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bachs urteil (s. 368) auf dem meinigen beharren, das ich H. v. A. s. 60 ausgesprochen habe. Nur möchte ich den dichter nicht mehr als 'nachtreter' und 'compilator' verurteilen. Denn er hat sicher nicht daran gedacht, dies erzeugnis seiner musse den werken eines Hartmann oder Gottfried,1) an denen er sich gebildet, zur seite zu stellen.

Man tut darum, meine ich, dem dichter des Armen Heinrich und einer reihe vorzüglicher lieder grosses unrecht, wenn man ihm das poetisch wertlose büchlein zuschreibt. Liest man dieses ohne jeden philologischen nebengedanken, lässt man es rein als dichtung auf sich wirken, so macht es einen durchaus unerfreulichen eindruck. Keine wahre empfindung, aber die phraseologie der leidenschaft, wenig poesie, aber viel dialektik und geistreiches hin- und herreden. Der verfasser war zweifellos ein temperamentvoller und gescheiter mann, aber eben nur ein guter redner und disputator, kein guter dichter. Schon die bis ins kleinste durchgeführte logische disposition, die u. a. durch die bekannten prosaischen partikeln (sit, sit nu.., aber u. s. w.) dem leser geradezu aufgedrängt wird und die oben das angelegte schema zeigt, vernichtet von vornherein jede poetische wirkung. Der poetische eindruck beruht eben nicht auf einer wolgefügten schlusskette, sondern auf der einheitlichen, wolgefügten entwickelung eines vorgangs, der anschaulich sein oder mehr ins gebiet des gefühls fallen kann. Nach den proben, die Hartmann in seinen letzten liedern (insbesondere MF 205, 1 ff. 212,37. 214,12. 217,14) und im Iwein von seiner kunst gegeben hat, liebesempfindungen und liebesangelegenheiten stimmungsvoll darzustellen, sollte man ihm doch besseres zutrauen als dies büchlein. Dies selbst dann, wenn man annimmt, dass er hier nicht eigene, erlebte stimmungen darstellt, sondern bloss zur unterhaltung seiner dame ein so eigenartiges werk aus der phantasie geschöpft habe; nicht aber wenn man mit Schönbach s. 347 glaubt, das zweite büchlein beziehe sich auf ein verhältnis echter gegenseitiger zuneigung und auf wahre liebe, die sich eben in der bedrängnis entfaltet habe. Wer Hartmann diese reine verstandesdichtung zutraut, unterschätzt seine dichterische bedeutung sehr.

1) Nachahmung Gottfrieds: vgl. Büchl. 33-36 mit Trist. 1863 ff.

Mir scheint auch, dass Schönbach in dem gedicht zu viel persönliches und erlebtes findet. Er sagt s. 367: 'als der dichter das büchlein schrieb, war er über die erste glut der neigung hinaus gekommen; noch liegt ihm daran sich die gunst der frau zu erhalten, aber er fasst schon kühler auch den fall ins auge, dass es ihm nicht mehr gelingen möchte. Ohne zweifel trägt er schuld, er ist schon wirklich untreu gewesen, die frau kann es erst werden, und nun ist es ihm wichtig, sie ins unrecht zu setzen. Nicht umsonst widerholt er, dass sie es sich zuschreiben müsse, wenn das verhältnis abgebrochen werde. Seinen mahnreden und beteuerungen klingt das wil si mir sin ze hêre seltsam nach; dieser liebe blüht keine erfüllung mehr'. Auf die differenz mit der auffassung der lage, die Schönbach s. 347 vorträgt, braucht man kein gewicht zu legen, aber ich bezweifle, dass das büchlein mehr als ein schriftstellerisches erzeugnis ist. Sollte die form des büchleins nicht bloss ein mittel der darstellung sein, um gewisse stimmungen in einem passenden rahmen zum vortrag zu bringen?

