Page images
PDF
EPUB

Die e-laute.

Im bestand der vier e-laute: e, e, é, a ist natürlich manche verschiebung eingetreten; dass dieselben jedoch, wie Amersbach angibt, principiell gar nicht mehr auseinander gehalten würden, ist ein irrtum. Im gegenteil: die durchaus reinen reime sind in so erdrückender majorität (ca. 80 e: e, 160 : e, 45 æ æ, 60 ê é), dass die anderen dagegen völlig verschwinden.

:

Zu den reinen e-reimen sind natürlich alle die zwischen ë und dem jüngeren umlauts-e zu stellen (vgl. Wilmanns, Deutsche gramm. 1, § 198 und die dort verzeichnete literatur): ehte (8): rëhte 729, geslehte ëhte 4725, rëhte 1311. 1936. 4083. 4297. 5295, pfert: wërt 5039; auch erge: berge 547, vgl. Ehrismann, Beitr. 22, 291. Daran schliessen sich an schemen (: nëmen), das auch sonst oft auf e reimt (vgl. Lexer 2, 299 und v. Bahder, Grundlagen des nhd. lautsystems s. 107), und stete (: tëte) 79. 279. 1181, steten (: trëten) 4851; vgl. Ehrismann a. a. o. s. 298 f.

Umgekehrt liegen ebenfalls reine reime vor in den fällen, in welchen ë vor g und st bereits gemeinmhd. geschlossen gesprochen wurde (vgl. Wilmanns 1, § 197 anm. 2): gegene : wëgene 2503, begegenten sëgenten 3471, best: nest 1911, wëste: beste 4707, besten wësten 21. 3171. In vënie: menige 2373. 3575 kann wol übergang von ë> e vor i vorliegen1) (vgl. Kauffmann, Beitr. 13, 393, weitere literatur bei Wilmanns § 197); doch ist diese annahme nicht nötig. Da es für vënie ein reimwort mit e nicht gibt, so ist dieser reim eben traditionell geworden, wie er denn oft den charakter eines flickreims hat. Er steht z. b. Erlösung 1129. 3351. Lohengrin 6564. Rabenschlacht (Martin, Heldenbuch 2) 513. Elisabeth 599. 716. 736. Ebernand von Erfurt 2841. Heslers Apokalypse 113a. Nur aus dem Md. schachbuch 207, 17 ist mir eine andere reimbindung venjen undertenjen bekannt.

Darnach bleiben von reimen von ee nur noch übrig: gewerp derp 3367, gewerbe erbe 4169, bërt: beschert 2033, merken werken 763. 1709, smërn: nern 4703. In all diesen

1) Schwerlich menige mit offenem e, wie in der Vorauer hs. der Kchr. anzusetzen ist, vgl. v. Bahder, Grundlagen s. 106. Ueber den reim į : g vgl. Ehrismann a. a. o. s. 295 und Weinhold, Mhd. gr. § 222. Aus der Apokalypse sind zu vergleichen die reime vortilgen: concilien bl. 145, : evangelien bl. 148.

folgt dem e ein r+cons., vor dieser lautverbindung findet ein ausgedehnter übergang vom geschlossenen zum offenen e-laut statt (vgl. Wilmanns 1, § 199).

Fremdes kurzes e erscheint nur selten im reim, teils auf geschlossenes e: Egestin: wëstin (s. oben) 1823, besten 1509, teils auf offenes: Herodes : des 1397.

mêre: mêre

entfêt : sét

Sehr selten sind die reime von ê: ê (= œ)1): 3691, sêrde: swêrde (œ) 3307, vête : nête (œ) 1967, 2671. In v. 2565 ist wol mêre = mære zu lesen. praet. von hân reimt auf ê (= æ): stête 62. 4133, trête, daneben auch auf kurzes ë: tëte 2399. 3801. 5095.

Der conj.

crête 675,

Diese seltenheit lässt erkennen, dass für unseren dichter der umlaut von â sich mit altem ê nicht deckt, wenn beide laute sich auch ziemlich nahe standen. In weit grösserem umfang werden ê: a gebunden im md. buch Hiob (vgl. W. Müller s. 13), schon seltener bei Jeroschin, der die quantität, wie es scheint, strenger scheidet als die qualität (vgl. Pfeiffer s. LVII). Bei Ebernand von Erfurt (Bechstein s. xx) und Heinrich von Krolewitz sind diese reime ebenfalls ziemlich häufig. Ihnen stehen aber andere dichter aus dem ganzen md. gebiet gegenüber, welche gleich Hesler eine abneigung gegen diese reimbindungen haben; vgl. auch v. Bahder, Grundlagen s. 110 und Ehrismann, Beitr. 22, 290. Es ist nicht notwendigerweise darin ein dialektisches charakteristikum zu erkennen, vielmehr wird oft nur der grad des gefühls für reimreinheit darin zum ausdruck kommen.

