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dunkeln Zeit auf uns herüberschimmernden Lichte ist es schwer, eine entscheidende Meinung vorzutragen. Wie dem auch sein mag, soviel ist gewiß, daß der Metropolit Theopempt von 1035 bis 1047 mit allgemeiner Uebereinstimmung als Haupt der rusfischen Kirche anerkannt wird. — Als nach des russischen Metropoliten Ephraim Tode im Jahre 1095 Nikolaus aus Constantinopel zum russischen Metropoliten eingesezt ward, herrschte während seines zehnjährigen Hirtenamtes die größte Uneinigkeit unter den Fürften, und Barbarei gesellte sich zum blutigen Kampfe der Entzweiten. Mit Ernst erhob daher Nikolaus eine feste Stimme, sprach im Namen des bedrängten und unglücklichen Volkes um Frieden und Einigkeit unter Wladimirs und. Swjätoslaw's Söhnen, und ermahnte sie, das Vaterland nicht durch Bürgerkrieg zu zerstückeln, damit der von außen lauernde Feind sich dessen nicht erfreue 1). Auch erflehte er nebst der Geistlichkeit vom Großfürsten Swätopolk die Freiheit des mit Ketten schwer beladenen Fürsten Jaroslaw, des eigenen Neffen des Großfürsten 2). Solche Handlungen zeugen von einem im Geiste des wahren Christenthums lebenden Hirten, und wenn uns die Chroniken auch nichts mehr von Nikolaus berichteten, müßten wir ihn schon dieser Züge wegen für einen frommen, sein neues 3) Vaterland aufrichtig liebenden Mann halten; anderntheils dienen uns aber diese Beispiele zum Beweise, daß der Einfluß des Metropoliten und der höhern Geistlichkeit auf die Fürsten nicht unbedeutend gewesen sein müsse *).

$. 69.

Auf den Metropoliten Nikolaus folgte Nicephorus, ein Grieche, der fünfzehn Jahre lang das Oberhirtenamt führte. Er war vom conftantinopolitanischen Patriarchen Nikolaus nach Einigen 1104, nach Andern 1106 nach Rußland geschickt, kam

1) Neftor S. 157. Nicon II. 24. 2) Neftor S. 166. Nicon II. 33. 3) Er war ein Grieche.

4) Gesch. der ruff. Kirche von Ph. Strahl. I. Th. S. 124.

am 6. Dezember in Kiew an, und übernahm am 18. beffelben Monats die Oberleitung der Kiew'schen Metropole. Er glänzte durch Bescheidenheit, Beredsamkeit und tiefe theologische und philosophische Kenntnisse. Zu seiner Zeit glich Rußland einem weiten Kriegslager, das Getöse der Waffen gönnte dessen Bewohnern keine Ruhe, und sowohl durch innere Fehden der Theilfürsten unter sich, als durch blutige Kriege mit den treulosen Polowizern war alle Sicherheit der Person und des Eigenthums gestört und verschwunden. Gleich seinem Vorgänger trachtete auch er den Frieden unter den russischen Fürsten zu erhalten 1).

Von dem Metropoliten Michael II., der als Grieche im Jahre 1127 von Conftantinopel kam, erzählen die Chroniken, er habe vorzüglich gute Sänger mitgebracht, die dort im Gesang Unterricht ertheilt hätten. Auch er war ein Freund des Friedens und suchte ihn auf alle mögliche Art zu erhalten, aber der friegerische beutesüchtige Sinn der Theilfürsten, der Haß der beiden Fürstenhäuser Oleg und Monomach und die Schwäche der großfürstlichen Macht erlaubten keine Ruhe, und kaum hatte der Friede durch seine Bemühung einige Monate gedauert, so entbrannte der Krieg wieder von neuem. Doch einigemal besänftigte er die kriegerischen Fürsten und schenkte Ruhe dem Lande. Dieses geschah 1136, als er den Großfürsten Jaropolk mit seinen Vettern, den Söhnen Oleg's, versöhnte, in beider Lager ging, und die Vereinten nach damaliger Sitte zur Bekräftigung ihrer friedlichen Uebereinkunft das heilige Kreuz küffen ließ. Und später, als nach Jaropolks Tode 1139 Wsewolod Olgowitsch und Metscheslaw Wladimirowitsch sich um den großfürstlichen Thron ftritten, versöhnte er beide, erndtete dafür vom neuen Großfürsten Wsewolod Ehren und Auszeichnung, Kirchen und Klöster aber wurden von Wsewolod reichlich begabt 2).

