Denn in Beziehung auf ihre Erhebung sagt er auch an einem. andern Orte: Non est opus sanis medico, sed qui male habent u. f. w." In Rücksicht jenes Ausdrucks des Apostels non volentis, neque currentis fügt er noch hinzu: Wie kann sich dies auf den Gläubigen und Christi Geseßen Unterworfenen beziehen, zu welchem gesagt wird: Et in lege Domini fuit voluntas eius; si quis vult post me venire; voluntarie sacrificabo tibi Domine; qui voluerit animam suam salvam facere, perdet illam, et qui perdiderit animam suam propter me, inveniet illam? Siehe, ein wie großes Werk des Verlierens und Findens des Lebens er in den Willen des Menschen stellt. Und deswegen schloß er so: Filius enim hominis venturus est in gloria patris sui et tunc reddet unicuique secundum opera sua. Bemerke, daß der Verleiher der Gnade, indem er sagt, opera sua, das Heil des Menschen nicht in die Vorherbestimmung des Schöpfers, sondern in die Wirksamkeit des Dienenden stellte. Daher wird hier nicht die Beschaffenheit der Menschen, sondern ihr Wandel bezeichnet, und daher sagt er an einer andern Stelle: Omnes stabimus ante tribunal Christi, ut referat unusquisque propria corporis, prout gessit, sive bonum sive malum. Wenn also die Handlung des Menschen nicht auch dem Willen angehört, wie sagt er denn: Si volueritis et me audieritis, bona terrae comedetis? Da der Apostel fagt: ut possitis stare adversus insidias diaboli, und wies derum, ut possitis resistere in die malo, und im Folgenden: sumentes scutum fidei, in quo possitis omnia tela nequissimi ignea extinguere, so zeigt er auf's deutlichste, daß von Gott das Vermögen des Willens jedem Menschen zugestanden sey, wodurch er im Stande sey, nicht allein seinem Fleische zu widerstehen, sondern auch dem Leufel entgegen zu kämpfen. Von diesem sagt er auch an einer andern Stelle; Vigilate, quia adversarius vester diabolus tanquam leo rugiens circuit quaerens, quem devoret. Wenn die Nothwendigkeit der Geburt, wie du behauptest, diesem Widersacher schon bestimmte Opfer zuerkannt hätte, so würde er nicht suchen, welche er betröge, und den Zuerkannten würde es nicht nußen, zu wachen. Aber so ist es nicht. Denn so wie der Feind Allen naht, so wird Allen die Rechte des Schußes und der Hülfe nicht versagt, und den Betenden und Wachenden wird durch die Güte der Barmherzigkeit zu Hülfe gekommen." Auf diese Weise fährt Faustus fort, und zeigt, wie derje nige, welcher den freien Willen des Menschen läugne, auf die gotteslästerliche, ja teuflische Lehre kommen müsse, daß der Mensch den Versuchungen zur Sünde gar keinen Widerstand entgegenseßen solle. Im 11ten Capitel heißt es ferner:,,Wo bleibt" bei der Vorausseßung, daß der Wille des Menschen nur frei zum Bösen ist,,,der Ausspruch des Propheten: Audite me, qui sequimini quod iustum est et quaeritis Dominum, oder jener des Apostels: Nescitis quoniam cui exhibuistis vos ad obedientiam, servi estis eius cui obedistis, sive peccati ad mortem, sive obeditionis ad iustitiam. Indem also der Apostel von dem Menschen bessere Bestrebungen fordert, zeigt er, daß in ihm sey das Vermögen des guten Willens. Wenn wir diesen vorziehen, so preiz sen wir offenbar die Anordnung und wunderbare Einrichtung seines Schöpfers. Daß er zur Ausübung der Pflichten eingerichtet ist, zeigt eben der Apostel, wenn er spricht: Non ergo regnet peccatum in vestro mortali corpore, ut obediatis concupiscentiis eius, sed neque exhibeatis membra vestra 'arma iniquitatis peccato, sed exhibete vos Deo tanquam ex mortuis viventes, et membra vestra arma iustitiae Deo. Ingleichen: Humanum dico propter infirmitatem carnis vestrae. Sicut enim exhibuistis