Das minneverhältnis und die trennung durch huote, namentlich aber das was der verfasser über seine lebenslage berichtet, mag wirklich sein. Das büchlein aber als echten liebesbrief aufzufassen, gerichtet an die geliebte, um sie zur beständigkeit zu mahnen, scheint mir völlig unmöglich. Der ganze ton ist so, als ob der verfasser sich ein publicum vorstellte. Er fällt zwar nirgends aus der rolle (iu v. 386 ist zusatz Haupts), aber die art wie er von seiner dame in der dritten person spricht und die ganze weise des vortrags deutet darauf hin. Offenbar hat der ritter nur die allgemeine situation, in der er sich befand, benutzt und aus ihr heraus das büchlein componiert, das er als ein technisches kunststück für die öffentlichkeit bestimmte. Für mich beweiskräftig ist der teil B II. Dieser schildert die vergeblichen versuche die der ritter gemacht hat, um von seiner liebe loszukommen. Man wird nicht glauben, dass ihm diese bekenntnisse bei seiner dame zur empfehlung gereichten. Hatte er wirklich mit seinem gedicht den zweck den Schönbach ihm zuschreibt, dann konnte er kaum ungeschickter vorgehen. Durchschlagend ist aber die stelle v. 507-540. Seiner dame in einem liebesbrief dergleichen zu schreiben wäre vollendete roheit. Ist die form des büchleins

nur einkleidung, so mildert sich die stelle. Aber auch dann bleibt sie ein unerhörter verstoss gegen die kunstform deren sich der verfasser bedient, und zeigt, dass er eben kein künstler ist. Es bleibt mir schwer verständlich, dass man einer sittlichen persönlichkeit wie Hartmann, einem so bedeutenden künstler, dergleichen verse und an solchem orte zuschreiben kann.

VIII. Zur kritik und erklärung.

In diesem capitel mögen einige besserungsvorschläge und erklärungen zum text des büchleins platz finden. Dabei liegt Haupts text zu grunde und werden die H. v. A. s. 89 ff. gemachten vorschläge als bekannt vorausgesetzt. Ich muss zuweilen ausführlicher sein, als es die bedeutung der stellen an sich verlangt. Der grund ist, dass es mehrfach nötig wird, mich gegen die etwas scharfen angriffe Schönbachs in seinem schon oft citierten buche (s. 374 ff.) zu verteidigen. Ich hoffe nachweisen zu können, dass nicht immer ich derjenige bin der unrecht hat.

Die oben mitgeteilte disposition zeigt, dass die absätze bei Haupt zuweilen nicht zweckmässig gewählt sind. H. v. A. s. 89, bei Bech und dann bei Schönbach sind besserungsvorschläge zu finden. Mit v. 14 beginnt kein neuer teil (Schönb. s. 362). V. 4 solte ist nicht 'könnte' (Bech), sondern 'müsste'. V. 8 zu dem sich begunde vgl. Berl. heldenb. 5, s. xxi und Grimms Gr. 4,36. Hinter v. 28 setze man einen punkt, hinter v. 31 wäre ein kolon deutlicher. Hinter v. 34 ein komma. Zu v. 33 Hinter v. 41 ein komma, hinter 42 sich auf v. 42. Vgl. 22-32. V.72

-36 vgl. Trist. 1863 ff. semikolon. daz bezieht lies diu.

V. 79 schreibt die hs. wirs leben. Lachmann vermutet wunschleben. Diese besserung ist an sich darauf weist Schönbach s. 375 mit grund hin sehr gut und sinngemäss. Aber man fragt: wie kommt der schreiber auf das sinnlose wirs? Offenbar durch eine verlesung. Ich suche nun H. v. A. s. 89 eine solche wahrscheinlich zu machen, allerdings wie Schönbach mit recht tadelt, in zu künstlicher weise. Aus ritt's soll durch dreifache vertauschung der unverständliche ausdruck entsprungen sein. Trotzdem kann man an der möglichkeit einer paläographischen ableitung festhalten, nehme

dann aber rit's zum ausgang. Das r wird vom schreiber gelegentlich in u verlesen, wie Zingerle, Zs. fda. 27, 138 nachweist. Oefter t in r, ebda. s. 139 unten. Dass dann unter vernachlässigung des abkürzenden hakens aus rits uirs, endlich wirs entstehen konnte, ist also gewis möglich. Ob freilich die lesart wirs gerade auf diesem wege oder einfach durch flüchtigkeit eingetragen wurde, bleibe dahingestellt: mindestens steht dem schriftbild und dem klange nach wirsleben einem rit sleben näher als einem wunschleben. Nun kommt dazu, dass unmittelbar vorher in v. 67 das wort rittersleben steht und v. 79 ausdrücklich darauf zurückdeutet. Warum also nicht

lieber dies in den text setzen? Dass es vorher v. 67 richtig geschrieben worden, ist natürlich kein einwand. In v. 79 war das wort eben so undeutlich, dass der schreiber den sinn nicht gleich erkannte. Lange darüber nachzudenken aber fiel ihm schwerlich ein: er schrieb hin was er zu lesen glaubte.

