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alten Herkommen nach selbst ein orthodores nicht ohne Dein Vorwissen halten durften." 1)

II.

Die Bischöfe Roms übten das oberste Jurisdictionsrecht nach Maßgabe der Canones.

S. 110.

In der Streitigkeit wegen der Zeit der Osterfeier gleich in dem zweiten Jahrhundert, worin die Bischöfe von Kleinasien unter jenem von Ephesus einer andern judaisirenden Ueberlieferung folgten, erscheint Rom, namentlich unter Victor, sehr auffallend als Mittelpunkt der Einheit zur Erhaltung apostolischer Ueberlieferung und Kirchendisciplin. Von dort aus wurden Provinzialconcilien unter den verschiedenen Primaten und Metropoliten zur Erforschung der Tradition veranlaßt. Die Bischöfe von Palästina, deren Ueberlieferung gerade in dieser Frage, in der es sich um das richtige Verhältniß zum Judenthum handelte, von besonderem Gewicht schien, forderten den Bischof von Rom auf, der mit ihnen hierin übereinstimmte, Sorge zu tragen, daß ihre Erklärung an alle übrigen Kirchen gesendet werde,,, damit uns keine Schuld beigelegt wird (so sagten sie) durch Berufung derer auf uns, die da ihre Seelen vom geraden Pfade der Wahrheit abgleiten lassen." Rom verlangte von den allein abweichenden Bischöfen von Kleinasien, daß sie der übereinstimmenden Tradition der übrigen Kirchen folgen sollten, und drohte sonst mit Trennung von der Kirchengemeinschaft. Der Bischof von Ephesus, Polykrates, widersprach, weil er die Tradition des Apostels Johannes und fene des Philippus zu befolgen behauptete, und sagte unter andern in seinem Schreiben: „Ich laffe mich nicht durch die schreckende Androhung erschüttern, denn jene, welche größer find, als ich, haben gesagt: man muß Gott mehr gehorchen,

1) Fleury hist. eccles. tom. X. liv. XLV. Nr. 47.

als den Menschen.") Hierauf that Victor wirklich Schritte, die Kirchengemeinschaft zu trennen. Andere aber, namentlich Irenäus, wendeten sich mit geziemender Bitte und Vorstellung an ihn, daß er den Frieden erhalten möge, nicht etwa weil er nicht befugt sei, gegen die von der gemeinschaftlichen Ueberlieferung Abweichenden die Trennung auszusprechen, sondern weil die Sache nicht wesentlich, und auch unter den römischen Bischöfen vor dem Soter, unter Anicetus, Pius, Hyginus, Telesphorus und Xystus, jener Abweichung ungeachtet, der Frieden erhalten worden sei. Später huldigten auch die kleinasiatischen Kirchen der allgemeinen Ueberlieferung. Wie groß mußte übrigens, im Vorbeigehen sei es gesagt, in jener frühesten Zeit die Uebereinstimmung der Kirche im lebendigen Glauben an die Geheimnisse und Dogmen des Christenthums sein, da bei so großer Gewissenhaftigkeit und Wachsamkeit in Bewahrung der apostolischen Ueberlieferung nur die Frage über die Zeit der Feier des Auferstehungsfestes das Band der Einheit gefährdete?

S. 111.

Ein Zeitgenosse und Freund des heiligen Cyprian, der heilige Dionysius (von 248 bis 265 Bischof von Alexandrien), den der ganze Orient seiner leuchtenden Verdienste wegen den Großen nannte, hatte in Widerlegung einiger Sabellianer, welche nur eine Person in der Gottheit erkannten, die sie nach ihren verschiedenen Wirkungen als Schöpfer, Vater, als Erlöser, Sohn, als Gaben ertheilend, heiligen Geist nannten, Ausdrücke gebraucht, welche von einigen Männern seiner Gemeinde so mißdeutet wurden, als glaube er nicht an die Gleichheit des Sohnes Gottes mit seinem ewigen Vater. Diese Männer, anstatt eine Erläuterung von ihrem Bischofe zu erbitten, gingen flugs nach Rom und verflagten ihn beim Oberhaupte der Kirche, welcher auch Dionysius hieß und auch den Heiligen von der Kirche zugeordnet worden 2).

1) Er glaubte nämlich des Johannes Ueberlieferung zu folgen. 2) A Pentapolitanis, tanquam violatae fidei reus, ad Dionysium B. P. delatus est. Nat. Alex. hist. eccles. Tom. IV. p. 77.

