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· Synode in Griechenland,“ sagt ein öffentliches Blatt, „hat große Aufreizung unter den Griechen in Constantinopel erregt, die sich theilweise für den Patriarchen, theilweise für die neue Synode erklärten. Auch wäre der Patriarch von Constantinopel, ein Mann von vielem Verdienst und Verfasser mehrerer Schriften, wirklich Willens gewesen, die Synode von Griechenland als schismatisch laut zu verwerfen."1). Doch sollen ihn politische Gründe von diesem Schritte abgehalten haben.

S. 62.

Hat das Gebäude der morgenländischen Kirche, das auf kirchlicher Einheit und Gemeinschaft beruhte, schon mit Errichtung der ruffischen Synode einen gefährlichen Stoß erhalten, so drohet nun dessen gänzlicher Einsturz, seitdem auch Griechenland eine permanente Synode errichtet und sich dadurch von den Vorstädten Constantinopels losgerissen hat. Es fehlt ihr jezt das äußere Band, welches die über Rußland, Griechenland und Aften verbreiteten Kirchen als ein Ganzes zusammenhielt, und dem kirchlichen Organismus den Geist des Lebens, der Bewegung und der geregelten Ordnung mittheilte. Es begegnet ihr, was nothwendig jeder nichtkatholischen Kirche zulegt begegnen müß, die, bloß durch die Gewalt der Dinge zusammengehalten, allemal damit enden wird, von dem weltlichen Machthaber abzuhängen. Es gibt demnach keine morgenländische Kirche mehr, weil der äußere Zusammenhang und die gemeinschaftliche Verbindung unter den Gliedern aufgehoben ist; sondern lauter Nationalkirchen. Diese Betrachtung führt mich zur Entwicklung einer Wahrheit, die man nicht genug beachtet, obgleich sie sehr beachtet zu werden verdient; daß es nämlich, da alle diese Kirchen die Einheit verloren haben, unmöglich geworden ist, sie unter einen gemeinschaftlichen und positiven Namen zu bringen. Soll man sie orientalische Kirche nennen? Nichts ist gewiß weniger orientalisch als Rußland, vorzüglich seitdem es von dem Patriarchen zu Constantinopel fich losgeriffen hat. Oder wollte man sie lieber ruffische

1) Journal de Smyrne vom 10. Nov. 1833.

Kirche nennen? Dieser Name würde zwar den größten Theil des Ganzen umfassen, aber er würde Griechenland und die Levante ausschließen; auch könnte die Macht und Würde des Reiches den Sprachfehler, der im Grunde allemal bleiben wird, wenig entschuldigen. Oder soll man, zum Beispiel, griechische Kirche sagen statt orientalischer Kirche? Dieser Name würde eben so irrig sein; denn selbst die Griechen gehören nicht einmal mehr zu einer Kirche zusammen, da die Kirche des neuen Königreichs Griechenland kaum den fünften Theil der griechischen Bevölkerung in sich faßt. So lange man in der Welt nur Rom und Constantinopel sah, folgte die Theilung natürlich der des Reiches, und man sagte abendländische Kirche und morgenländische Kirche, wie man sagte Kaiser im Occident und Kaiser im Orient; und selbst damals würde diese Benennung, was man wohl bemerken muß, falsch und irrig gewesen sein, hätte nicht ein und derselbe Glaube die beiden Kirchen unter der Suprematie eines gemeinschaftlichen Oberhauptes vereinigt, weil unter dieser Voraussetzung fie gar keinen gemeinschaftlichen Namen würden gehabt haben, und es sich doch gerade nur um diesen Namen handelt, welcher katholisch und allgemein sein muß, um die gänzliche Einheit darzustellen. Man weiß, daß die getrennten Kirchen sich selbst orthodor nennen; aber welche Kirche hält sich nicht für orthodor? und welche Kirche bewilligt diesen Titel andern, die nicht mit ihr in Gemeinschaft sind? - Eine große und herrliche Stadt in Europa ist zu einem interessanten Vergleiche geeignet, den ich allen Denkenden in Vorschlag bringe. In einem ziemlich engen Raume finden sich dort Kirchen aller christlichen Gemeinden zusammengedrängt. Man sieht daselbst eine katholische Kirche, eine russische Kirche, eine calvinische Kirche, eine lutherische Kirche, eine armenische Kirche; es fehlt, glaube ich, nichts als eine griechische Kirche. Saget nun einmal zum Ersten, dem ihr auf eurem Wege begegnet: Zeigt mir die orthodore Kirche! Jeder Christ wird euch die seinige zeigen; bereits ein großer Beweis einer gemeinschaftlichen Orthodorie. Saget ihr aber: Zeigt mir die katholische Kirche! so werden sie antworten: Da ist sie! und Alle werden euch eine und die nämliche zeigen. Sie allein hat einen

