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Einige diefer gallischen Lehrer schienen dem Prosper sich dem Pelagianismus noch mehr zu nähern. Er stellt ihre Behauptungen in eben diesem Briefe dar.,,Einige von diesen entfernen sich so wenig von dem pelagianischen Wege, daß sie, wenn sie zum Bekenntniß der Gnade Christi gezwungen werden, welche allen menschlichen Verdiensten zuvorkommt, damit sie nicht, wenn sie den Verdiensten widerfährt, vergeblich Gnade genannt werde, behaupten, daß diese zur Beschaffenheit eines jeden Menschen gehöre, in welcher ihn, ohne daß er etwas vorher verdiente, weil er noch nicht eristirte, die Gnade des Schöpfers zu einem freien und vernünftigen Wesen mache, damit er durch die Unterscheidung des Bösen und Guten sowohl zu der Kenntniß des Schöpfers, als zum Gehorsam gegen seine Befehle seinen Willen lenken, und zu dieser Gnade gelangen könne, durch welche wir in Christo wiedergeboren werden, nämlich durch das natürliche Vermögen, durch Bitten, Suchen, Anklopfen, damit er deshalb empfange, deshalb finde, deshalb hineingehe, weil er durch die gute Anwendung des Guten der Natur zu jener seligmachenden Gnade durch die Kraft der anfängenden Gnade (initialis gratiae) zu kommen verdient habe. Den Vorsaß der rufenden Gnade beschränken sie aber darauf, daß Gott beschloffen habe, Keinen in fein Reich anders als durch das Sacrament der Wiedergeburt aufzunehmen, und daß zu diesem Geschenke des Heils alle Menschen überhaupt, entweder durch das natürliche, oder durch das geschriebene Gefeß, oder durch die Predigt des Evangelii gerufen werden, so daß diejenigen Kinder Gottes werden, welche es gewollt haben, und diejenigen unentschuldbar sind, welche nicht Gläubige haben seyn wollen, weil die Gerechtigkeit Gottes darin bestehe, daß diejenigen, welche nicht geglaubt haben, verloren gehen; die Güte darin sich zeige, wenn sie Niemanden vom Leben zurücktreibt, sondern ohne Unterschied will, daß Alle selig werden, und zur Erkenntniß der Wahrheit kommen. Hier führen sie Zeugnisse an, nach welchen die Ermahnung der heiligen Schrift den Willen der Menschen zum Gehorsam auffordert, welche nach dem freien Willen entweder dasje

nige thun, was sie sollen, oder es vernachlässigen, und halten es für eine richtige Folgerung, daß, so wie man von dem Uebertreter sagt, er habe nicht gehorcht, weil er nicht gewollt, auch der Gläubige deshalb fromm genannt werde, weil er gewollt hat, und daß jeder so viel Fähigkeit zum Guten als zum Bösen besiße, und daß in gleichem Grade sich die Seele den Lastern oder den Lugenden zuwende, welche, wenn sie nach dem Guten strebe, die Gnade Gottes unterstüße, und wenn sie dem Bösen folge, die gerechte Verdammung aufnehme.“ §. 4.

Diese Gallier scheinen also die nämlichen Vorstellungen von der Gnade gehabt zu haben, welche die Pelagianer nur ausführlicher entwickelten. Die Gnade bestand ihnen theils in dem freien Willen und der vernünftigen Natur, welche allen Menschen gemein seyen, theils aber in der Gnade Christi, oder der seligmachenden Gnade, zu welcher man indessen erst durch die gute Anwendung der jedem Menschen von Natur mitgetheilten Fähigkeiten und Kräfte gelange. Vom freien Willen hatten sie nach Prosper's Bericht die nämliche Vorstellung wie Pelagius. Jeder Mensch habe gleiches Vermögen zum Bösen wie zum Guten. Sie beriefen sich dabei auf die Stellen der heiligen Schrift, in welchen der Mensch zur Ausübung des Guten ermahnt wird. Denjenigen, der das Gute begehre, unterstüße die Gnade Gottes. Da sie den Universalismus der Gnade Christi behaupteten, so konnten sie freilich ebenfalls nicht das absolute Decret des Augustinus annehmen, sondern mußten die Bestimmung zur Seligkeit, wie Prosper dies berichtet, auf Präscienz gründen. Wenn man ihnen das Beispiel der kleinen Kinder vorhalte, sagt Prosper §. 5., von welchen einige, ehe sie Gutes und Böses unterscheiden könnten, aus diesem Leben weggenommen, und vorher durch die Laufe unter die Erben des himmlischen Reichs aufgenommen würden, andere ohne Taufe zum ewigen Code übergingen, so sagten sie, daß die Seligkeit oder Verdammung sich nach der sittlichen Beschaffenheit richte, die sie in reifern Jahren nach Gottes Vorherwissen würden erlangt haben. Sie schienen also doch mit dem Augustinus die Verbammung der ungetauften Kin