Die Beschuldigung eines solchen Mannes erregte großes Aufs sehen. Sie ward vorgetragen in einem zu Rom versammelten Concilium, in dessen Namen der Bischof Roms einen Brief an den alexandrinischen Bischof erließ, welcher sich darauf in einem an den römischen Bischof geschriebenen Briefe vollkommen _rechtfertigte. Er schrieb, daß er sich zwar des Ausdrucks óμoovσios, consubstantialis, gleiches Wesens, nicht bedient habe, welchen er auch in der heiligen Schrift nicht finde, daß er sich aber zum Sinne dieses Wortes bekenne, und ihn ausgedrückt, indem er Gleichnisse hergenommen habe von den Pflanzen, die etwas anders als der Samen oder die Wurzel, aber mit dieser gleicher Natur seien, so wie auch der Strom mit der Quelle. Ich bemerke beiläufig, daß dieser Brief etliche sechzig Jahre vor der allgemeinen Kirchenversammlung zu Nicäa geschrieben ward, welche diesen, allen Zweideutigkeiten und Ausflüchten vorbauenden Ausbruck zum gesegneten Eckstein ihres Glaubensbekenntnisses legte. Dionyfius von Alerandrien schrieb darauf eine Apologie, in welcher er zeigte, daß er vollkommen rechtgläubig wäre. Die Wesensgleichheit des Vaters und des Sohnes anschaulich darzustellen, brauchte er das Gleichniß von der Sonne und vom Lichte. Wäre, sagte er, die Sonne ewig, so würde das von ihr ausgehende Licht auch ewig sein, weil ohne Licht die Sonne sich nicht denken läßt. So hat auch der Sohn sein Dasein aus dem Vater von Ewigkeit her. Diese Verhandlung fand Statt gegen das Jahr 260. Sie gibt einen einleuchtenden Beweis von der Autorität des Bischofs zu Rom, vor welchem von Alexandrinern Beschwerde geführt ward gegen ihren Bischof, vor welchem auch dieser Bischof selbst sich vertheidigte, er, der doch der zweiten Kirche in der Christenheit, die vom Evangelisten Markus gegründet worden, vorstand, und eine Säule des dritten Jahrhunderts war. Merkwürdig auch ist es, daß wir die Nachricht davon dem heil. Athanasius) verdanken, der im vierten Jahrhunderte auf eben diesem Stuhle des Evangelisten saß, und das Licht seiner Zeit war. Der von seinem bischöflichen Size von Alerandrien vertrie

1) Athan. de sententia Dionysii.

bene heilige Athanasius wendete sich an Julius, den römischen Bischof; eben so die Eusebianer; und es entschied der heil. Julius von Rechts wegen, kraft der Autorität des ersten apostolischen Stuhls 1).

S. 112.

Appellationen nach Nom von den Aussprüchen der Provin zialconcilien kamen bekanntlich um die Mitte des dritten Jahrhunderts mehrmals vor, doch nicht allemal ohne Widerspruch von Seiten der Provinzialbischöfe (namentlich der Afrikaner) in folchen Fällen, wo mit Beobachtung der geseßlichen Ordnung ver fahren worden war. Sie verlangten nämlich, daß an demselben Orte der Uebertreter der kirchlichen Sagung gerichtet werden möge, wo Ankläger und Zeugen seien, und sie besorgten, daß durch einseitige Darstellung mit Recht bestrafter Individuen das Urtheil des entfernten Bischofs von Rom fälschlich eingenommen werden möge. Alle angeführten Gegengründe gehen aber nicht gegen ein oberrichterliches Einschreiten, welches überhaupt därauf gerichtet wäre, daß die gesegliche Art und Form der Entscheidung wirklich beobachtet würde, in Fällen, wo es zweifelhaft geblieben wäre, auf welcher Seite sich die Kraft der katholischen Einheit und die Autorität der Grundgeseze befänden. Sehr bemerkenswerth ist der Canon wegen der Appellationen, welcher unter den Beschlüssen des Conciliums von Sardika 2) vorkommt, woran auch über fiebenzig orientalische Bischöfe Theil nahmen. Derselbe lautet: Wenn ein Bischof angeklagt worden und die versammelten Bischöfe des Landes ihn seines Amtes entsezt haben, und er appellirt und seine Beschwerde bringt an den ehrwürdigen Bischof von Rom, und es diesem gerecht scheint, daß die Sache aufs neue untersucht werde, so möge dieser den Bischöfen derselben und der benachbarten Provinzen schreiben, damit sie mit allem Fleiße die Sache erforschen und nach der treuen Wahrheit entschei den. Bewegt aber der, welcher begehrt, daß seine Sache aufs

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neue untersucht werde, den Bischof von Rom, daß er von seiner Seite einen (zwei) Priester sende, die in kirchlichen Geschäften erfahren sind, so soll es in der Befugniß dieses Bischofs stehen, zu thun, was er recht findet. Und wenn er solche zu senden beschließt, welche gemeinschaftlich mit den Bischöfen, mit der Autorität dessen, der sie sendet, über die Sache entscheiden sollen, so steht das in seiner Gewalt." Dieses nämliche Concilium von Sardika schrieb an den Papst Julius I. bei Uebersendung dieser Beschlüsse: Denn das mag für das Beste und vornehmlich Heilsamste geachtet werden, daß an das Haupt, d. h. an den Stuhl des Apostels Petrus, aus allen einzelnen Provinzen die Priester des Herrn Bericht erstatten." Die Kaiser Gratian und Valentinian verfügten 379 und 381:,, daß jeder Bischof das Recht haben solle, an den römischen zu appelliren; und auch jeber Metropolit verbunden sein solle, sich vor dem römischen, oder vor den Richtern, welche dieser ernennen würde, zu stellen.“ Eben so verpflichtete Valentinian III. (445) in der uneingeschränktesten Allgemeinheit alle Bischöfe, sich vor dem Nichterstuhle des römischen Bischofs, sobald eine Ladung dazu an sie ergehen würde, zu stellen 1).

S. 113.

Der durch den Theophilus verdrängte Patriarch von Constantinopel, der heil. Johannes Chrysostomus, wendete sich an Innocenz I., römischen Bischof, welcher das Urtheil des Theophilus als nichtig kassirte 2). Der Patriarch Alerander von Antiochien stellte Anfragen an denselben Papst, welche die kirchliche Verwaltung der dem Patriarchate zu Antiochien untergeordneten Kirchen, beinahe des gesammten Asiens, in einigen Hauptpunkten betrafen. Innocenz antwortete unter andern: „Wir erwägen den Ausspruch des nicänischen Conciliums, welches die Meinung aller Bischöfe auf dem gesammten Erdkreise in Vereinigung ausspricht,

1) Baronius.

2) Theophili judicium cassum atque irritum esse decrevit. Palladius in dialogo de Innocentio Papa.

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