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Vorrede zur ersten Auflage.

Nicht mit demselben Vertrauen, mit dem ich vor sechs Jahren eine Ausgabe der angelsächsischen Geseze ankündigte, übergebe ich jezt den ersten Theil meiner Arbeit dem gelehrten Publicum. Durch die Leichtigkeit getäuscht, mit der man sich das erste Verständniß der angelsächfischen Sprache eröffnet, glaubte ich in kurzer Zeit hinreichend vorbereitet sein zu können, um die Herausgabe eines von den gröbsten Fehlern gereinigten und mit einer deutschen Ueberseßung begleiteten Textes der angelsächsischen Geseze unternehmen zu dürfen. Erst im Verlaufe der Arbeit lernte ich die zu überwindenden Schwierigkeiten kennen und sah mich genöthigt, der Vollendung des Werkes umfassendere Studien der Sprache und Literatur der Angelsachsen vorhergehen zu lassen. Ich be= gann damit, mich mit den Grammatiken von Jakob Grimm und Rast genauer bekannt zu machen, da ich wohl sah, daß ohne eine gründliche Kenntniß des grammatischen Baues der Sprache auch nicht das Ge= ringste für die Erläuterung des Tertes geschehen könnte, und daß ein blindes Herumtappen und bloßes Errathen hier, wo auf das genaueste Verständniß der Wortfassung oft so unendlich viel ankommt, besonders gefährlich sei. Dann wandte ich mich zu einem umfassendern Studium der angelsächsischen Geschichte, wobei es mir hauptsächlich darauf ankam, mir eine genaue Kenntniß der Quellen zu verschaffen und durch eine kritische Untersuchung der wichtigsten Denkmäler ein festes Urtheil über den Werth und das gegenseitige Verhältniß der einzelnen Ueberlieferungen zu begründen.. Nur erst später kehrte ich zu dem Studium der angelsächsischen Geseze zurück und suchte mir mit Hülfe verwandter Rechts

denkmäler germanischen Ursprunges eine tiefere Einsicht in das Wesen der wichtigsten Institute der angelsächsischen Staats- und Rechtsverfassung zu verschaffen. Die Resultate meiner Untersuchungen habe ich zum Theil in mehrern Abhandlungen mitgetheilt, die im Hermes abgedruckt sind, nämlich Band 28, Heft 2, 1827, eine Abhandlung über die Sprache der Angelsachsen, Bd. 30, H. 2, 1828, über die Chroniken der Angelsachsen, Bd. 31, H. 2, 1828, über die angelsächsischen Rechtsquellen, und Bd. 32, H. 2, 1829, über die Rechtsbürgschaften. Zwei andere Abhandlungen über die Standesunterschiede und das Gerichtswesen der Angelsachsen blieben unvollendet.

Meine Absicht war es nun, zunächst in England selbst die zahlreichen Manuscripte der angelsächsischen Geseze zu untersuchen, um auf diese Weise ein Werk liefern zu können, das, wenn es mir auch nicht gelingen sollte, allen Anforderungen der Wissenschaft an einen kritischen Herausgeber alter Rechtsdenkmäler zu entsprechen, doch durch eine sorgfältige Sammlung der Materialien kundigern Männern als Vorarbeit zu weitern Forschungen dienen könnte. Widrige Umstände, deren Beseitigung nicht in meiner Gewalt lag, haben mich an der Ausführung dieses Planes verhindert und haben mir für lange Zeit die Fortseßung meiner Arbeiten verleidet. Ich würde sie vielleicht gänzlich aufgegeben haben, hätte sich mir nicht bei dem Studium unsers einheimischen Rechts immer wieder die Ueberzeugung aufgedrängt, daß gerade die angelsächsischen Geseze, durch ihren Umfang und echt germanischen Charakter, für die Kenntniß der Grundlagen des deutschen Rechts von der größten Wichtigkeit seien, und daß einer vollständigern Benußung derselben hauptsächlich nur die Seltenheit und Mangelhaftigkeit der englischen Ausgaben im Wege stehe.

Unter diesen Umständen hielt ich es für verdienstlich, wenn ich durch eine neue Ausgabe auch nur den Zugang zu diesen reichen Quellen des germanischen Rechts zu erleichtern suchte, und wenn ich Das durch den Druck bekannt machte, was mir meine beschränkten Hülfsmittel für die Erläuterung und Sichtung des Textes zu thun erlaubten. Wie mangelhaft das Geleistete in vieler Hinsicht ist, fühle ich nur zu sehr, hoffe aber, daß man mir wenigstens nicht das Zeugniß versagen wird, mit Fleiß und Sorgfalt gearbeitet zu haben.

In dem vorliegenden ersten Theile gebe ich zuerst den Text der Geseze nebst der Uebersezung vollständig. Ich habe sämmtliche 'Denkmåler aufgenommen, die sich bei Wilkins finden, mit alleiniger Ausnahme der Canonen, die in den Conciliensammlungen schicklicher ihre