der anzunehmen, und sich hierin von den Pelagianern, die zwischen der Seligkeit überhaupt und der Seligkeit der Christen unterschieden, zu entfernen. In Beziehung auf diese Art, wie sie die Präscienz auffaßten, bemerkt Prosper, daß fie inconsequent wären, und doch bei Einigen zugäben, daß die göttliche Gnade ihrem Willen zuvorkäme, und macht ferner gegen sie die augustinische Instanz, daß also dasjenige, was nicht geschehen, vorhergewußt, und das Vorhergewußte nicht geschehen sey. Auf die Frage, warum einigen Nationen das Gesetz und das Evangelium bekannt gemacht worden sey, oder bekannt gemacht werde, andern aber nicht, erwiederten sie, daß sich auch dies nach dem Vorhersehen Gottes richte. Gott sehe vorher, welche jenes annehmen oder nicht annehmen würden. - Die vorhergesehene Geneigtheit oder der gute Wille war ihnen also der Grund, warum diesem das Evangelium gepredigt, jenem nicht gepredigt werde, und die Gnade war ihnen nur eine Beglei terin, aber nicht eine Vorgängerin menschlicher Verdienste, so wie der Wille Gottes, daß die Menschen selig werden, und zur Erkenntniß der Wahrheit gelangen sollten, allgemein. Auch hätten durch das Licht der Natur (intelligentia naturali) diejenigen, zu welchen die Predigt nicht gekommen, zur Verehrung des einigen wahren Gottes gelangen können. Hiemit stand nun in nothwendiger Verbindung, daß fie die Allgemeinheit der Erlösung annahmen. Sie behaupteten nach Prosper's ausdrücklicher Versicherung (§. 6.), daß unser Herr Jesus Christus für das ganze menschliche' Geschlecht gestorben, und Niemand von der Erlösung durch fein Blut ausgenommen sey, daß deshalb einige nicht erneuert würden durch die Taufe, weil!Gott von ihnen vorhersehe, daß sie nicht erneuert werden wollten; daß also Gott allen das ewige Leben bereitet habe, daß aber in Berücksichtigung des freien Willens denjenigen dasselbe zu Theil werde, welche Gott freiwillig geglaubt, und die Hülfe der Gnade durch das Verdienst der Geneigtheit zum Glauben (credulitatis) erlangt hätten.

Prosper erwähnt auch (ebendas.) der Gründe, dürch welche sich diese anfangs rechtgläubigen Christen zu der ers

