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in dieser Enthaltung eine Rückkehr zur alten, heiligen, nomadischen Lebensweise erblicken. Man mußte ja infolge eines Nasiräatsgelübdes nicht bloß berauschende Getränke, sondern selbst die Trauben frische und ge

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Zapletals „Biblischen Samson" wird gewiß jeder Biblist, wenn er auch nicht überall mit dem Verfasser übereinstimmen mag, mit großem Interesse lesen. Univ.-Prof. J. Döller.

Wien.

DIE ANGEBLICHE „NEUE LAGE" DER KATHOLISCHEN

THEOLOGIE.

VON DR. M. GLOSSNER.

Nach Professor Ehrhards in Hinnebergs Internationaler Wochenschrift (vom 18. Jan. 1908) ausgesprochener Ansicht ist durch die jüngsten Kundgebungen des Heil. Stuhles eine neue Lage der katholischen Theologie geschaffen worden. Nach einem auf dem Privatwege uns zugekommenen treffenden Urteil ist diese Kundgebung der Notschrei des tödlich getroffenen Modernismus, der die fliehenden Anhänger in die Schlacht zurück- und die Feinde der Kirche zu Hilfe ruft.

Was ist, fragen wir, von dieser Behauptung einer „neuen Lage" zu halten? Diese neue Lage, worin besteht sie? Die Antwort gibt uns Ehrhard in den gesperrt gedruckten Worten: „,,Damit (d. i. durch die angeordneten Maßregeln gegenüber dem Modernismus) sind wir in die Unmöglichkeit versetzt, die Behauptung unserer Kollegen an den Universitäten, es sei durch die Enzyklika jede historisch-kritische Behandlung der katholischen Theologie verpönt, wirksam zu widerlegen." Diese Widerlegung sei um so unmöglicher (sic), als die Enzyklika selbst Modernismus und historisch-kritische Betrachtungsweise in einen inneren Zusammenhang bringe.

Unsere Ansicht geht dahin, daß sich durch die Anordnungen der kirchlichen Autorität in der Lage der katholischen Theologieprofessoren durchaus nichts geändert hat. Oder waren dieselben vordem in der gleichen Lage wie ihre Kollegen, die protestantischen Professoren der Theologie? Denn diese allein können gemeint sein, nicht aber Juristen, Mediziner und Philologen. Der protestantische Theologe huldigt dem Grundsatz der freien Forschung und weiß sich damit im Einklange mit den Grundsätzen seiner Konfession. Anders der katholische Theologe, der durch das Prinzip der Autorität gebunden ist. Diese Jahrbuch für Philosophie etc. XXII.

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Gebundenheit wird nur derjenige als eine die Erkenntnis der Wahrheit und die Unbefangenheit der Forschung beeinträchtigende Fessel empfinden, der an die göttliche Leitung der Kirche nicht glaubt oder sie auf das engste Gebiet der Glaubenslehre beschränkt, dagegen aber das sog. Factum dogmaticum im weitesten Umfange von dieser autoritativen Leitung ausschließt. Darauf dürfte die Forderung der freien Forschung für historisch-kritische Untersuchungen auf dogmatischem Gebiet hinauslaufen.

Ehrhard spricht von einer historisch-kritischen Behandlung der Theologie. Diese Redeweise ist schweren Mißverständnissen ausgesetzt. Sie erinnert an Döllingers Auffassung der Theologie als Geschichte. Die Theologie bedient sich der Geschichte und der Kritik, sie selbst aber verträgt keine historisch-kritische Behandlung, es sei denn, daß man das Dogma statt als begriffliche Fassung einer ein für allemal feststehenden Wahrheit vielmehr als das Produkt einer Entwicklung in Abhängigkeit von den wechselnden Kulturzuständen erklärt.

Ehrhard steht, wie es scheint, auf dem von Kuhn vertretenen dogmengeschichtlichen Standpunkt. Dieser unterscheidet die Substanz der göttlichen Wahrheit, die, in den Fluß der theologisch - philosophischen Gedankenentwicklung eingehend, im Dogma ihren jeweilig zeitgemäßen Ausdruck erhalte. Es ist der auf das Dogma übertragene Evolutionsgedanke.

Bevor wir aber auf die Einzelheiten des Ehrhardschen Artikels eingehen, führen wir das Urteil des Tübinger Professors Sägmüller in der Allgemeinen Rundschau (von Kausen) an. Nachdem er angegeben, worin nach seiner Ansicht Ehrhard recht habe, fährt er fort: „Daß Ehrhard so gut wie kein Wort von dem sagt, daß der Kampf gegen die katholische Theologie nicht erst seit dem Erlassungstag der Enzyklika „Pascendi" datiert, darin hat er unrecht. Und auch darin hat er unrecht, daß er nicht etwa auch, wie Paulsen, betont, daß doch noch anderswo sachliche Gebundenheit herrscht: beim protestantischen Theologen, beim Juristen, beim Staatswissenschaftler, beim Mediziner usw." (A. a. O. 1908 Nr. 5.)