membra vestra servire immunditiae, et iniquitati ad iniquitatem, ita nunc exhibete membra vestra servire iustitiae in sanctificationem. Fordert er hier nicht denselben Menschen zu dem Fleiße guter Werke auf, welcher früher dem Bösen, wie er zeigt, ergeben war? Indem also der Zerstörer des freien Willens behauptet, daß auf eine von beiden Seiten alles durch die Vorherbestimmung bestimmt und festgesezt ist, so nimmt er durch diese Gottlosigkeit auch den höchsten Mitteln der Buße ihre Bedeutung. Wie preiset der die Gnade, welcher die Barmherzigkeit läugnet? Wie kann der das Geschenk Gottes behaupten, der seine Hülfe aufhebt? -Wie wird mir gesagt, declina a malo, et fac bonum, wenn ich das Uebel nicht vermeiden kann? Warum sagt der Apostel: mortificate membra vestra, und wiederum: Eratis aliquando tenebrae, nunc autem lux in Domino, ut filii lucis ambulate. Wie macht mir der Prediger des Geseßes die Veränderung meiner selbst zur Pflicht, wenn der Schöpfer mir ein unbefolgbares Gesetz (inimitabilem legem) aufgelegt hat? Expoliantes, sagt jener, vos veterem hominem cum actibus eius, induentes novum." Hier wird also auf kantische Weise aus dem Sollen das Können gefolgert. Wie behauptest du, daß die materielle Seuche der Sünde (concretam peccati labem) unzertrennlich zu dem Ursprunge und der Beschaffenheit des Menschen gehöre, da du doch erkennst, daß sie abgelegt und ausgezogen werden könne? Siehe vielmehr ein, daß du mit widerspenstigem Geiste gegen den heiligen Geist redest, welcher die Sacra, mente des Gesetzes und der Propheten, welcher die Drakel der evangelischen Wahrheit der Welt zur Hülfe gegeben (in adiutorium dedit), und denen, welche unter Mitwirkung der Gnade die göttlichen Gebote durch die Leistungen einer arbeitsvollen Knechtschaft (per laboriosae servitutis officia) ausüben, das Himmelreich versprochen hat. - Kann ohne große Anstrengung der Arbeit jener göttliche Befehl erfüllt werden: Noli vinci a malo, sed vince in bono malum? oder jener: Nolite seduci, corrumpunt mores bonos colloquia, und wie behauptest du, daß das empfangene Geschenk der Gnade (acceptum gratiae donum) auf keine Weise in Gefahr komme, wenn du liesest, daß gute Sitten durch schlechte verderbt werden können? Der vergeltenden Gnade und der bes lohnenden Gerechtigkeit wird viel entzogen, wenn die größs ten und ausgezeichnetesten Männer in Ruhe und Trägheit gekrönt werden. Und wo bleibt jener prophetische Ausspruch: Propter verba labiorum tuorum ego custodivi vias duras? Wenn die Sorge unser Heil zu suchen ein müssiges Geschäft, und der Weg der Tugend gemeinschaftlich,' allgemein und breit (communis, et generalis, et lata) ist, so lügen die Evangelien, welche sagen: Quam angusta porta et arcta via est, quae ducit ad vitam, et pauci sunt qui inveniunt eam. Wenn die Werke aufhören, so werden die Verdienste (merita) keine Ehre haben. Wenn nichts an der Arbeit schwer gewesen ist, so wird an der Lugend nichts Werthvolles seyn. Aber dieser schwere Weg zeigt die Trägen (ostendit ignavos), und die Arbeit schreckt die Müssigen ab. — Es heißt: Non custodierunt testamentum Der, et in lege eius noluerunt ambulare. Also nicht die Unmöglichkeit ruft den Menschen von dem Werke der Gerechtigkeit zurück, sondern die Gottlosigkeit (iniquitas) und der Wille. Da aber der Apostel sagt: Peccantem coram omnibus argue, so ist kein Grund, warum der Mensch zu tadeln oder zu verdammen sey, welcher wider seinen Willen sündigt. Dem ist aber nicht also. Denn da der Herr durch seinen Propheten sagt: Unumquemque secundum vias suas iudicabo, domus Israel, so ist derjenige, welcher der Leidenschaft unterlegen