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machst du aus dir selbst?" Es liegt zugleich die. Beschuldigung der Impietät gegen die ehrwürdigen Voreltern in dieser Entgegnung.

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v. 54. 55. Jesus widerlegt zuerst die Beschuldigung, daß Er etwas aus sich mache, was Er nicht sei. Sein Rühm sei kein Selbstrühmen, dieses hätte allerdings keinen Werth; sondern Ruhm vom Vater, welcher absoluten Werth hat.. Er legt nun weiter ihr Verhältniß zu diesem seinem Vater. dar, woraus sich auch ihr Unglaube leicht erklärt - Den ihr euren Gott nennet, und ihr kennt Ihn nicht!" Sie kennen nämlich wohl. seinen Namen, kennen Ihn auch theoretisch aus der Offenbarung; aber nicht wahrhaft und unmittelbar, obwohl sie seiner Erkenntniß sich rühmen das ist also nichts als leeres Reden, Täuschung und Lüge. Dem sezt Er sein Erkennen entgegen. „Ich aber kenne Ihn, und sagte ich, ich kenne Ihn nicht, so wäre ich eures Gleichen, ein Lügner." Das Erkennen Jesu ist jenes einzige, von dem Er spricht: Nemo novit Patrem, nisi Filius, das unmittelbare, wesensgleiche Erkennen, und darin liegt auch der höchste Beweis für seine Wahrhaftigkeit. Nochmal versichert Er ihrer prahlerischen Lügenhaftigkeit gegenüber: „aber ich kenne Ihn und halte sein Wort." Dieß leztere will sagen, daß es nicht ein todtes logisches Wissen von Gott sei, sondern ein lebendiges Erkennen, das in Liebe und Gehorsam besteht.

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v. 56. Das ist gegen die andere Seite ihrer Beschuldigung gerichtet als hätte Er sich freventlich über Abraham gestellt und dadurch eine Impietät gegen den Erzyater begangen. Im Gegentheil flagt die Gesinnung Abrahams die ihrige laut an und gibt gerade für Ihn das ehrerbietigste Zeugniß. „Abraham euer Vater frohlockte, daß er meinen Tag sehen sollte, und er sah ihn und hat sich erfreut." Der Tag Chrifti ist die Zeit seiner Erscheinung, vorzüglich seiner Verherrlichung. Von Abraham ist nun erstens ausgesagt, daß er den Tag Christi sehen sollte; das ist am einfachsten auf eine ihm gewordene Verheißung zu deuten, daß er einstens den Messias und die befeligenden Früchte desselben schauen sollte. Implicite liegt das auch in allen Verheißungen, die dem Abraham über den kommenden Erlösungssegen gemacht worden sind - und schon dieß Hoffen und Harren auf den Kommenden erfüllte seine Seele mit Wonne. Zweitens ist gesagt, daß

er diesen Tag geschaut und sich erfreut habe. Es ist zweifelhaft, ob von einem bloß prophetischen Schauen in die messianische Zukunft, oder von einem wirklichen Schauen Abrahams aus dem Jenseits die Rede sei; lezteres wahrscheinlicher, da ein bloß prophetisches Schauen wohl nicht Gegenstand göttlicher Verheißung und so froher Hoffnung sein konnte. Es ist ja auch ein Schauen und Theilnehmen am Erlösungswerke aus dem Jenseits sehr natürlich, da ja auch Moses und Elias bei der Verklärung Chrifti erschienen. Hierin liegt ein schwerer Vorwürf für sie, die vor. lauter scheinbarem Respekt vor Abraham so grell mit ihm im Widerspruch standen. Daher ist Pater vester (vv) so stark hervorgehoben.

v. 57. Die Juden verstehen auch das wieder nur vom leiblichen Anschauen und drehen mit argem Sinne das eigene Wort des Herrn um. „Du hast noch nicht fünfzig Jahre und hast Abraham gesehen ?“ Fünfzig Jahre ist das reife Mannesalter, und da der Herr augenscheinlich das nicht hatte, glauben sie mit ihrem kurzen Verstande einen greifbaren Unsinn entdeckt zu haben, in dem Er sich selbst gefangen.

v. 58. Jesus hätte ihnen nähere Erklärung geben können, aber nicht das intellektuelle Mißverständniß, sondern der. böse, ungläubige Wille ist die Hauptsache. Darum spricht Jesus nun unverhüllt von seiner göttlichen Höhe herab: „Ehe Abraham ward, bin Ich." Das Dasein Abrahams wird durch das ɣevéodai (wie c. 1. vom Johannes d. T.) als ein zeitlich-gewordenes dargestellt, Sich hingegen schreibt Er nicht bloß die Präeristenz vor Abraham zu, sondern das Sein schlechthin, ohne Werden und ohne Veränderung.