Der gegen die Enzyklika entbrannte Kampf katholischer Theologen, erklärt Ehrhard, bedeute eine innere Krisis der katholischen Theologie, wie sie nicht schärfer gedacht werden könne: eine Krisis, die auch zu einer

äußeren der katholischen Fakultäten führen würde und tatsächlich dazu sowohl in Österreich als auch in Deutschland geführt habe. Die Schlag auf Schlag einander gefolgten Kundgebungen des Papstes seien geeignet, in weiten, den Katholiken wohlgesinnten gebildeten Kreisen, bes onders bei unseren Kollegen berechtigtes Aufsehen zu erregen und die Stellung der Professoren der katholischen Theologie zu erschüttern. Man solle nicht einwenden, daß es sich um innerkatholische Vorgänge handle; denn auch andersgläubige Kreise nähmen daran inneren Anteil; man würde den Zusammenhang des kirchlichen mit dem gesamten Geistesleben verkennen und die Bande übersehen, die sämtliche Fakultäten der deutschen Universitäten zu einem Gesamtorganismus vereinigen zum Wohle des gemeinsamen Vaterlandes und nicht zuletzt zum Vorteile seines katholischen Volksteiles.

Wenn man diese Worte liest, möchte man auf den Gedanken kommen, sie seien nicht auf eine moderne, sondern auf eine mittelalterliche, rein katholische Universität zu beziehen, wenn nicht das eingeschaltete „trotz allen konfessionellen, wissenschaftlichen und sonstigen Trennungsmomenten" eines anderen belehren würde. Fürwahr ein ganz eigenartiger ,,Organismus", der an einer solchen Fülle von Trennungsmomenten laboriert: ein Organismus, der nicht einmal den Namen eines Mechanismus verdient, wenn man auf den klaffenden inneren Gegensatz achtet, der vielfach zwischen theologischer und philosophischer Fakultät tatsächlich besteht. Das äußere Nebeneinander bestehen und die akademische polizeiliche Ordnung berechtigen noch nicht, von einem Mechanismus, geschweige denn von einem Organismus zu reden.

Ehrhard ist vom Wunsche beseelt, dem Frieden und der Verständigung Gutgewillter zu dienen. Die Art jedoch, wie er die Enzyklika und den darin angeschlagenen Ton in Gegensatz stellt zu den Rundschreiben Leos XIII., ist kaum ein für diesen Zweck geeignetes Mittel. Die Art, wie die Enzyklika das zweideutige Gebaren der „Modernisten", ihr Janusgesicht, charakterisiert, will ihm nicht. behagen und er glaubt dieselbe auf äußere Einflüsse zurückführen zu sollen. Glaubwürdig klinge die Behauptung, der Papst habe den ursprünglich angeschlagenen Ton gemildert. Soll damit der Papst als ein Werkzeug intransigenter Faktoren hingestellt werden?

Da es sich um so viele und so schwierige" Fragen handle, philosophische, theologische, kritische usw., so verbiete sich die Untersuchung des Einzelnen von selbst. Zur Beurteilung des Ganzen aber seien zwei Fragen auseinander zu halten, eine historische und eine theologische. Was jene betrifft, so dürfe man das Selbstzeugnis der Verfasser des Programma dei Modernisti, das die historische Frage inbezug auf ausschlaggebende Punkte verneint, nicht ablehnen. Der Nichtmodernist könne die Frage nicht entscheiden, da, wie die Enzyklika selbst bezeuge, das Quellenmaterial nicht systematisch vorliege. Doch aber, Herr Professor, in hinreichend klaren Kundgebungen, deren innerer Zusammenhang unschwer herzustellen sein dürfte.

Der dogmatische Teil der Enzyklika biete keine Schwierigkeit. Was den zweiten Teil, die Ursachen des Modernismus, betrifft, so sei durch den Hinweis auf die negativen Faktoren das Problem der Entstehung desselben nicht erschöpfend gelöst.

Die schwersten Bedenken aber erhebt Ehrhard gegen die praktischen Maßnahmen des dritten Teils, von denen er fürchtet, daß sie die Stellung der katholisch-theologischen Fakultäten an den deutschen Universitäten in hohem Maße gefährden.

Wir setzen diese Maßnahmen als dem Leser bekannt voraus. Ehrhard fürchtet, daß infolge derselben ein Denunziantentum unter den Theologiestudenten geschaffen werde eine Anklage, die schon aus dem Grunde ohne Berechtigung ist, daß die Vorlesungen öffentlich sind. Zudem hat sich kein Professor der Theologie vor solchem Denunziantentum zu fürchten, der sich bewußt ist, an der Lehre der Kirche als dem Maßstab seiner wissenschaftlichen Theorien festzuhalten. Endlich wird keine kirchliche Behörde einfach dem denunzierenden „Thologiestudenten" Glauben schenken und den Lehrer ungehört verurteilen. Hierzu fügen wir noch ein weiteres Moment. Es wird doch wohl kaum einen Universitätsprofessor geben, der nicht auch auf literarischem Wege vor der breiteren Öffentlichkeit seinen wissenschaftlichen Standpunkt dargelegt hätte. Oder wird man gelegentlich auch ohne dies o. ö. Professor an einer theologischen Fakultät?

Ehrhard macht es der Enzyklika zum Vorwurf, daß sie keinen Unterschied kenne zwischen den Synthesen der

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