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des Grundbesiges der Kirche übertragen wurde, angeblich, weil die Einkünfte davon oft nicht für die Zwecke der Kirche, sondern zur Bereicherung der Familien des höheren Klerus verbraucht worden seien. Dies Collegium sollte nun erst die Kopfsteuer für die Bauern bezahlen, und den übrigen Theil der Einfünfte für den Unterhalt der Bischöfe, Klöster u. s. w., sowie für Unterstügung der Diener, Kranken, Armen, Waisen verwenden. Den legten entscheidenden Schritt aber that Katharina II., indem sie das gesammte unbewegliche Kirchengut der Krone als Eigenthum zusprach, und dafür der Geistlichkeit Gehalte aussette. Diese aber sind so unbedeutend, daß die russīsche Geistlichkeit dadurch der größten Armuth ausgesezt ist. Besonders trifft dies den Säkularklerus. Nur etwa sechs und zwanzig Kirchen in Moskau und zwanzig in Petersburg gewähren ein genügendes Einkommen; die übrige Geistlichkeit ist auf die freiwilligen Gaben der Gemeinden angewiesen, und da fie bekanntlich meist verheirathet ist, so muß sie alle Zeit, die ihr der Gottesdienst übrig läßt, dem Ackerbaue widmen. Wie dies auf ihren Geist und weiterhin auf die religiöse Bildung der Gemeinden wirken muß, versteht sich von selbst. Etwas besser ist die Lage der regulären Geistlichkeit, da sie wenigstens nicht für Familien zu sorgen hat. Doch beträgt das Einkommen der Archimandriten der ersten Klöster, die im Nange den Bischöfen zunächst stehen, nicht über 1000 Rubel (etwa 250 Thaler). Die Gesammtzahl der Geistlichkeit schlägt man auf etwa 215,000 an, und zu ihrem Unterhalte hat die Regierung nur zwei Millionen Rubel (etwa 500,000 Thaler) bestimmt. Seraphim, der gegenwärtige Metropolit von Petersburg und Nowgorod, der Senior der russischen Kirche, hat ein Einkommen von 4000 Thalern, wobei er einen bedeutenden Haushalt, und für seinen Wagen wenigstens sechs Pferde halten muß. Und wo die Kirche in dieser Armuth schmachten muß, was läßt sich da von ihrer freien, selbstständigen Wirksamkeit, ihrem durchgreifenden Einfluße auf die Bildung der Völker erwarten? Ein solcher Zustand der russischen Kirche wäre aber bei seinen Metropoliten und Patriarchen nicht leicht denkbar gewesen; denn als früher der Kaiser Aleris

in seinem Gesegbuche das Eigenthum der Kirche bedrohte, protestirte der Patriarch Nikon öffentlich und laut dagegen, und es fam auch wirklich zu einem Bruche zwischen der weltlichen und geißlichen Macht, welcher das berühmte Concilium veranlaßte, welches im Jahre 1667 gehalten ward. Aber nun ihres Hauptes entblößt, mußte sich die russische Kirche jede Demüthigung und Erniedrigung gefallen lassen `und ruhig zusehen, wie man ihr das Eigenthum entriß und sie so allmählig in die Dienstbarkeit des Staates hinabzog.

$. 78.