v. 59. Jesus hatte absichtlich - ihrer verschuldeten Schwäche keine Concession mehr gemacht Er hatte sich in einem Lichte gezeigt, das dem Empfänglichen zum Leben, dem Unempfänglichen, bloß Sinnlichen zur Verblendung werden mußte. Er wollte dem Schwanken ein Ende. machen und sie zur Enscheidung zwingen; das ist das Gericht der Of= fenbarung. Wirklich erreichte ihre Stimmung den Grad der äußersten Wuth, daß sie Ihn um dieses Wortes der Wahrheit willen steinigen wollen - ein trauriges Vorspiel dessen, was bald geschehen soll. Fr aber verbarg sich und entzog sich; ob mit oder ohne ein Wunder ist zweifelhaft.

b) Heilung des Blindgebornen. 9. Kap.

Die folgende Wunder-Erzählung ist in mehrfacher Beziehung höchst merkwürdig. Einmal ist die Schilderung im höchsten Grade anschaulich und gehört in dieser Beziehung zu dem Unmittelbarsten, was wir in den Evangelien besigen. Sodann ist das Wunder mit aller Kritik mißgünstiger Augen untersucht, also mit der größten urkundlichen Gewißheit konstatirt. Endlich ist die Wunderheilung selbst höchst eigenthümlich und belehrend und von tiefer Bedeutsamkeit. Die Heilung hat einige Aehnlichkeit mit der im 5. Kap. erzählten Heilung des 38 jährigen Kranken; und wie dieselbe mit der darauffolgenden Rede von der lebenschaffenden Macht Christi zusammenhängt, so hängt diese da offenbar zusammen mit der. vorhergehenden Rede vom Lichte der Welt (f. 8, 12-9.). Gerade hier zeigt sich Jesus faktisch als das Licht der Welt mit seinen eigenthümlichen Wirkungen. An diesem Lichte nämlich wird der Blinde körperlich und geistig sehend, aber die Sehenden oder Sehenwollenden versinken in eine an Wahnsinn gränzende Verblendung. Die" Erzählung selbst läßt sich in drei Stücke

theilen:

a) das Wunder (v. 1-7);

8) die Untersuchungen der Juden darüber (8-35);
r) die geistige Frucht desselben im Geheilten (34–41).

a. Die Wunderheilung. 1-7..

v. 1. 2. Zeit und Schauplaz des Wunders können nicht sehr vom Schluß der vorhergehenden Erzählung abstehen, da der Evangelist bemerkt, Jesus habe im Vorübergehen. offenbar nach seinem Weggehen aus dem Tempel einen Blindgebornen erblickt; um so schlagender reiht sich das Wunder an jene Verblendung, die Ihn soeben zur Flucht nöthigte. Es fanden sich überhaupt die Elenden und Armen gerne in der Nähe des Tempels ein, besonders an Festtagen. Diesen Blindgebornen hatte die Vorsehung hergerufen, wie Jesus selbst erklärt. Wie das natürliche Licht schon von selbst das Bild der geistig-göttlichen Erleuchtung ist, so ist die körperliche Blindheit auch von selbst das traurige Bild geistigen Todes, geistiger Verschlossenheit. Das Uebel war aber bei diesem um so jammervoller und hoffnungsloser, da er

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blind geboren war eine Heilung also nur durch einen schöpferischen Aft möglich schien. Auch den Jüngern geht sein großes Elend zu Herzen und sie denken über die Ursache eines so ungewöhnlichen Unglücks nach. Sie fragen den Meister: Wer hat wohl gefündigt, dieser oder seine Eltern, daß er blind geboren wurde?" Diese Frage geht von der Vorstellung der Vergeltung aus, von der ja das jüdische Gesetz so ganz durchdrungen war. Dabei war allerdings der wahre Gedanke, daß das Uebel überhaupt nur Folge der Sünde sein könne; aber einseitige Uebertreibung war es, daß jedes zeitliche Uebel Folge einer Sünde sein müsse. Auch der andere Gedanke, daß eben die Eltern sein Unglück könnten verschuldet haben, hat einigen Anhalt im Gefeße, da Gott von sich sagt, Er sei ein eisernder Gott, der in's dritte und vierte Glied strafe — aber belohne in's tausendfte! Exod. 20. 7 Aber seltsam klingt die Frage, ob etwa er selbst gesündigt habe und deßhalb blind geboren sei? Manche legten den Jüngern die Meinung von einer Seelenwanderung bei, aber die ist nicht jüdisch; die Meinung, als könne der Mensch im Mutterleibe sündigen, ist wohl nur eine talmudische Grille, die die Jünger kaum theilten. Wahrscheinlicher ist, fie denken an eine anticipirende Justiz, die Gott in Voraussicht großer Schlechtigkeit über den Armen verhängt habe.