Stelle finden. Auf diese durfte ich mich, so vieles Interessante sie auch enthalten, nicht einlassen, wenn nicht das Werk auf die doppelte Zahl der Bogen anschwellen sollte. Vielleicht gewinne ich indeß in der zweiten Abtheilung hinreichenden Plaß, um auszugsweise das Bedeutendste mitzutheilen. Die Rechtsdenkmäler, die nur noch in den lateinischen Uebersehungen bei Bromton vorhanden sind, habe ich gleich hier mit abdrucken lassen, und ebenso die s. g. Leges Edovardi Confessoris und Henrici Primi. Bei der Bearbeitung des Tertes habe ich es mir zum Gesez gemacht, die Lesarten der ältesten Handschriften, so weit es möglich war, wiederherzustellen. Hätte ich die Manuscripte in England einsehen können, so würde ich den unveränderten Abdruck des ältesten Toder für das Zweckmäßigste gehalten haben, da es in der That bei Gesezen hauptsächlich nur auf einen diplomatisch genauen Abdruck an= kommt. Die Ausgaben von Lambard und Wilkins halten sich leider nicht immer mit gewissenhafter Treue an die Handschriften, wie man namentlich aus einer Vergleichung der verschiedenen nach einem und demselben Coder besorgten Abdrücke sieht. Auch Druckfehler kommen in großer Menge vor. Wo ich diese unzweifelhaft vorausseßen durfte, oder wo mir ein bloßes Misverstehen zu Grunde zu liegen schien, habe ich meine Emendationen in den Text aufgenommen, in unbedenklichen Fällen, namentlich bei Druckfehlern, oft sogar, ohne die Abweichungen in den Noten zu bemerken. Außerdem habe ich es aber vorgezogen, die Lesarten der Handschriften oder Ausgaben unverändert beizubehalten und meine Vermuthungen nur etwa in einer Anmerkung anzudeuten. Je mehr ich mit dem Geißte der angelsächsischen Sprache vertraut wurde, desto mehr verlor ich die Lust zu Verbesserungen des Textes, und wenn ich von meinem Studium der Grammatik weiter keinen Vortheil gehabt hätte, so würde ich ihm wenigstens eine heilsame Scheu vor Conjecturen verdanken, zu denen sich hier eine so verführerische Gelegenheit darbot. Die Rechtfertigung der aufgenommenen oder vorgeschlagenen Emendationen, sowie der Ueberseßung, mußte auf die Erläuterungen verwiesen werden. Ob ich nicht an die Stelle der angekündigten deutschen Ueberseßung eine lateinische treten lassen sollte, war ich lange Zeit zweifelhaft. Eine lateinische Uebersezung versprach meinem Werke außerhalb Deutschland, namentlich in England und Dänemark, wo die angelsächsische Literatur bis jezt fast allein Beachtung gefunden hat, leichtern Eingang, auch schien mir die größere Beugungsfähigkeit der lateinischen Sprache ein genaueres Anschmiegen an das Original möglich zu machen. Ich machte den Versuch und arbeitete einen großen Theil der

Ueberseßung lateinisch aus, überzeugte mich aber, daß mir, was ich auf der einen Seite gewönne, auf der andern wieder verloren ginge. Die lateinische Sprache ist allerdings weit geschickter, allen Wendungen einer fremden Sprache zu folgen, daher sie auch zu Interlinearversionen fast allein gebraucht werden kann; doch gilt das eigentlich nur von den grammatischen Formen der Sprache, die sich freilich in unserm abge= schliffenen modernen Deutsch nur sehr unvollkommen wiedergeben lassen. Um aber das Verständniß im Allgemeinen zu eröffnen, um den Sinn der Geseze in juristischer Hinsicht aufzuklären, schien mir die deutsche Sprache viel passender, da sie weniger zu Zweideutigkeiten Veranlassung gibt. Man braucht nur die Ueberseßungen von Lambard und Wilkins zu vergleichen, um sich von der Richtigkeit dieser Behauptung zu überzeugen. Bei der lateinischen Ueberseßung war ich gezwungen, fortwährend zu der Sprache des Mittelalters und besonders der leges barbarorum meine Zuflucht zu nehmen, die der Erläuterung oft nicht minder bedürftig ist, als das angelsächsische Original. Ueber manche Schwierigkeiten kommt man dabei allerdings leichter weg, aber die Auflösung derselben wird eigentlich nur dem Leser überlassen. Um alle Zweideutigkeiten noch mehr zu vermeiden, zog ich selbst im Deutschen da, wo eine wörtliche Ueberseßung zu Misverständnissen führen konnte, eine bloße Paraphrase vor. Nicht auf die treue Uebertragung der Worte, sondern des Sinnes der Geseze kam es hier an. Freilich mußte ich dennoch viele angelsächsische Worte unverändert beibehalten, da wir im Hochdeutschen keine entsprechenden Ausdrücke haben und die etwa vorhandenen althochdeutschen die Sache nicht deutlicher gemacht haben würden; indeß ist das im Ganzen nur selten geschehen und nur, wo es durchaus nicht vermieden werden konnte, oder wo mir das angelsächsische Wort an sich verständlich schien. Daß ich mich bisweilen veralteter Ausdrücke bedient oder einzelne Worte in einer nicht mehr gewöhnlichen Bedeutung gebraucht habe (wie z. B. gelten für solvere, restituere, satisfacere), wird bei Denen, die mit der ältern Rechtssprache bekannt sind, keinen Anstoß erregen. Ob das Verständniß der angelsächsischen Geseze durch meine Ueberseßung wesentlich gefördert worden ist, mag eine Vergleichung mit den ältern lateinischen Uebersezungen lehren. Einige Stellen, die zum Theil gänzlich verdorben sind, habe ich nicht zu enträthseln vermocht; bei andern war ich zweifelhaft und habe deshalb Fragezeichen eingeschaltet.

Die Einleitung gibt theils über die vorhandenen Ausgaben und Handschriften der angelsächsischen Geseze Auskunft, theils soll sie als

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