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da dieselben nicht nur Zeugnisse sind für den ernsten und frommen Sinn ihres Urheber's, sondern auch zugleich Beiträge zur Sittengeschichte der damaligen Zeit, und vielleicht auch ein Spiegel für die unsrige, der sie mancherlei zu bedenken geben dürften. Wir wählen hierzu als das kürzeste das Statut für Stolpen1), dessen Wortlaut folgender ist:

„Nachdem wir Johannes von Gottes Gnaden Bischof zu Meißen insonderheit begierig und geneigt sind, unsere Stadt Stolpen und lieben Getreuen, die Einwohner der genannten Stadt in Besserung zu führen 2.

„Zum Ersten, daß Niemand irgend ein Bier denn von Malz, das zu Stolpen gemacht, brauen soll, und wer darin übertretend befunden, soll zwei gute Schock zur Buße geben.

„Zum Andern, daß Niemand zum Biere gehe im Winter vor des Seigers Zwei Nachmittags und um des Seigers Achte auf den Abend davon, und im Sommer um des Seigers Drei Nachmittags und um des Seigers Neun davon, und welcher darin ungehorsam be funden, soll der Wirth, der das zuläßt, und der Gast, der das thut, ihr Jeglicher, so mannigfaltig das geschieht, ein gut Schock zu der Buße geben.

„Zum Dritten: Es soll auch hinfort bei Vermeidung unserer Ungnade und eines guten Schocks Buße Niemand nach des Seigers Acht im Winter oder Sommer auf der Gasse schreien oder juchzen.

„Zum Vierten: Wollen wir und gebieten ernstlich, daß Niemand, es sei Bürger, Hausgenosse, ihre Kinder, Gesinde oder sonst Jemand, der in unserer Pflege Stolpen wohnhaftig ist, in gedachter unsrer Stadt auf Karten, Würfeln oder sonst irgend ein Spiel um Geld spielen, und wer darin übertretend befunden, soll der Wirth, der das zuläßt, und auch die da spielen, ihr Jeglicher zwei gute Schock zur Buße geben, so oft das geschieht.

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Und nachdem zu Hochzeiten und Kirchgängen viel großer unnüger Kost geschieht, so seßen und ordnen wir, daß kein gemeiner Bürger zu seiner, seines Sohnes oder Tochter Wirthschaft bei Buße zweier guter Schock mehr denn zu zweien Tischen, und einer aus dem

1) Lehnbuch fol. 287 f. Gerde a. a. D. S. 645 ff.

Rathe aufs meiste zu dreien Tischen Gäste bitte und speise. Es soll auch keine Frau in ihrem Kindbette oder zu ihrem Kirchgange andern Frauen, die zu ihr kommen oder die mit ihr zur Kirche gehen, es seien Eierkuchen, Fladen oder sonst etwas, zu essen geben, und welche Frau solch Gebot übertretend befunden, soll einen rheinischen Gulden zur Buße geben.

„Wir haben auch unserm Hofmeister befohlen, dieweil wir insonderheit gerne sehen, daß die Stadtmauern wohl gebauet und das gemeine Gut zunehme, daß er alle diese Buße, so von obberührten Artikeln gefallen werden, die Hälfte dem Rathe geben und folgen lassen soll, daß sie damit die Stadtmauern und anderes, dem gemeinen Gute nüglich, bauen und diese baß erhalten, bis so lange wir oder unsere Nachkommenden ihnen das wieder absagen lassen und widerrufen. So aber Jemand strafwürdig befunden und die Buße, die er zur Strafe geben soll, nicht zu bezahlen hätte, den soll man je für ein gut Schock, so er zur Buße schuldig worden, acht Tage und Nacht in's Gefängniß sehen und darin bleiben lassen, bis so viel Geldes mit dem Gefängniß vergnüget. Und auf daß solche unsere Statuten und Ordnung unverbrüchlich und wohl gehalten werden, so befehlen wir ernstlich dem Bürgermeister und Rathsmannen, daß fie fleißig Aufsehen haben durch sich selbst, und sonst durch andere auch lassen haben bei Tag und Nacht, daß dieselben unsere Statuten und Ordnung nach ihrem Laut in ihrer keinem Artikel nicht übergangen und übertreten werden, bei Vermeidung unserer Ungnade und ernster Strafe, wo das anders von ihnen befunden. Zu Urkund haben wir unser Secret hierunter wissentlich lassen drucken. Geschehen aufm Stolpen, Sonntags Jubilate nach Christi Geburt im funfzehnhundertsten und dritten Jahre."