v. 3. Jesus korrigirt nun ihre bornirt lieblose Ansicht und legt ihnen den höheren Causalnerus von diesem Uebel dar. Weder er, noch seine Eltern haben gesündigt," d. h. durch Sünde diese Blindheit verschuldet aber auch kein bloßer Zufall ist diese Blindheit, sondern ,, damit Gottes Werke an ihm offenbar werden." Die Werke Gottes find hier seine Heilung, ja noch mehr, seine Gewinnung für das Heil. Allerdings bedarf Gott zur Offenbarung seiner Herrlichkeit des Bösen oder des Uebels nicht, und es ist nie bloß darum in der Welt, damit Gott verherrlicht werde. Aber doch hat es Gott in seine Dekonomie verflochten, nun es einmal da ist, und es muß nun dem höchften Zwecke des Universums dienen, wie alles andere. Aber die Blindheit dieses Menschen kann, streng. genommen, nicht einmal als ein Uebel betrachtet werden sie war eine Vorbereitung zu einem großen geistigen Gute, zu seiner Bekehrung, die sonst vielleicht so wenig stattgefunden hätte, als bei tausend Sehenden. Man darf also nur die geistige Erleuchtung als leßten Zweck des Werkes Gottes am Blinden

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betrachten, so schwindet alle Schwierigkeit, und die Blindheit kann als eine göttliche Wohlthat erscheinen...

v. 4. 5. Nun erklärt Er- sein Verhältniß zu der so eben ausgesprochenen göttlichen Absicht, der Verherrlichung Gottes sowohl bei diesem Uebel, als in der Welt überhaupt. „Ich muß die Werke Deffen thun, der mich gesandt hat," d. h. ich bin Derjenige, durch den Gott feine erlösende Thätigkeit offenbart. Er bestimmt seine Thätigkeit noch genauer durch den Beisas: „folang es noch Tag ist; es kommt die Nacht, da Niemand mehr wirken kann." Dieß ist sprüchwörtlich und im Bilde menschlicher Thätigkeit gefprochen und will, auf den Erlöser angewendet, so viel sagen: es sei auch für Ihn und seine Thätigkeit, wie für die aller Menschen, eine bestimmte Frist, nach deren Ablauf seine Thätigkeit aufhören müsse, wie sie für jeden Menschen beim Einbruch der Nacht endet. Die Zeit des Tagewerkes Chrifti ist ohne Zweifel die vor seinem Leiden, mit diesem beginnt die Nacht, die Vollendung und die Ruhe. Er deutet hiemit an, wie es Ihn dränge feine göttliche Thätigkeit zu üben, folang Er nur könne wie Er gerade diese nächste Gelegenheit ergreife. Er bestimmt nun auch noch die Art seiner Thätigkeit näher, oder in welcher Weise Er das göttliche Wirken offenbare. Solang ich in der Welt bin, bin ich das Licht der Welt." Er will sagen, seine Thätigkeit sei aber, zu erleuchten und zwar in jedem Sinne, vorzüglich geistig zu erleuchten, und zwar die ganze Menschheit, aber auch leiblich, wenn es nothwendig; und diese seine Aufgabe dauere, solang Er in der Welt sei. Man könnte freilich sagen, Jesus habe ja durch sein Weggehen aus der Welt nicht aufgehört das Licht der Welt zu sein, und erst nach seinem Tode also in der Nacht habe sein operari recht begonnen. Aber das ist kein neues Wirken, kein neues Offenbaren, kein neues Schaffen mehr, sondern nur die Fortdauer und Erhaltung seines Tagewerkes auf Erden. Dieses Tagewerk kann man mit den fieben Schöpfungstagen Gottēs vergleichen die Nacht" mit dem Sabbat, dem langen Ruhetage Gottes; wie dieser nicht ohne Thätigkeit Gottes ist (5, 17), so ist freilich auch die Zeit nach dem Tode Christi nicht müßig, aber kein Schaffen mehr. Hiemit hat Christus auch den rechten Sinn des folgenden Wunders erklärt es soll eine Manifestation des göttlichen Lichtes und des göttlichen Erleuchters sein.

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