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J. Chr. Zahn erhielt und zu feiner Ausgabe (Weifsenfels, 1805 4o), wie A. F. Büfching inzwifchen (1773) zu den herausgegebenen Abhandlungen Ihre's benutzte. Auf den Grund einer eigenen Reife nach Upfala von Seiten des Dr. J. Löbe, welche ihm H. C. von der Gabelentz ermöglichte, gaben beide in den J. 1836. 1843. 1846 fämmtliche bisher gewonnenen Bruchftücke des Ulfilas mit Wörterbuch und Sprachlehre heraus. Da aber dennoch manches in der filbernen Handfchrift Unbemerkte zurück geblieben war, auch es rathsam erschien, die Handschrift zeilen- und zeichengenau abzudrucken, fo unternahm dies 1854 Andreas Uppftröm zu Upfala.

Schon als Arnold Mercator die fchöne koftbare Handfchrift in Werden fah, war diefelbe nicht mehr vollständig („lacerum, diruptum"); aber fo, ja noch verletzter (wahrscheinlich hatte fie in Prag, vielleicht auch noch später in Schweden selbst weiter gelitten) lag fie Franz Junius vor. Wenn Arnold Mercator die Handschrift auch nullo ordine ignorantia compactoris colligatum opus quatuor evangeliorum nennt, lo fcheint diefelbe damals wenigftens noch zufammenhängend gewesen zu fein; was aber die Ordnung betrifft, fo meinte Mercator wohl die, ihm vielleicht unbekannte, ältere Aufeinanderfolge der Evangelien,Matthäus, Johannes, Lukas, Marcus', die auch Junius noch vorfand und welche erft der fchwedische Kanzler Graf de la Gardie änderte, als er die koftbare Handfchrift von Ifaac Voffius um 600 oder 400 fchwedische Reichsthaler im J. 1662 zurückkaufte, in einen gewichtigen ganz filbernen Deckel binden liefs und feiner Königin von Neuem fchenkte. Im J. 1662 fchrieb Verelius die Handschrift zu Upfala nochmals gänzlich ab und 1669 ftiftete die Königin diefelbe an den eben genannten berühmten Ort, wo einft Odhin, Thorr and Freyr in goldbedachtem Tempel verehrt worden waren.

Jene urfprüngliche Folge der Evangelien (nach der es in den ältesten griechifchen Handfchriften auch ftets heifst Εὐαγγέλιον κατὰ Μαθθαῖον ἐτελέςθη· ἄρχεται τὸ Εὐαγγέλιον κατὰ Ἰωάννην u. f. w.) tritt in der filbernen Handfchrift noch jetzt klar aus der Folge der am unteren Rande ftets in Säulenbögen durchgeführten Gleich-Stellen der vier Evangelien, ebenso aus der alten Bezeichnung der Blätterlagen (Quaterniones) durch gothische Zahlbuchstaben hervor. Diefe wie die inneren Lücken unterrichten uns leider auch darüber, dafs die Handfchrift, die einft 330 Blätter umfafst haben mufs, während Ihre davon noch 187 vor Augen hatte, jetzt nur noch 177 umfafst, fo dafs durch die allmähliche Unbill der Zeit 153 verloren gegangen find: ein unerfetzlicher Verluft.

Die Haupteinbufsen der kostbaren Handschrift erklären fich übrigens, aufser dem Reize der filbernen und goldenen Schrift, aus jener alten Anordnung der Evangelien. Vom beginnenden Matthäus fehlt begreiflich der Anfang, vom darnach folgenden, innen geschützten Johannes, ebenfo vom Lucas weit weniger; von Johannes natürlich der Schlufs, von Lucas der Anfang nicht, eben fo wenig von Marcus, während deffen Schlufshauptstücke als am Ende der Handschrift natürlich wieder abgehen. Freilich fehlt auch der Anfang des Johannes und der Schlufs des Matthäus, ebenso der Schlufs des Lucas. Aber Goropius Becanus, Bonaventura Vulcanius und Richard Strein lafen wirklich auch noch mehr, z. B. Joh. 3, 4, während Franz Junius (Ausgabe 1665) und Olaus Verelius (1663) nur noch Joh. 5, 45 als Anfang vorfanden. Die Handschrift beginnt jetzt mit Matth. 5, 15 9, 26 als

erfter Lage, während bei Matth. 9, 27 (der jetzt zweiten Lage) das alte Lagenzeichen (cuftos) r fteht, wonach Matth. 1, 1 5, 7 etwa die erfte urfprüngliche Lage gebildet hatten, von welcher Gruter oder Mercator auch noch Matth. 1, 12. 13 vorgelegen haben muss. Einzelne Blätter mögen noch später entfremdet worden fein: fo Mtth. 6, 337, 11. 10, 2 22. 26, 4-65. 27, 20-41.