Ramen, über den die ganze Welt einverstanden ist; denn da dieser Name die Einheit ausdrücken soll, die sich nirgend findet, als in der katholischen Kirche, so kann diese Einheit da, wo sie ift, nicht verkannt, noch da, wo sie nicht ist, vorausgesezt wer den: Freund und Feind, die ganze Welt ist über diesen Punkt einverstanden. Niemand streitet über den Namen, welcher so =evident als die Kirche ist. Seit dem Ursprunge des Christenthums hat die Kirche den Namen getragen, den sie heute trägt, und nie hat ihr Name sich verändert; kein Wesen aber kann verschwinden, oder auch nur sich verändern, ohne seinen Namen zu verlieren. Nie, nie werden die getrennten Kirchen sich einen gemeinschaftlichen Namen geben können, welcher die Einheit ausdrückte, da keine Gewalt, wie ich hoffe, das Nichtdasein zu benennen vermag. Sie werden sich daher Nationalnamen, oder anmaßliche Namen geben, die gewiß allemal gerade die Eigenschaft ausdrücken werden, welche diesen Kirchen mangelt. Sie werden sich reformirt, evangelisch, apostolisch, englisch, schottisch, orthodor u. s. w. nennen: lauter offenbar falsche Namen, die sogar ihre eigenen Ankläger sind, weil sie in gewissem Betrachte neue, besondere und für jedes Ohr, welches nicht zu der Partei gehört, selbst lächerliche Namen sind; was jede Idee von Einheit und folglich von Wahrheit ausschließt.

Sechster Abschnitt.

Diese Kirchenorganisation mit einer „permanenten Synode" hebt die Selbstständigkeit der griechisch-russischen Kirche auf, schwächt die wohlthätige Wirksamkeit der geist lichen Macht, und ist kein Mittel, dem Klerus einen höhern Aufschwung zu verleihen, und ihn zu seiner ursprünglichen Würde zu erheben.

S. 63.

Die definitive Festsetzung der kirchlichen Verhältnisse Griechenlands, die Unterordnung der „permanenten Synode“ unter das Ministerium des Inneru, die Ausscheidung des Reinkirchlichen,

