er sogleich eine Belohnung ihres Glaubens dadurch, daß er ihnen Vergebung der Sünden ertheile, und sie zu Kindern Gottes mache, über diejenigen aber, welche sich zum Bösen wendeten, verhänge er nicht sogleich die Strafe, welche sie 1 verdienten, sondern er warte eine Zeitlang, ob sie sich besserten.,,Diesen Vorsaß Gottes bekennen wir als etwas e Prädestinirtes und Bestimmtes. Indem also das Böse ges schieht, hat Gott nicht seinen Vorsaß unvermerkt eingeführt (subduxit), sondern der Mensch seine Verachtung bewiesen i (induxit), und nicht, indem Gott wollte, ist die Sünde ents D standen, sondern sie ist begangen, indem der Mensch nachlässig war. So sehr hat das menschliche Geschlecht wider den Willen Gottes gesündigt, daß er immer den Sündern zürnte, und denjenigen, welche Gerechtigkeit übten, zu Hülfe |1 kam. Endlich indem die ganze Welt von der Gerechtigkeit | Gottes abgewichen war, und durch die Sündfluth umzus kommen verdient hatte, wollte Gott, wie die heilige Schrift |f lehrt, daß sie durch seine Bestrafung gerettet würde." Die in dem Briefe an die Römer für die absolute Prädestination zu beweisen scheinenden Stellen wußte der Verfasser e des Prädestinatus mit seiner semipelagianischen Theorie in Uebereinstimmung zu bringen. Das Verderbliche der Prä- | destinationslehre für die Moralität und die religiöse Gesinnung des Menschen wird von ihm gleichfalls, und zwar auf ähnliche Weise, als es in der Vorrede des ganzen Werks geschehen war, sehr stark hervorgehoben. So heißt es im fünften Capitel: „Wenn dem also ist, daß ein jeder dasjenige ist, wozu er prädestinirt worden, so hört auf das Geseß, es hört auf der Priester, es hört auf die Andacht des Volks, es wird verschlossen der Eingang des Zufluchtsorts, es wird geleert der Schooß der Kirche, Keiner beugt sein Knie vor Gott, Keiner neigt sein Haupt zu den Segnungen, es werden verschlossen die heiligen Schriften (apices Dei) und zugleich verschwinden alle Bestrebungen der Tugenden." Auch argumentirt der Verfasser aus der Laufe, die er ein sacrificium nennt, welche doch nur den sie Verlangenden ertheilt werde, wobei er also nur die Laufe der Erwachsenen im Sinne haben konnte, und aus der confessio, welche doch - freiwillig geschehe, durch welches beides dem menschlis chen Geschlechte nur geholfen werden könne daß nicht die Gnade dem Willen, sondern der menschliche Wille der göttlichen Gnade in einem gewissen Sinne zuvorkomme, ob man gleich gerne zugestehe, daß diese größer sey, als jene. Die Gnade bestehe aber darin, daß wir dasjenige, warum wir bitten, umsonst erhielten. Auch läßt der Verfasser in so ferne die Gnade Gottes dem Willen des Menschen zuvorgekommen seyn, als durch die Erscheinung Christi und dessen Tod allen Menschen der Zugang zur Gnade geöffnet sey; auch komme sie ihm noch zuvor durch Belehrung, Einladung, Bérühs rung (compunctio), Verheißung der ewigen Belohnung und Androhung der ewigen Strafe. Cap. 7. 8. 17. Dabei nahm unser Verfasser auch die Nothwendigkeit der göttlichen Unterstüßung für die Ausübung des Guten von Seiten des Menschen keinesweges in Abrede.,,Der Lauf und das Bestreben des Menschen sind vergeblich (evanescunt), wenn sie nicht durch die unsichtbare Hülfe Gottes unterstüßt werden (nisi invisibilibus Dei adminiculis iuvati fuerint)." Worein er aber diese Unterstüßung feßte, darüber erklärt er sich nicht, sondern bleibt bei allgemeinen Aeußerungen stehen, daß alle gute Gabe von Gott sey, daß nichts der menschlichen Macht zuzueignen, sondern alles Gute der Barmherzigkeit Gottes beizumessen sey. Cap. 10. Auf alle Fälle konnte er den gänzlichen Mangel an Freiheit, welchen die augustinische Lehre