Jedoch lege ich auf diese ableitung keinen wert. Ich möchte nur Schönbachs kritik gegenüber darauf hindeuten, dass sie möglich ist.

Schönbach selbst verzichtet überhaupt auf eine solche und meint: 'im ernste jedoch genügt es, darauf zu verweisen, dass wunschleben bisher nur in guten mhd. schriftwerken, nämlich nur bei Hartmann von Aue (Iwein 11. A. Heinr. 393) gefunden, also wol wie der ganze begriff wunsch in späterer zeit unverständlich geworden ist und demgemäss in unverstandenes verlesen wurde'. Dieser hinweis genügt aber nicht: vielmehr kann diese erklärung Schönbachs mit sicherheit widerlegt werden. Der schreiber der Ambraser hs. verstand nämlich den ausdruck wunschleben sehr wol; denn an jener Iweinstelle setzt er dafür ein wunnsamesleben. Ebenso verstehen es die jungen hss. z und r: diese bieten wunschlich l. und erwunstes 1. Im A. Heinr. hat B auch wunschliches leben. Es kommt dazu, dass das wort wunsch und seine composita in der Ambraser hs. wenigstens in den Hartmannischen werken, die das büchl. umgeben, selten verlesen wird. Im Erec z. b. von den zehn stellen, die ich Bechs index entnehme, nur in v. 2741: die hs. hat hier wust. 6487 ist vnns keine verlesung, sondern absichtliche änderung des sinnes. Ueberdies steht II. büchl. v. 113 wunsch ganz richtig in der hs.

l.

Anstössig, wie Schönbach meint, konnte mir Hartmanns wunschleben im II. büchl. unmöglich sein. Denn eben das habe ich mich bemüht nachzuweisen, dass der verfasser dieses gedichtes die werke des Auers genau kennt und benutzt. Da die wendung daz selbe wunschleben nebst dem folgenden reim gegeben im A. Heinr. steht (v. 393. 394), so hätte man, Lachmanns conjectur als richtig angenommen, einen neuen beweis dafür, wie gründlich der verfasser die werke seines meisters studiert hat.

V. 80 halte ich trotz Schönbach an Bechs lip fest. Die verse 79-80 nehmen v. 72 ff. wider auf und zwar mit denselben ausdrücken. Ausserdem ist sinen vliz geben in mîner frouwen gewalt gewis nicht mhd., weil dem vliz geben dabei eine kaum glaubliche anschaung zu grunde liegt. Auch finde ich keine parallelen dazu. V. 81 kurzer ausdruck für 'in die gewalt derjenigen, die jetzt meine dame ist'. V. 94 übersetzt Haupt 'der sich doch leicht erfüllen konnte'. Aber hán ist 'haben', nicht 'erlangen'. Vgl. Iw. 7864 ichn habe gedingen noch wân. Genauer also: 'den ich leicht d. i. mit grund hegen konnte'. V. 95 ist sælden gemach nach Paul, Mhd. gr. § 190, 1 zu beurteilen, etwa 'mein ruhiges glück', 'das selige behagen' (Bech). V. 98 nimmt v. 90 wider auf. Beide daz haben gleiche bedeutung. Haupts auffassung ist also der Schönbachs (s. 376) vorzuziehen.

zusetzen. Vgl. die disposition.

V. 99 ist kein anlass abV. 102 steht dem sinne nach

v. 99 und 100 gleich. Der nachsatz ist mit einer im mhd. gewöhnlichen freiheit zwischen die daz-sätze eingeschoben. V.99:

100 ie gesach unheiles.

V. 117-120 ergibt die hs.

daz vor mîn trûren wære

dô ich was âne swære,

daz wær mîn beste freude nû.

Hier werden die verse Greg. 505-507 nachgeahmt. Dort haben die ausgaben

daz ê ir trûren wære

dô sî was âne swære,

daz was ir bestiu vreude hie,

und zwar ist ê in V. 505 nirgends überliefert, sondern conjectur Beneckes. Nun hat Haupt das vor der Ambraser hs. durch

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