Der Merkwürdigkeit wegen sei übrigens in Bezug auf einige der vorstehenden Bestimmungen noch erwähnt, daß sie in den Statuten für Wurzen und Bischofswerda etwas anders lauten. Während nemlich in Stolpen bei Hochzeiten den Bürgern nur zwei und den Rathsleuten nur drei Tische zu sehen erlaubt war, heißt es in den Statuten für Wurzen und Bischofswerda: „Einer des Raths soll zu Hochzeiten sein oder seiner Kinder nicht mehr denn zu vier Tischen und ein anderer Mitbürger nicht mehr denn zu drei Tischen Leute seiner

guten Freunde haben," und wird noch besonders vorgeschrieben, daß nicht mehr denn zwei Mahlzeiten gegeben werden sollen, als nemlich am Hochzeitabend eine und am Hochzeittage zu Mittag die andere bei Vermeidung 10 rhein. Gulden Buße." Und bei Kirchgängen und Gepatterschaften sollte „Niemand über einen Tisch haben auf's meiste mit acht Personen." Was dagegen die Vorschriften wegen des Spielens und des Besuchs der Wirthshäuser betrifft, so sind die für Wurzen und Bischofswerda denen für Stolpen ganz gleich, und wird überdies in dem Statut für Wurzen noch befohlen, daß beim Tode eines Mitgliedes aus dem Rathe die übrigen Rathsmitglieder vier Wochen lang zur Trauer lange schwarze Mäntel anlegen und tragen sollten.

Es bliebe jezt nur noch übrig, davon zu reden, wie er als weltlicher Landesherr auch eifrig und sorgfältig über die dem Stifte verliehenen und wiederholt verbrieften Freiheiten gewacht und wie wenig er im Gegensaße zu manchem seiner Vorgänger geneigt gewesen, seine weltlichen Hoheitsrechte sich schmälern zu lassen, sondern wie er dieselben jederzeit nach Kräften zu vertheidigen und aufrecht zu erhalten gesucht, obwohl er, durch die gemachten Erfahrungen belehrt, in den lezten Jahren seines Lebens immermehr zu der Ueberzeugung gekommen zu sein scheint, daß mit der zunehmenden Selbstständigkeit der weltlichen Reichsfürsten dem Kaiser gegenüber auch der anwachsenden Macht der sächsischen Fürsten auf die Dauer nicht zu widerstehen sei. Wir unterlassen es jedoch, auf diesen Gegenstand hier näher einzugehen, da wir bereits bei seinem Verhalten gegen das Münzverbot Herzog Georg's darauf aufmerksam gemacht haben, der vierte Abschnitt uns aber noch besondere Gelegenheit geben wird, ihn auch von dieser Seite genauer kennen zu lernen.

So hätten wir denn Johannes VI. in seiner Stellung und Thätigkeit als Regent und Landesherr unsern Lesern vor die Augen geführt, und wenn es auch nicht allzuviel gewesen sein sollte, was wir in dieser Beziehung über ihn haben mittheilen können, so glauben wir doch, daß es genug und hinreichend ist, um die Behauptung zu rechtfertigen, daß er nicht nur zu seiner Zeit und durch seine Regierung sich große Verdienste um das Stift Meißen erworben und jezt noch

den Dank der Nachwelt verdient, sondern daß er auch heute noch als ein Muster eines solchen Landesherrn dasteht, an welchem sich das Wort eines alttestamentlichen Weisen (Sir. 10, 1. 3.) bewahrheitet hat: „Ein weiser Regent ist strenge, und wo eine verständige Obrigkeit ist, da gehet's ordentlich zu. Ein wüster König verderbet Land und Leute, wenn aber die Gewaltigen klug sind, so gedeihet die Stadt."

Dritter Abschnitt.

Der kirchliche Oberhirt.

Nach dem, wie wir Johannes VI. bisher kennen gelernt haben, ist gewiß die Erwartung nicht unberechtigt, wo wir zur Schilderung seiner kirchlichen Thätigkeit übergehen, daß er auch in dieser Hinsicht eine edle und vortreffliche Persönlichkeit gewesen sein müsse. Und wir freuen uns, im Voraus versichern zu können, daß diese Erwartung nicht getäuscht werden wird. Auch als kirchlicher Oberhirt verdient er unsere volle Hochachtung und Anerkennung, denn was in dieser Hinsicht hauptsächlich von ihm zu rühmen ist, das läßt sich in die wenigen Worte zusammenfassen: Er hatte seine Zeit erkannt und begriffen. Seit den Concilien von Constanz und Basel hatte die öffentliche Meinung besonders in Deutschland immer lauter das Verlangen nach einer Verbesserung der kirchlichen Zustände ausgesprochen. Die frömmsten und gelehrtesten Theologen der Zeit, Männer wie Peter d'Ailly, Johann Gerson, Geiler von Kaisersberg, Johann von Wesel, Johann Wessel, Hieronymus Savonarola und andere, hatten den tiefen Verfall der Kirche, den die große Entfremdung von der Lehre der heiligen Schrift, sowie die eingerissenen Mißbräuche und namentlich die Unwissenheit und Sittenverderbniß des Clerus herbeigeführt, offen und unverhohlen aufgedeckt und wiederholt auf die Nothwendigkeit einer Reformation an Haupt und Gliedern hingewiesen. Und nicht blos von Theologen war dieses ge= schehen, sondern auch von anderer Seite, von Magistraten und Fürsten, wie denn noch im Jahre 1510 die zu Augsburg versam melten Reichsstände dem Kaiser ein Verzeichniß der Hauptbeschwerden gegen den Papst und die römische Clerisei übergaben und ihn dringend

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