im Königreiche von jeder Verbindung mit den übrigen Kirchen des Drients und Occidents aus. Aber auch abgesehen von diesen Fundamentalbestimmungen wäre ein ökumenisches Concilium nicht leicht denkbar, weil es, soviel ich weiß, weder durch den Kaiser von Rußland, noch durch den König von Griechenland, noch durch den Sultan von Conftantinopel, noch durch irgend einen Bischof der morgenländischen Christenheit zusammengerufen werden kann. Und wenn eine Generalsynode sich versammelte, wer würde als Haupt der Versammlung vorstehen und die Leitung der Geschäfte übernehmen, da keine Kirche der andern untergeordnet, sondern alle durch die Synodalverfaffung in gleichem coordinirten Ver hältnisse zu einander stehen?

S. 46.

Da man aber in dieser Lage der Dinge so ziemlich von der Unmöglichkeit eines allgemeinen Conciliums überzeugt ist, so muß

1) Art. 22.

man zu dem sonderbarsten Mittel seine Zuflucht nehmen, nämlich) in Abrede zu stellen, daß es mehr denn sieben Concilien in der Kirche geben könne, und zu behaupten, daß durch diese allge= meine Kirchenversammlungen, welche vor der Spaltung Statt gehabt, Alles entschieden worden sei und daß man feine neuen. mehr berufen dürfe. Erinnert man sie an die evidentesten Marimen jeder denkbaren Regierungsverfassung, fragt man sie, was sie für eine Idee sich machen von einer menschlichen Gesellschaft, von irgend einem Zusammenleben ohne Oberhaupt, ohne gemeinschaftliche geseßgebende Gewalt und ohne Nationalversammlung; so weichen sie aus, um nach einigen Umschweifen wieder auf die alte Behauptung zurückzukommen, daß kein Concilium weiter nöthig und daß Alles entschieden sei. Sie führen sogar sehr ernsthaft die Concilien an, welche entschieden haben, daß Alles entschieden sei. Und weil diese Versammlungen sehr weise verboten hatten auf abgemachte Fragen zurückzukommen, so folgern sie daraus, daß man keine andern mehr verhandeln noch entscheiden dürfe, wenn auch das. Christenthum durch neue Keßereien. sollte angegriffen werden. Daraus folgte dann, daß man in der Kirche Unrecht gehabt, sich von Seiten der Lateiner zu Trient und von Seiten der Griechen zu Constantinopel, zu Jerusalem, zu Jassi und auf den jonischen Inseln zu versammeln, um die Irrthümer Luthers und Calvins zu verdammen, weil bereits Alles durch die ersten Concilien entschieden war. Aber ich meine, gerade diese Versammlungen hätten gezeigt, daß, sowie der Irrthum in der Welt nicht ausstirbt, auch die Concilien als die wahren Gerichtshöfe der Wahrheit nicht aussterben dürften, und daß, wo diese unterbleiben oder ganz unmöglich gemacht sind, dem Irrthume Thor und Thüre geöffnet werden.

Die griechische Kirche hat sich zwar seither von dem Andrange des Irrthums im Wesentlichen des Glaubens frei erhalten, weil es ihr unter ihrem gemeinschaftlichen Haupte, dem Patriarchen zu Constantinopel, immer noch möglich gewesen ist, sich zu versammeln, die apostolische Lehre zu prüfen und eine positive Entscheidung zu erlassen. Sie hat auch eine besondere Thätigkeit und Energie entfaltet, als die Neuerer des sechszehnten Jahr

hunderts es wagten, die Hinterlage des göttlichen Glaubens anzugreifen und die kirchliche Autorität zu vernichten. Wir erinnern deßhalb an die kleineren und größeren Versammlungen; an die Synoden zu Pera, Siphanto, auf den Inseln Anaria, Cephas lonia, Zante, Ithaka und Mykon im Jahre 1671; an die Concilien zu Constantinopel im Jahre 1642 und 1672, und an die Concilien zu Jerusalem und Jassi im Jahre 1672, die alle keinen anderen Zweck hatten, als um, gestügt auf Schrift und Tradition, den Irrthümern der Lutheraner und Calvinisten das Anathema zu sprechen, und ihnen, die auch in die griechische Kirche einzudringen versuchten, einen kräftigen Damm entgegenzusehen. Die gemeinschaftliche Gefahr vereinte sie zur kräftigen Gegenwehr.