S. 70.

Auf ihn folgte Klemens mit dem Beinamen Smolätitsch; er war ein Nufse aus Smolensk oder Kiew gebürtig, ein Mönch

1) Daf. S. 128.

2) Das. S. 142.

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von der strengen Observanz, und zeichnete sich sowohl durch feltene Lebensflugheit, als durch einen höchft tugendhaften Lebenswandel und einen weit verbreiteten Ruf von großer Heiligkeit aus. Die russischen Chroniken sagen von ihm, daß er ein in der Theologie und Philosophie tief gelehrter Mann und ein vortrefflicher Lehrer der russisch-griechischen Kirche gewesen sei, daß seines Gleichen Rußland nie besessen, und er viele Schriften zur Erbauung und Belehrung des Volkes verfertigt habe" 2). — Wäh rend des Metropoliten Constantin's achtjährigem Oberhirtenamte wüthete der Bürgerkrieg zwischen den entzweiten russischen Fürsten vorzüglich im südlichen Rußland mit aller erdenklichen Macht, und vergebens bemühte er sich, die Gemüther zu besänftigen und Eintracht unter die Fürsten zu bringen. Im herrlichsten Lichte eines friedliebenden Hirten zeigte sich der Metropolit Nicephorus II., der dem Fürsten von Kiew folgenden Rath ertheilte: „Unsere Pflicht ist, den Frieden unter den Fürsten zu erhalten, darum föhne dich mit deinen ältern Verwandten aus, und befriedige deinen Eidam durch andere Städte; klage also Gott dem Herrn dein Leid, er wird dir den Schwur um des Friedens willen zurückgeben, und hält dich Roman für treubrüchig, so laste diese Sünde auf meinem Gewissen." So wäre der Friede durch Nicephorus weisen Rath und Einfluß in Südrußland erhalten worden, hätte Roman nicht falschem Argwohn sich hingegeben und die Waffen ergriffen. Aber nachdem er geschlagen ward und seine Schuld bekannte, vermittelte der Metropolit von neuem zwischen ihm und seinem Schwiegervater den Frieden, und bewog felbft legtern, Roman zwei Städte als Lehen zu überlassen 2).

S. 71.

Der Metropolit Cyrill lebte in einer bedrängnißvollen Zeit. Eine fürchterliche Peft, wie kaum die Geschichte eine ähnliche zeigt, so wie eine gleiche Hungersnoth stürzte Tausende ins Grab, erstichte alle menschlichen Gefühle, und verödete Dörfer und

1) Niconische Chronik. II. 95. II. 153.
2) Strahls ruff. Kirchengesch. S. 191.