Einzelne md. mundarten haben heute den unterschied zwischen und e ganz aufgegeben, 2) so das obersächsische, vgl. W. Braune, Beitr. 13, 584. Bei Heinrich von Krolewitz kann deshalb wol auch schon sehr weitgehende annäherung zwischen é und angesetzt werden. Andere md. dialekte dagegen scheiden é und auch heute noch streng: é als

1) So nach md. orthographie.

2) Hierzu sind auch die mundarten zu stellen, die é und œ vermengen und für beide je nach der nachbarschaft, in der sie sich befinden, offenen oder geschlossenen laut sprechen, so das ruhlaische, das für é den geschlossenen laut vor r, l, m, n erhält und in derselben stellung auch œ in ê wandelt (näheres bei Regel, Ruhl. mundart s. 8). Aehnlich verhält sich die Stieger mundart, vgl. Liesenberg, Stieger mundart s. 21 und 26.

geschlossenen und œ als offenen laut; das schlesische hat æ zu geschlossenem é gewandelt, aber gleichzeitig altes é (und œ) völlig zu i verengt, vgl. Braune a. a. o. s. 574.

Langes fremdes e reimt auf é und ê (œ): Michahele: sêle 2581, Neren: êren 4603, sêne : Nazarene 1799, Cyrene 1571. Olivete und prophete reimen auf hete 2228. 2653. 2883. Das aus -ehe-, -ëhe-, -êhe- contrahierte é wird wie altes é behandelt und reimt wie dies einzeln auf é (a).

Ursprünglich lange und kurze e-laute, die bei Jeroschin sich im reim oft begegnen, werden bei uns selten gebunden. Gar nicht belegt ist e: é; -ë: é erscheint in ër: mér 379, worin wir ein zeugnis der früh beginnenden dehnung des pron. erblicken müssen (Wilmanns 1, § 246. Weinhold § 458). Auch v. 4913 fasse ich als her mêr (nicht her); herre reimt auf vërre 1541, wie auf êre 4447, der zweite reim ist der specifisch mitteldeutsche (vgl. Germ. 11, 150). — e : é (= œ): gezême: vorleme 353. Hier ist im zweiten wort gleichzeitig dehnung (vor m, Wilmanns § 243) und verdrängung des geschlossenen lautes durch den offenen in anlehnung an 'lahm' anzusetzen.ë: ê (=æ): ledic static. Der reim erklärt sich auf grund von dehnung. Wenn ledic unter dem einfluss des suffixes geschlossenes e erhalten hat (Kauffmann, Beitr. 13, 392), so wird man denselben wandel auch für static als möglich anerkennen müssen.

In v. 2663 ist gegen Weinhold § 51 gebërde (: ërde), nicht gebêrde zu lesen.

Langes

:

i.

ist natürlich monophthong. Reime von urspr. i i sind sin sin 619 und gezihte lihte 2275. Der erste reim kann nur als unrein betrachtet werden, jedenfalls kann die dehnung, die Weinhold § 72 annimmt, nicht fest gewesen sein, da sonst sin stets auf kurzes i reimt. Im zweiten reim nehme ich trotz bihte lihte 1877. 4935 lihte mit kurzemi an, das wol auf nd. einfluss zurückzuführen ist; vgl. nd. lihten.

:

Sicher als kurz hat ursprüngliches zu gelten in den zweiten compositionsgliedern von esterich dich 781 und itewiz (: iz) 1081, itewizzen bizzen 1963, vlizzen 1815. 4793. Ebenso reimt stets auf kurzes i die unflectierte form des suffixes -lich: mich 575. 1055. 3097, sich 199. 225. 271.-liche und -lichen

:

werden dagegen nur mit i gebunden, vgl. v. 837. 1481. 3477.

4191. 4219.1)

Fremdes i reimt auf (im buch Hiob nur auf ie, W. Müller Herodi 1419, vrie: Aromathie 2249, Mazîhen 989, sîn : karin 2753. 2715. 3693, paradis: sîs 3663, rês 11. 119. 4061,

s. 17): dri: Levi 2681, rien: vrien 1885. 4997, schinen: karinen 2731, wis 87, pris 57. 1873.

:

Davit: quit 1615. 2037. 2303, strit 3163, nit 5043, strîten: Tyten 4653.

e und i.