Gemischtkirchlichen und Weltlichen, die Beseßung aller Kirchenämter durch die weltliche Macht, bis auf die Erklärung des katholischen Königes zum Oberhaupte der orthodor griechischen Kirche, ist uns ein sicheres und zuverlässiges Kennzeichen von der gänzlichen Unterwürfigkeit der griechischen Kirche unter die weltliche Suprematie. Der Helios" meint zwar, dieß sei ganz der Weg, den Klerus wieder zu der Würde zu erheben, die er unter den byzantinischen Kaisern gehabt, und die „Athene“ sagt: „Wer daran zweifeln wollte, dürfte nur die Kirchengeschichte nachlesen.“ Beide Blätter vertreten die französische Meinung von der gänz lichen Unterordnung des Klerus unter die weltliche Macht, und finden darin einen Fortschritt zur Civilisation. Wir können aber die Meinung dieser Blätter keineswegs theilen, und in der Aufhebung der geistlichen Selbstständigkeit ein Mittel finden, dem Klerus einen höheren Aufschwung zu verschaffen; vielmehr glauben wir, daß der Fortschritt zur Civilisation nur da erwartet werden könne, wo die verschiedenen Kräfte und Elemente des geselligen Lebens fich frei bewegen, und in ungestörter Selbstständigkeit zu einem schönen harmonischen Ganzen sich entwickeln. Eine wahrhaft lebendige Kraft beruht nicht auf der Vertilgung alles fremden Lebens um sich her; vielmehr wird ein Herrscher von starkem Geiste und von großer Seele um so mächtiger sein, je mehr Leben und freie Kraft auch in allen übrigen Theilen des ganzen Staatskörpers waltet, wie die Geschichte so vieler großen Regenten zur Genüge beweist. Es waren in der früheren Zeit oft gerade die mächtigsten Kaiser, wie Constantin, Theodofius und Karl der Große, welche der geistlichen Gewalt viel einräumten, indem ihnen dieß das zweckmäßigste und gerechteste Mittel schien, Cultur und Gesittung zu verbreiten, die Kirche zu reformiren und die alten strengen Geseze, so weit es die Umstände erlaubten, wieder in Anwendung zu bringen. Damit nicht bloß der Staat, sondern auch die Kirche in gleichmäßiger Verfassung und strenger Ordnung regiert werde, schien es ihnen nothwendig, die geistliche Gewalt aufrecht zu erhalten und in vielfache Wirksamkeit zu feßen. Nur da erblühet die Cultur, die Gesittung und wahre Humamität, erstarkt der religiöse Glaube, entfalten die Künste und

Wissenschaften ihren herrlichen Flor, wo die Herrscher sich groß und stark genug fühlen, um auch Andern freien Spielraum, Macht und Ehre in ihren von der Natur und Vernunft angewiesenen Gränzen zu gönnen.

$. 64.

Wer nur ein wenig von der Geschichte weiß, sagt ein Protestant bei Erwähnung der russischen Synode, wird in dieser Einrichtung ein wirksames Mittel finden, damit die Geschichtsbücher nicht mit Handlungen eines Gregor befleckt werden 1). Allerdings ist diese Einrichtung mit permanenten Synoden ein wirksames Mittel, daß keine Geistesmänner entstehen, wie Gregor, Alerander, Innocentius, denen auch die geistreichsten Geschichtsforscher, die ihrem Glaubensbekenntnisse nach ihre Gegner find, wie Johannes von Müller, Heeren, Herder, Johannes Voigt, Luden und Hurter, das glänzende Zeugniß geben, daß sie mit Kraft und Energie den weltlichen Despotismus aufgehalten, die Freiheit der Völker beschüßt, und die Kirche mit Weisheit regieret haben, die überall nothwendig ist, wo etwas Großes und Ausgezeichnetes für Kirche und Staat geleistet werden soll. Denn wo alle freie Lebenskraft in eine gewisse Sphäre gebannt und eingeschloffen ist, wo die Gränze aller geistlichen Wirksamkeit mit einer ängstlichen Sorgfalt überwacht wird, wo die weltliche Macht den willkürlichsten Einfluß ausübt und die freie Bewegung der Kirche hemmt und darniederhält, da fließt das kirchliche Leben nur dürftig dahin, geringen Segen verbreitend; da hingegen Deden und wüfte Steppen in die fruchtbarsten Saatfelder und ergiebigsten Weinberge verwandelt werden, wo das kirchliche Leben aus voller Quelle und in ungehemmter Strömung dahinfließt. Nur da entwickeln sich die geistigen, religiösen Kräfte und die Heroentugenden eines Athanasius, Basilius und der Gregore in reichlicher Fülle und in fruchtbarer Verbreitung, wo die Pfleger des Heiligthums, die treuen Wächter Sions, in offener Rede

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1) Kurzer Abriß der russischen Kirche. Erfurt 1783. Der Verfaffer spricht S. 28. von der ruffischen Synode.

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