14, 3. 14, 16-40.

28, 1-29. Mk. 6, 31-52. 12, 3813, 5. 13, 30 16, 12-20. L. 16, 25 17, 2. J. 11, 48 12, 1. 12, 50 13, 10 u. f. w. Noch zwifchen 1821 u. 1834 aber find, wie Uppftröm S. 88 genauer nachweift, zehen Blätter (mit Mk. 1, 13-27. 2, 15 3, 7. 5, 427, 33 und wahrscheinlich auch Matth. 27, 54–65) frevelhaft ausgefchnitten und entwendet worden, thöricht obenein, da es merkwürdiger Weife grade meift folche Blätter find, welche wegen Abfchwächung der Schrift fchon dem gelehrten Ihre Schwierigkeiten bereitet hatten. Hier kam uns deshalb, aufser den von Uppftröm benutzten Abfchriften des Verelius (1662), den Anmerkungen Sotberg's und Friedr. Arendt's Holzschnitte von Mk. 2, 15-19, die Ihrefche Reinschrift der Evangelien, welche in des fel. Zeisberg's Sammlung zu Wernigerode noch heute ruht und von mir im J. 1852 benutzt werden konnte, einiger Mafsen wieder zu Statten.

Man hat gefragt, und nicht mit Unrecht, wie die filberne Handschrift nach Werden gekommen. Man hat an des h. Liudger dritthalbjährigen Aufenthalt in Italien (zwifchen 782-785) gedacht, wovon Alfred in Vita Liudgeri 2, 8 fpricht. Man hat auch nach Spanien geblickt, von wo Childebert (nach Gregor. Tur. 4, 10) bei der Einnahme des weftgothifchen Narbonne im J. 636 zwanzig mit Gold und Edelsteinen gezierte Evangelieneinbände erbeutete und mit heim nahm. Bezeichnend ift jedenfalls, dafs die Werdener Handfchrift fchon bei ihrem erften Wiederauftauchen in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts (f. S. LV) ohne Einband gewefen zu fein fcheint, der ursprünglich dem Werthe der Handfchrift felbft gewifs entsprochen haben mag.

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Handfchriften mit filberner und goldener Unzialfchrift, auf schwarzem und auf purpurnem Pergamente waren im 4. 5. 6. Jahrhundert nicht ungewöhnlich, wie folche noch heute mehrfach zu München, Strafsburg, Paris, Rom etc. aufbewahrt werden. Solche Handfchriften kannte fchon der h. Hieronymus, der zum Hiob fagt: „Habeant qui volunt veteres libros vel in membranis purpureis auro argentoque defcriptos vel uncialibus, ut vulgo dicunt litteris, onera magis exarata quam codices, dummodo mihi meisque permittant pauperes habere fchedulas, et non tam pulchres codices quam emendatos." Dafs die Upfaler Handfchrift aus Italien (Ravenna?) ftammen dürfte, dafür fprechen mehrere Spuren: nicht nur die Ueber- und Unterschriften anastódeith und ustáuk, die mehr dem explicit und incipit der lateinischen, als dem Ereléon und äoxerai der griechischen Handschriften entsprechen; fondern auch der Umstand, dafs jene Unterschriften fo wie die Eintheilung der Hauptstücke, wie fie in der Evangelienhandfchrift erfcheint, erft vom Bifchofe Euthalius von Alexandrien, also aus der Mitte des 5. Jahrhunderts herrühren, wo Ulfilas bereits längft todt war. Auf Italien oder doch Kenntnifs lateinischer Schrift deutet ferner die mehrfache Schreibung des ng u. nk (ft. gg und ggk oder gk) z. B. thank

(L. 17, 9), thankeith (L. 14, 31), bringith (L. 15, 22), bringandans (L. 15, 23), inkvis (L. 19, 32), wie auch die wirklich in Italien gefchriebenen Urkunden von Ravenna skilligngans und unkjana und die aus Bobbio stammenden paulinifchen Briefe Akvila (Azúλas) neben Qartus, und vielfach laíktjó (S. 635) aufweifen. Cebrigens ftammen auch die Wolfenbüttler Blätter, welche fo auffallende Schriftähnlichkeit mit der filbernen Handfchrift beurkunden, thatfächlich aus Bobbio.