von der Erbsünde in sich schloß, nicht zugeben. Die vielbesprochenen Worte, Non quod volo bonum hoe ago, sed quod odi málum hoc facio, follte der Apostel Paulus nicht von sich, sondern in der Person eines noch Ungetauften sagen. Cap. 14. Gegen die von dem angebli=" chen Prädestinatianer aufgestellte Behauptung, daß durch die Uebertretung des ersten Menschen die Freiheit des Willens verloren sey, bemerkt unser Verfasser, daß durch die Uebertretung des ersten Menschen sich die Freiheit des Willens gezeigt habe, welche den Menschen konnte etwas wol len thun lassen, welches Gott nicht gewollt habe. Wenn also die Freiheit des Willens verloren ist, woher sind wir Menschen denn Sünder? Wir sind nicht anders woher Sün der, als weil wir wollen, was Gott nicht will, und nicht wollen, was Gott will, wir begehen, was er verbietet, und wollen nicht thun, was er geboten hat. Wodurch begehen wir so viel Böses, wenn wir dies, ohne zu wollen, thun? Ein anderer ist es, welcher durch uns wirkt, ihm sollte das her das Gesetz gegeben werden, nicht uns. Wenn wir getrieben werden und nicht selbst handeln (Si nos agimur et non agimus), so haben wir, wenn wir fehlen, feinen Theil an der Sünde, und wenn wir glauben, keinen Theil am Glauben." Cap. 21. - Auf den Vorwurf, daß dies Pelagianismus sey, wird erwiedert, daß die Kirche nicht deshalb den Pelagius verdammt habe.,,Denn sie wirft ihm vor, daß er die Freiheit des Willens so sehr gesteis gert habe, daß er die Hülfe Gottes verwarf. Wir aber fagen: durch die Freiheit des Willens begehen wir jede Sünde, von jeder Sünde aber werden wir durch die Gnade Gottes, unter Zustimmung des freien Willens, befreit. — Die Freiheit des Willens ist in uns so mächtig, daß sie Gott gehorchen konnte, sie ist in uns so geschwächt, daß sie selbst Gott verachten konnte, von welchem die Freiheit selbst gegeben ist. Wenn die Freiheit des Willens durch die Uebertretung des ersten Menschen aufgehört hätte, so hätte auch das Gefeß aufgehört, welches nur zu demjenis gen reden kann, welcher es sowohl verachten, als auch auf dasselbe hören kaun." Es habe aber nicht das Naturgeseß aufgehört, durch dessen Beobachtung Abel, Enoch, Noah und die übrigen Patriarchen Gott gefallen, und durch dessen Nichtachtung diejenigen, welche die Sündfluth verschlang, oder die Schwefelflamme wegraffte, mißfallen häts ten. Cap. 22. Wir sagen," heißt es ferner, freilich ohne philosophische Präcision der Begriffe, da hier auf augustinische Weise die Freiheit als Zustand mit der Freiheit als Vermögen verwechselt wird, im 23sten Capis tel,,,daß der freie Wille da ist, wo die göttliche Gnade besteht. Denn ohne die Gnade Gottes ist der Wille nicht frei, sondern gefesselt. Denn wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit. Wir übergeben nicht jene Freiheit dem Stolze des Menschen, sondern beschränken sie auf die Gnade Gottes und deren Ruhm, welche so viel verleihet, daß Einige mehr Gutes thun als der Mensch vorgeschrieben hat, Andere mehr Uebels thun als er vers bietet. Denn die Hand, welche den Bekleideten berauben kann, welches, Gott verbietet, kann auch den Nackten kleiden, welches Gott befohlen hat. Benimm zu beis dem die Freiheit des Willens, und man zieht durch das Laster sich keine Schuld zu, und erwirbt durch die Tugend kein Lob. Hier macht der Verfasser auch einen Unterschied zwis schen libertas und arbitrium, indem er erstere auf den Körper, lettere auf die Seele bezieht. Wenn man einen Dieb gefangen halte, so habe man ihm die libertas zu stehlen genommen, aber nicht das arbitrium ut. f. w.,,Die Gnade hebt aber nicht den freien Willen auf, sondern sie heilt, sie erweitert, sie schmückt, sie unterrichtet und erhöhet ihn. Gleichwohl erhöht sie nicht den Nichtwollenden, sondern den Wollenden. Laßt uns daher uns überzeugen, daß die Gnade uns nicht verwirft, indem wir fündigen, sondern wir verwerfen die Gnade, wann wir fündigen.