Städte, ja das ganze Land. Bürgeraufruhr und blutige Fehden zwischen den regierenden Fürstenstämmen wütheten faft in allen Provinzen und spalteten die nächsten Familienglieder in entgegengefeßte Parteiungen. Die Furcht vor den Tartaren aber, die zwar ihren großen Sieg an der Kalka 1224 nicht benugt hatten, sondern wieder in ihre öftlichen Steppen zurückgekehrt waren, deren baldiges Wiedererscheinen man jedoch mit Recht ahnen mußte, erfüllte Alles mit Schrecken und Entsegen. In dieser bedrängnißvollen Lage erschien der Oberhirt überall, wie ein tröstender schüßender Engel; als ein Freund des Friedens vers söhnte er die Parteien, und ließ sich's auch besonders angelegen sein, die Streitigkeiten zwischen den beiden Erzbischöfen von Nowgorod, Antonius und Arsenius, beizulegen 1). — Der Metropolit Cyrill II., der 1280 starb, hatte ein und dreißig Jahre der russischen Kirche als würdiges Oberhaupt vorgestanden, hatte Ruhe, aber auch große innere Zerrüttungen im Reiche erlebt, und ließ den Ruhm nach sich, alle seine Vorgänger in den Tugenden eines ächten Seelenhirten übertroffen zu haben. Die Geschichte erzählt uns, wie sehr er bemüht gewesen, die Fürsten unter sich und mit dem Volke zu versöhnen, das Sittenverderbniß des Klerus zu verbessern, die Geistlichkeit zu belehren, Irrthümer und Aberglauben auszurotten, den Christen selbst in der Horde des Chans einen Hirten zu geben, die Reinheit des Evangeliums zu erhalten, und strenge Gerechtigkeit mit chriftlicher Sanftmuth zu verbinden 2).

S. 72.

Auf Cyrill folgte Marimus, ein geborner Grieche, der im Jahre 1283 aus Constantinopel nach Rußland kam. In den ersten zwölf Jahren seines geistlichen Oberhirtenamtes litt Rußland große Drangsale durch den Streit der Fürsten und Gebrüder Dimitrj und Andrei Alerandrowitsch, die beide um den großfürstlichen Stuhl kämpften, und bald als Sieger, bald als Be

1) Daf. S. 215. 2) Daf. S. 268.

siegte die Tartaren zu Hülfe riefen, und geduldig von denselben ihr Vaterland verwüsten und ihre christlichen Mitbrüder erwürgen sahen. Die Lehnfürsten strebten in dieser Verwirrung nach Unabhängigkeit, und rüsteten sich zum blutigen Kampfe; und so tief war schon Rußland gefallen, daß von des Chans willkürlichem Ausspruche die Fürsten gleichsam wie von ihrem Obertribunale ihr Recht nehmen mußten. Alle Sitten verwilderten, und das böse Beispiel herrsch- und raubsüchtiger, und die nächsten Blutsbande nicht achtender Fürsten erzeugte in dem Volke Verachtung vor den Fürsten und frevelnden Leichtsinn in Uebertretung göttlicher und menschlicher Gebote. Die durch die Raubgier der Tartaren von allem Schmuck entblößten Kirchen standen damals leer und verwaist und ohne Priester da, und nur unter den Klostermauern allein erschallten noch die frommen Gebete demüthiger Mönche. Diese Zeit (von 1276-1294) bezeichnen die Annalen ihres vielfachen Unglückes wegen mit dem Namen der schrecklichen. Bei diesem schrecklichen innern Zustand Rußlands hielt es Maximus für seine erste Pflicht, die Bischöfe zu versammeln, seine Sprengel zu bereisen und soviel wie möglich Ordnung und Kirchenzucht herzustellen. Er reiste in ganz Rußland herum, lehrte, bestrafte und verbesserte, und kam auch 1085 nach Groß-Nowgorod, wo ihm der Großfürst mit den Vornehmsten der Stadt entgegenging und ihn mit vielen Ehren empfing. Von hier begab er sich nach Pffow, wo ihm gleiche Ehrenbezeigungen erwiesen würden1). Bedenkt man, wie schwierig die Reisen damals und noch viel später in Rußland waren 2), da die wenigen Städte und Dörfer verödet lagen, große Strecken Landes ganz menschenleer waren, Fehde und Raubsucht die Sitten verwildert und die Landstraßen und Wälder unsicher gemacht hatten, und in den wenigen weit von einander gelegenen Städten für den Metropoliten keine Ruhe, sondern volle Arbeit zu finden war, so muß man billig diesen Hirteneifer bewundern und Marimus das gebührende Lob nicht versagen.

1) Nicon III. S. 84.

2) Wie Carpini, Herberstein, Poffevin, Olearius und viele andere Reisende bezeugen.

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