Die speciell md. berührung zwischen e und ist in unserem gedicht im reim nicht häufig zu belegen. Der grund dafür kann ein doppelter sein. Entweder empfand der dichter solche reime entschieden als dialektisch und suchte sie deshalb zu vermeiden, oder die beiden laute hatten sich doch nur bis zu einem gewissen grad genähert, ohne aber zusammengefallen zu sein. Zwischen beiden annahmen zu entscheiden ist unmöglich, wahrscheinlicher scheint mir die zweite.

ë liegt vor in belëgen besigen 2347, e: i in pferden : wirden 4855, beschert: birt 2033. Nicht beweiskräftig ist hermen schirmen 541. 4927. In seht geschikt kann contractionsvocal ie vorliegen (Weinh. § 113). vorjigen: swigen 2683 erklärt sich durch berührung zwischen e- und i-reihe in iehen, vgl. v. Bahder, Germ. 30, 400. Behaghel, Pauls Grundr. 1, § 141, 4. werken (inf.) (: merken) 735 ist altes wërkan statt wirkian; einem as. brengian kann brengen entsprechen in brengen vorhengen 3871, brenge: lenge 2163, brenget vorhenget 4811 (Amersbach 1, 12. Wülcker, Vocalschwächung s. 25. W. Grimm, Kl. schriften 3, 224). Daneben stehen jedoch auch die reime bring ging (imperativ) 771, bringen: dingen 303. 841. 4635, bringet: twinget 761. 5085.

Während in den stammsilben der laut sich mehr zum e

1) Vgl. Weinhold, Mhd. gr. § 16. Der dort gegebenen zusammenstellung ist nachzutragen: bei Ebernand v. Erfurt finden sich reimbelege nur für i (s. XXIV), ebenso reimt das Passional (vgl. 41, 26. 42, 62. 131, 193), das buch Hiob (W. Müller s. 12), Ludwigs kreuzfahrt (4932. 4948. 4966. 4996. 5232. 5368), die Erlösung, das Md. schachbuch (Zs. fda. 17, 386). Im Marienleben bruder Philipps sind auch reime auf i häufig; doch reimen dort ebenso wie in der Erlösung auch himelrich 294. 2514, kunigrich u.s. w. auf kurzes i,

neigte (vgl. auch die heutige aussprache des i in Norddeutschland, Wilmanns 1, § 222), herscht in den flexionssilben offenbar die i-qualität vor, wie der reim lôsen : vrô sîn zeigt; ebenso kint pergament 2831, sint: tusent 5127, vrides: Isidis 4567, cruzes: lucis 3487, westen: iestin 1825; - bat in staten 2563, twang in: gangen 1927 geben über die lautqualität keinen aufschluss. Vgl. auch Ebernand von Erfurt, akrostichon v. 3421 und s. XI. Germ. 5, 489 ff. 6, 424 ff.

:

0.

:

o und ô sind meist gemeinmhd. o, ó. Dehnung von o ist öfter anzusetzen vor r+t; vgl. Weinhold § 79. Wilmanns § 247. Ritzert, Beitr. 23, 221 und die dort citierten paragraphen. gehört: wort 1139. 3747, dort 929, hôrte: worte 2913, : vor(h)te 695, hôrten: pforten 3075. In offener silbe storen : bekoren 1485. In v. 2415 boten roten ('rot werden')) ist im zweiten wort kürze anzusetzen, die auch sonst im reim häufig belegt ist, vgl. Lexer 2, 506. Fremdes o vor n reimt mit ausnahme von Symeon (: von) 2879 stets auf ô: Salomon: lôn 1109, Veronen: lônen 4523, Pharaône : schône 1175. 1327. Der dativ auf -o ist nur im reim auf do belegt 1189. 4597. 3805. behemot reimt auf got 253, Enoch auf noch 2687.

Ueber o u und o uo s. unten.

u.

û ist natürlich monophthong. Nur scheinbar sind ausnahmen hûf: besouf 3511, : touf 3003. 5263, da neben hûf ein altes houf einhergeht, das damit im ablaut steht; vgl. auch Passional 115, 78. 266, 5 und weitere belege bei Lexer 1, 1376. Die reime sûft: guft 3305, : luft 3679 erklären sich wol am einfachsten durch eintretende kürze, ebenso auch lûter: geluter 267. Als beleg für die kürze darf bei luter vielleicht auch die orthographie gelten, da die hss. S und G übereinstimmend stets lutter mit zweit schreiben, während sie sonst doppelconsonanz nach langem vocal streng vermeiden. Luter reimt ausserdem nur noch auf gekluter 3381, gelutert : geklutert 4157, das im Wb. mit langem angesetzt wird. Der einzige beleg

1) Ein intr. roten 'sich zusammenrotten', an das man an dieser stelle zur not auch denken könnte, ist mhd. nicht belegt.

« PreviousContinue »