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wähnten Theorie veranlaßt gefunden hätten. Zur Vertheis digung einer solchen Gnade haben diejenigen, durch deren Widerspruch wir geärgert werden (offendimur), da sie vors her bessere Gesinnungen hatten, sich deshalb vorzüglich ents schlossen, weil, wenn sie geständen, daß die Gnade allen Verdiensten zuvorkäme, und daß sie selbst diese zum Geschenk ertheile, sie auch nothwendig zugeben müßten, daß Gott nach dem Vorsaße und dem Rathe seines Willens, nach einem verborgenen Gerichte aber offenbaren Werke (occulto iudicio et opere manifesto) das eine Gefäß zur Ehre, das andere zur Unehre schaffe, weil Niemand anders als durch die Gnade gerechtfertiget, Niemand anders als in Uebertretung geboren werde. Aber sie scheuen sich dies zu bekennen, und fürchten dem göttlichen Werke die Verdienste der Heiligen zuzuschreiben, und geben nicht zu, daß die vorherbestimmte Zahl der Erwählten so wenig vermehrt als vermindert werden könne, damit nicht die Ermunterungen der Ermahnenden ihre Wirkung verfehlen bei den Ungläubigen und Nachlässigen, und die Aufforderung zum Fleiße und zur Anstrengung nicht überflüssig sey. Denn nur auf die Art könne jeder zur Besserung oder zur Vervollkommnung aufgefordert werden, wenn er wisse, daß er durch seinen Fleiß gut seyn könne, und daß seine Freiheit deswegen durch die Hülfe Gottes unterstüßt werde, weil er das, was Gott befiehlt, gewählt habe. Und da bei denen, welche den freien Willen bekommen haben, zwei Dinge nach ihrer Vorausseßung das menschliche Heil hervorbringen, nämlich die Gnade Gottes und der Gehorsam des Menschen, so wollen sie, daß der Gehorsam früher sey als die Gnade, so daß man glauben soll, daß der Anfang des Heils auf Seiten desjenigen sey, welcher errettet wird, nicht auf Seiten desjenigen, welcher rettet, und der Wille des Menschen sich die Hülfe der göttlichen Gnade verschaffe, nicht die Gnade sich dem menschlichen Willen unterwerfe." Sie sahen also den genauen Zusammenhang zwischen der augustinischen Gnade und der Prädestination, und da sie leßtere zu verwerfen durch moralische Gründe bestimmt wurden, konnten sie auch erstere nicht gelten lassen. Diese Gallier, welche

nach Prosper's Meinung sich mehr dem Pelagianismus näherten, unterschieden sich daher von denen, welcher er zuerst erwähnt, nur dadurch, daß sie sich auch gegen Augustin's Theorie von der Gnade erklärten, da sie einsahen, daß sie, wenn sie Augustin's absolutes Decret verwürfen, auch seine unwiderstehliche, allen Verdiensten des Menschen zuvorkommende Gnade verwerfen müßten. Sie ließen daher dem Menschen das Verdienst des guten Willens, und der Geneigtheit zum Glauben, credulitatis, wie Prosper sich ausdrückt. Wo eine solche credulitas sich finde, da unter stüße die Gnade, und diejenigen, von welchen Gott vorhergesehen, daß sie sich bei ihnen finden würde, habe er zur Seligkeit, diejenigen aber, von welchen er das Gegentheil vorhergesehen, zur Verdammniß bestimmt, ersteren das Evangelium predigen lassen u. s. w. Uebrigens bemerkt Prosper (§. 8.), daß die mehrsten dafür hielten, daß der christliche Glaube durch diese Verschiedenheit nicht beeinträchtigt werde.

Darin aber stimmten nach Prosper's Versicherung (ebendaselbst) fast Alle überein, daß sie die Prädestination auf Präscienz gründeten, so daß Gott deswegen Einige zu Gefäßen der Ehre, Andere zu Gefäßen der Unehre gemacht habe, weil er das Ende eines Jeden vorhergesehen, und bei Ertheilung der Gnade den Willen und die Handlungsweise eines Jeden berücksichtigt habe.

Hiemit ist zu vergleichen der Brief des Hilarius. Auch Hilarius stellt uns die Meinung der Gallier auf eine ähnliche Weise dar, giebt jedoch zu, daß in seinem erstern Briefe Einiges anders dargestellt sey. In dem gegenwärtigen Briefe folge er aber ihrer jeßigen Erklärung; nur könne er aus Eilfertigkeit oder Vergessen etwas übergangen haben. §. 9.

Folgendes ist es, was zu Massilia und auch an andern Orten Galliens verhandelt wird. Sie halten es für etwas Neues und der Predigt nicht Vortheilhaftes, zu bes haupten, daß einige nach dem Vorsaße gewählt werden, so daß sie diesen nicht ergreifen und festhalten können, wenn nicht der Wille zu glauben geschenkt ist. Sie glau ben, daß alle Kraft der Predigt ausgeschlossen werde, wenn

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