S. 47.

Einen starken Beleg zu unsrer Behauptung liefert die russische Kirche. So lange die russische Kirche von der griechischasiatischen Kirche abhängig war, stand sie unter der besondern Obhut des Patriarchen zu Constantinopel, der auch über sie die Segnungen einer im Glauben und Liebe vereinten Kirche ver breitete. Seitdem sie aber von Constantinopel losgeriffen und blos von der geseßgebenden Synode und der Macht des Kaisers abhängig ist, hat sie ihren eigentlichen Sions- oder Glaubenswächter gänzlich verloren; und ganz Rußland ist dem Andrange des Unglaubens und der falschen Aufklärung nach allen Seiten hin ausgesezt. Peter der Große ließ zwar, vielleicht im Vorgefühle der Nothwendigkeit, für alle seine Unterthanen einen Katechismus einführen, welcher alle von der morgenländischen Kirche angenommenen Dogmen enthält; aber dieses geschriebene Glaubensbekenntniß, dem kein lebendiger und unfehlbarer Erklärer oder Ausleger zur Seite steht, und welches die Glaubenslehre dieser Kirche nicht in ihrer ganzen Tiefe und Vollständigkeit enthält, konn unmöglich einen festen Widerhalt bilden gegen den starken Anstrom lutherischer und calvinischer Grundsäge, von allen Seiten her in das ruffische Reich und in die Geistlichkeit eindringen. Denn seitdem die Lutheraner und Refor

die

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mirten von den Griechen auf das Bestimmteste abgewiesen, und ihre Irrthümer in ihren Kirchenversammlungen auf das Ent schiedenste verdammt worden sind, richten sie ihre Aufmerksamkeit mehr auf die russische Kirche, wohl wissend, daß ein Landesconsistorium nicht vermögend ist, für die Aufrechthaltung des Glau bens Sorge zu tragen. Und so ist denn auch Rußland für diese in Deutschland entsprungene Sekten ein wahrer Tummelplaß geworden, wo sie ihre falschen Grundsäße zu Markte bringen und ausbieten. Wir wissen gar wohl, wie übertrieben die protestantischen Theologen von der russischen Kirche reden, wie sie sich alle Mühe geben uns begreiflich zu machen, daß Rußland und Griechenland seinem Glauben nach Wittenberg näher stünden als Rom. Zum Beweise will ich nur ein Beispiel anführen. Der auf Befehl Peters verfaßte Katechismus wurde im Jahre 1725 ins Englische übersegt, mit einer Vorrede, welche deßhalb hier angeführt zu werden verdient und also lautet: Dieser Katechismus, sagt der Ueberseger, athmet den Geist des großen Mannes, auf deffen Befehl er verfaßt worden ist. Dieser Fürst hat zwei Feinde überwunden, die furchtbarer find als Schweden und Tartaren, ich meine den Aberglauben und die Unwissenheit, die noch dazu durch die hartnäckigste und unersättliche Gewohnheit begünstigt waren. Ich schmeichle mir, daß diese Uebersezung die Annäherung der englischen und ruffischen Bischöfe erleichtern werde, damit sie durch ihre Vereinigung beffer in Stand gesezt werden, die abscheulichen und blutgierigen Absichten der römischen Geistlichkeit zu vernichten 1).... Die Russen und die Reformirten kommen in mehreren Glaubensartikeln eben so sehr überein, als sie von

1) Man wundert sich vielleicht, daß noch im Jahre 1725 eine so starke Uebertreibung in England habe gedruckt werden können? Ich wollte mich indessen anheischig machen in den Werken der englischen und deutschen Doctoren unserer Tage noch viel wunderbarere Stellen aufzuweisen. Den Engländern empfehle ich aber zur Berichtigung ihrer falschen Ansichten nur ihren Landsmann Cobbet zu lesen, der mit Meisterhand die Reformation als ein blutgieriges Ungeheuer geschildert hat.

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