hat, nicht überwunden worden durch den Zwang des Vorherwissens (praescientia urgente), sondern durch die Schmeichelei der Sünde (peccato blandiente)." Auch nahm Faustus auf die Stelle aus dem 127sten Psalm Rücksicht, welche diejenigen, welche eine augustinische gänzliche Erstorbenheit des menschlichen Wils lens behaupteten, häufig anzuführen pflegten: Nisi Dominus aedificaverit domum, in vanum laborant qui aedificant eam. ,,Diejenigen, welche diesen unverständigen Einwurf machen, und das Ganze dem Menschen abzusprechen glauben, können mit dem Laut des Buchstabens ihren Verstand nicht in Uebereinstimmung bringen (secundum sonum literae intellectum suum expedire non possunt). Denn beschafft der Herr nur durch sich, gleichsam mit einsamer Fürsorge (solitaria procuratione) das Heil des menschlichen Geschlechts? Kei nesweges. Sondern so wie der Körper, welcher sich durch die Glieder verbreitet, den Befehl des Hauptes vollzieht, so erbauet der Herr sein Haus durch die Vorsteher und Hirten der Kirche, durch diejenigen, welche sagen: Dei adiutores sumus. Denn derjenige, welcher die Sörge der Rettung des Menschen übernimmt, ist der Gehülfe des Erlösers. Der Herr erbauet also dies Haus durch seine Heiligen, und die Heiligen durch ihren Herrn. Es wird die Kirche erbauet durch denjenigen, welcher gesagt hat: Ut sapiens architectus fundamentum posui. Erbauet und erkennt er anders seine Kirche, als durch die Arbeiten und Dienstleistungen der Prie fter, durch die Dienste und Beispiele der Heiligen, durch die Wunderkräfte (virtutes) der Apostel und den Tod der Märtyrer? Obgleich nun aber der Diener bis zur Ertragung aller Uebel und bis zu dem Verlust des Lebens arbeiten soll, so ist doch der Erfolg der Arbeit immer auf den Herrn zu beziehen. Wer aber theils den Anfang der Arbeit sich selbst beizumessen sich erkühnt, oder das Ende, zu dem wird bil lig gefagt: Nisi Dominus aedificaverit domum, in vanum laborant qui aedificant eam." Im 12ten Capitel zeigt Faustus ferner, daß auch der gefallene Mensch wieder aufstehen, und ein gottgefälliger Mensch werden könne, oder nach paulinis scher Ausdrucksweise, daß das vas contumeliae ein vas honoris werden könne.,,Wie wir in dem Buche der Könige lesen: Qui glorificant me, glorificabo eos: qui autem contemnunt me, erunt ignobiles. Warum wird dieser geehrt, und jener verachtet? Allerdings deswegen, weil auch jes ner Gott hat verherrlichen können, welcher ihn geschmäs het hat, und jener ihn verachten, welcher ihn verherrlicht | hat; weil derjenige, welcher Gott seinem Herrn hat gefallen wollen, ihm auch nicht gefallen wollen gekonnt hat, und derjenige, welcher nicht gewollt hat, doch hat wollen können. Si, sagt er, dixero impio, morte morieris, et egerit poenitentiam a peccato suo, feceritque iudicium et iustitiam, vita vivet et non morietur. Was ist der Gottlose anders, als das Gefäß der Schande?" Eben so könne er aber durch eigene Schuld aus einem Gefäße der Ehre ein Gefäß der Unehre werden. Auch dies sucht Faustus durch biblische Stellen zu beweisen, z. B. aus 2 Cor. 6.: Vos estis templum Dei, et spiritus Dei habitat in vobis. Si quis autem templum Dei violaverit, disperdet illum Deus. 3u dem Stehenden sagt der Apostel 1 Cor. 10, 12.: Et qui se existimat stare, videat ne cadat. Im Gegentheil sagt er zu dem Liegenden: Numquid qui cadit non resurgit? Potens est enim Deus statuere illum.,,Offenbar zeigt er, daß der Zustand des Menschen in ein Entgegengesettes nicht nach der Bestimmung Gottes, sondern nach der Freiheit des Willens übergehen könne. Mehrere andere biblische Stels len für die Freiheit des Willens, die er indessen als Will |