Seit der Errichtung der h. Synode erscheint auch der Einfluß der geistlichen Macht wie gebrochen und in die unwürdigsten Fesseln geschlagen. In dem Jahre 1720 wurde zwar noch ein Concilium gehalten, auf welchem die Geschäftsführung der ständigen Synode festgesezt worden; aber es war das legte, mit ihm schließen sich die Concilien der russischen Kirche, mit ihm sind sie gleichsam zu Grabe gegangen. Nun erscheinen in geistlichen Angelegenheiten lauter Ukase, Verordnungen des Czaren, welcher das geistliche Regiment leitet. Im Jahre 1724 erscheint von Peter eine Ukase über die Reform der Klöster und die Errichtung von zwei Seminarien an verschiedenen Orten für die Bildung zum Klosterleben und zu höhern geistlichen Aemtern. Katharina 1. verordnete im Jahre 1726 zur Verwaltung der Klostergüter ein eigenes Dekonomiecollegium. Im Jahre 1736 und 1738 bestätigt die Kaiserin Anna das eben angeführte Dekono- 2 miecollegium. Elisabeth hebt im Jahre 1742 das im Jahre 1 1726 angeordnete Collegium auf und überträgt die Verwaltung ? der geistlichen Güter der h. Synode. Peter III. verwandelt die Klostergüter in Staatsgüter, sezt ein Dekonomiecollegium ein | und weist den Bischöfen und Klöstern karge Summen zu ihrem Unterhalte an. Die Klostergüter mit leibeigenen Bauern werden von Katharina II. eingezogen und säkularifirt. Ueber 900,000 Bauern und große Reichthümer der Kiew'schen und Serge'schen Lauren gehen an die russische Krone über. Die Kaiserin Elis sabeth verkündet den in der Wjetka vereinten Raskolniks, Dissi

denten der russischen Kirche, vollkommene Amnestie, wenn sie zus rückkehren würden. Die Kaiserin Katharina II. läßt durch einen Ukas vom 14. Dezember 1762 den entflohenen Raskolniks große Rechte anbieten, wenn sie nach Rußland zurückkehren würden. Im Jahre 1807 erschien ein kaiserlicher Befehl über die Bildung der Geistlichkeit, und im Jahre 1825 über die Kleidung der russischen Geistlichkeit und ihrer Kinder 1) u. s. w.

Aus allem dem geht klar hervor, daß der Kaiser unumschränkter Beherrscher der russischen Kirche ist, und daß er, wie ein Protestant richtig bemerkt, von mehr Einfluß ist in der russischen Kirche, wie in der römisch-katholischen Kirche der Pabst. Dahin führen die permanenten Synoden.

Siebenter Abschnitt.

In der Natur der von Jesus Chriftus geftifteten Kirche liegt wesentlich auch nach der Lehre der griechisch russis schen Kirche die Idee von Einheit und Gemeinschaft, von dogmatischer und kirchlicher Einheit.

S. 79.

Unter der Kirche auf Erden verstehen wir die von Christus gestiftete sichtbare Gemeinschaft aller Gläubigen, in welcher die von ihm während seines irdischen Lebens zur Entfündigung und Heiligung der Menschheit entwickelten Thätigkeiten unter der Leitung seines Geistes bis zum Weltende vermittelst eines von ihm angeordneten, ununterbrochen währenden Apostolates fortgesezt und alle Völker im Verlaufe der Zeiten zu Gott zurückgeführt werden. Einer sichtbaren in die Augen fallenden Verbindung von Menschen also ist so Großes, Wichtiges und Bedeutungsvolles anvertraut. Der legte Grund der Sichtbarkeit der Kirche liegt in der Menschwerdung des göttlichen Wortes;

1) Man vergleiche Beiträge zur russischen Kirchengeschichte von Ph. Strahl. I. B. Halle, 1827. S. 241-249.