Auch manche Randbemerkungen der letztgenannten Handschriften (aus Bobbio) deuten auf Einflufs lateinifcher Lesarten: fo der Wechfel zwifchen luftuns und viljans (E. 2, 3) auf,voluptates' und,voluntates', während die griechifchen Handschriften hier fämmtlich nur 9ɛλnuara lefen, höchstens in V. 1 statt duaqtíais eine Hdfchr. lavuíais bietet. Weniger beweift hier der Gebrauch lateinischer Wörter wie militôn, kapillón, anakumbjan, ku(m)bitus, àffarjus, aúrali, faskja, káifar, karkara, paúrpura, lukarn), die wie kavtsjó der ravennatifchen Urkunde auch in den Lebensgebrauch des griechischen Reiches, gleich Spaíkulat(a)ur (und zovaíorwę etc.), übergegangen und fchon von dort aus an die Gothen gekommen fein mochten, wie die von Ulfilas beibehaltenen griechischen Wörter Krékés, drakmê, faban, markreitus, fpyreida, piftikeins, apaúftaúlus, aípistaúlé, aípifkaupus, diakaúnus, diabaúlus, aikklésjó, aívaggéljó, aívchariftia, aivlaúgja, fynagógé (felbft fynagogafaths) u. f. w.

Dass in Italien übrigens gothische Handschriften der h. Bücher bekannt und vorhanden waren, davon zeugen die Schlufsworte der Brixener Handschrift der Bibel (bei Bianchini Evangel. quadrupl. S. 1), worin die Ausleger der Schrift gewarnt werden, „ne legenti videatur aliud in graeca, aliud in latina vel gotica defignata effe confcripta.“

Was die S. LIV fchon erwähnte, zweifelsohne irrthümliche Vermuthung einer zweiten Handfchrift der Evangelien betrifft (Mailänder Blätter ergeben übrigens den Schlufs des Matthäus), fo haben wir hier noch, in Rückblick auf die Wiener Salzburger Handschrift (S. XLVIII), die aus Lukas (1, 19 oder 26 u. feiner Ueberschrift) und 1. Buch Mofis (S. XLVIII), alfo wohl aus einem ganzen Ulfilas fchöpfte, einer Aeufserung von Walafrid Strabo zu Reichenau (849), dem für deutsche Bildung eifrigen Schüler des gleichbefeelten Hrabanus Maurus, zu gedenken, der in feinem Buche de rebus ecclefiafticis 8. von den Gothen fagt, dafs „,ut hiftoriae teftantur, poftmodum ftudiofi illius gentis divinos libros in fuae locutionis proprietatem transtulerunt, quorum adhuc monumenta apud nonnullos habentur." Ja er fährt fogar fort: „Et fidelium fratrum relatione didicimus, apud quasdam Scytharum gentes maxime Tomitanos (f. S. XXIV) eadem locutione divina hactenus recitari officia."

Die von Walafrid Strabo gebrauchten Worte „studiosi ... transtulerunt" scheinen die Annahme Löbe's zu bestätigen, dafs mehrere an dem gothischen Bibelwerke, wenn auch nur allmählich, fortsetzend geholfen hätten. Vielleicht hatte Jener des Ulilas Schreiber und Nachfolger Selinas im Sinne: aber fchwerlich dürfte z. B. aus den beim Evangelium Lucă allerdings auffälligen, von Löbe deshalb hervorgehobenen Abweichungen in Lauten (dem häufigen d statt th etc.) und Worten auf einen verfchiedenen Ueberfetzer gefchloffen werden.

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Von der gothifchen Ueberfetzung der heiligen Schriften find uns nun folgende grofsere oder kleinere Stücke erhalten, in wirklichen Ueberreften oder auch für den Alten Bund aus den Büchern des Neuen Bundes zu entnehmen; wozu der Ueberficht wegen gefügt ward, was uns abgeht. Die hierbei gebrauchten Abkürzungen find Sk(eireins), U(pfaler filberne Hdfchr.), M(ailänder Hdfchften u. zwar A.B., wo Doppelhandschriften), W(olfenbüttler Bruchft.), S(alzburg. Wiener Hdschr.).

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