“ Um nun aber den Vorwurf des Pelagianismus völlig von sich abzulehnen, und sich in Rücksicht seiner Orthodorie zu rechtfer, tigen, spricht der Verfasser über mehrere dem Pelagius zuż geschriebene Lehrfäße im 24sten Capitel das Anathema aus. Wir verfluchen alle diejenigen, welche sagen, daß der Mensch, mit Aufhebung der Unterstüßung Gottes, ohne Sünde seyn könne, wenn er wolle. Wir verfluchen diejenigen, welche sagen, daß durch Adam kein Lod, und durch Christum kein Leben sey. Wir verfluchen diejenigen, welche sagen, daß derjenige, welcher von zwei Getauften geboren wird, der Laufe nicht bedürfen könne. Wir verfluchen dies jenigen, welche sagen, daß die Kinder zu Vergebung der Sünden nicht unter die Heiligung der Laufe begriffen werden. Wir verfluchen Alles, was die Kirche bei allen Häretífern verdammt." Aber auch über das Buch des Prädestis natianers, so wie über ihn selbst, wird das Anathema ausgesprochen. Im 25sten Capitel wird über das Buch noch berichtet, daß nur unter eidlicher Versicherung der Geheims -haltung es zu lesen verstattet sey, daß die mehrsten Weiber es erhielten, daß aber ein Weib es verrathen, und mit Abscheu über den Inhalt es Catholikern zur Prüfung vorges " 1 7 legt habe.,,Auch wir haben es gelesen, was ihr immer ges fürchtet habt, und indem wir unter der Hülfe des Herrn alle Gotteslästerungen desselben aufdecken, erinnern wir alle Catholiker, daß sie dieses Buch fliehen, verwünschen, und mit einem ewigen Anathema belegen." Die größte Verdammungswürdigkeit deffelben wird aber in dem Saße gefunden, daß die Wiederherstellung der menschlichen Natur nicht in der Wirklichkeit, sondern in der Hoffnung geschehe, wodurch den Mysterien des Heilandes ihre Kraft abgesprochen werde. Dabei wird denn die concupiscentia nach pelagianischer Weise für etwas Gutes, der Natur des Menschen zur Fortpflanzung Mitgetheiltes, aber nicht, was Augustinus wollte, für das Gefeß und die Ursache der Sünde erklärt, und jene Ansicht mit pelagianischen Waffen vertheidigt. Wir sagen, daß die concupiscentia sey eine Sache des natürlichen Kampfes, und behaupten, daß diese zur Fortpflanzung des Menschengeschlechts von Gott dem Schöpfer dem Mens schen eingepflanzt sey. Denn noch hatten die ersten Menschen von dem Baume der Uebertretung nicht gekostet, als Gott sie segnete mit den Worten, Crescite et multiplicamini et replete terram.“ u. s. w. Cap. 29 ff. Daß hiedurch die. Grundansicht des Augustinus bekämpft werde, wird auch hier gänzlich mit Stillschweigen übergangen, und von ihr als einer impietas a Praedestinatis inventa gesprochen. Cap. 31. So viel von dem Inhalte des ganzen, durch die über daffelbe erregten Streitigkeiten im siebzehnten Jahrhunderte fo berühmt gewordenen Werks. Dies ergiebt sich sogleich dem unbefangenen Forscher, daß auf dasselbe die Existenz einer prädestinatianischen Secte, für welche die Jesuiten aus ihm den Hauptbeweis entlehnten, durchaus nicht begründet werden kann. Es gab, wie wir gesehen haben, einzelne Ultra-Augustiner, welche namentlich die augustinische Lehre von der Prädestination so steigerten, daß sie auch eine Prädestination zur Sünde annahmen, wovor der philosophische Augustinus sich wohl gehütet hatte. Ein solcher Ultra - Angustiner war Lucidus, und ein solcher konnte allerdings der Verfasser des kezerischen Buches seyn, wenn nicht anders, was doch allerdings viel wahrscheinlicher und ähnlichen Fäl |