hätte sich dasselbe den Herzen der Menschen eingesenkt ohne die Knechtsgestalt anzunehmen, und somit überhaupt ohne auf eine leibliche Weise zu erscheinen, so würde es auch nur eine unsichtbare innere Kirche gestiftet haben. Indem nun aber das Wort Fleisch geworden ist, sprach es sich selbst auf eine äusserlich vernehmbare, menschliche Weise aus, es redete als Mensch zu Menschen, litt und wirkte nach Menschenart, um die Menschen für das Reich Gottes wieder zu gewinnen, so daß das Mittel, das zur Erreichung dieses Zweckes gewählt wurde, der durch die Natur und die Bedürfnisse des Menschen bedingten allgemeinen Unterrichts- und Erziehungsmethode völlig entsprach. Dies war entscheidend für die Beschaffenheit jener Mittel, durch welche der Sohn Gottes auch noch nach seiner Entrückung aus den Augen der Welt in der Welt und für die Welt wirken wollte. Hatte sich die Gottheit in Christo in gewöhnlicher menschlicher Weise thätig erwiesen, so war damit die Form, in welcher sein Werk fortgesezt werden sollte, gleichfalls bezeichnet. Die Predigt seiner Lehre bedurfte nur einer sichtbaren menschlichen Vermittelung, und mußte sichtbaren, nach gewöhnlicher Art lehrenden und erziehenden Boten anvertraut werden, Menschen mußten zu Menschen sprechen und mit ihnen verkehren, um das Wort Gottes zu ihnen zu bringen. Und wie in der Menschenwelt alles Große nur in Gemeinschaft gedeiht, so ordnete Christus auch eine solche an, und sein göttliches Wort, sein lebendiger Wille und die von ihm aus sich ergießende Liebe übte eine innerlich vereinigende Kraft auf die Seinigen aus, so daß seiner äussern Anordnung ein in das Herz der Gläubigen von ihm gelegter Trieb entsprach; somit eine lebendig verkettete, in die Augen fallende Verbindung der selben unter sich entstand und gesagt werden konnte, da und da find sie, da ist seine Kirche, seine Anstalt, in der er fortlebt, sein Geist fortwirkt, und das von ihm gesprochene Wort ewig fortertönt.

S. 80.

So ist denn die sichtbare Kirche, von dem eben entwickelten Gesichtspunkte aus, der unter den Menschen in menschlicher Form

fortwährend erscheinende, stets sich erneuende, ewig sich verjüngende Sohn Gottes, die andauernde Fleischwerdung desselben, sowie denn auch die Gläubigen in der heiligen Schrift der Leib Christi genannt werden. Hieraus leuchtet nun auch ein, daß die Kirche, obwohl sie aus Menschen besteht, doch nicht blos menschlich sei. Vielmehr wie in Christo Göttliches und Menschliches wohl zu unterscheiden, aber doch auch Beides zur Einheit verbunden ist, so wird Er auch in ungetheilter Gleichheit in der Kirche fortgesezt. Die Kirche, seine bleibende Erscheinung, ist göttlich und menschlich zugleich, sie ist die Einheit von beiden. Er ist es, der in irdischen und menschlichen Gestalten verborgen in ihr wirkt, fie hat darum eine göttliche und menschliche Seite in ungeschiedener Weise, so daß das Göttliche von dem Menschlichen und dieses nicht von jenem getrennt werden mag. Diese beiden Seiten wechseln daher auch ihre Prädikate: ist das Göttliche, der lebendige Christus und sein Geist in ihr allerdings das Unfehlbare, das ewig Untrügliche, so ist doch auch das Menschliche unfehlbar und untrüglich, weil das Göttliche ohne das Menschliche gar nicht für uns existirt. Das Menschliche ist es nicht an sich, aber wohl als Organ und als die Erscheinung des Göttlichen. Daher begreifen wir, wie Menschen so Großes, Wichtiges und Bedeutungsvolles anvertraut werden konnte.

S. 81.

Nachdem die von Christus bestimmte Zeit zur Sendung des Geistes gekommen war, theilte er sich den Aposteln und den übrigen Jüngern mit, als sie vereinigt am nämlichen Orte und Eines Gemüthes zugleich, sich ihm entgegensehnten; nicht, während der Eine hier, der Andere dort an irgend einem verborgenen Orte sich aufhielt: ja sie waren ausdrücklich angewiesen, in Jerusalem versammelt seiner zu harren. Ferner erschien er; er nahm eine äussere Gestalt an, die Form feuriger Zungen, ein Bild seiner die Herzen von jeglicher Bosheit reinigenden und darum in Liebe vereinigenden Kraft; er wollte nicht blos innerlich kommen, wie wenn er eine unsichtbare Gemeinschaft zu unterhalten gedächte, sondern gleichwie das Wort Fleisch geworden

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