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also aus der mhd. normalen form) durch anhängung von t oder d, Weinhold § 291. Unsere hs. zeigt diese formen sehr reichlich, ja fast ausschliesslich, z. b. du gæbd 29a, du zepræht 151b, du spræchd 116a. 117b, du hulft 119a, du vertribd 78b, du stigd 87a, du flucht 20b, du sluegd 14b, du emphiengd 59 a, lieftu 69a. Die identität dieser besonders charakteristischen form musste das zusammenfallen der endung schwacher und starker conjugation im praeteritum ungemein erleichtern.

Das aber ist es, was angenommen werden muss, wenn man den heutigen conj. praet. (auch ind., vgl. Nagl s. 369 ff.) als eine fortsetzung dieser alten mundartlichen reflexe der schwachen praeterita auf 6 verstehen will. Besondere schwierigkeiten sehe ich dabei nicht. Der inhärierende guttural ist verflüchtigt, ganz wie die endung der adjectiva auf ht (Wilmanns, D. gramm. 2, 464 ff) in dem heutigen bair.-österr. dialekte nur als (a)d erscheint. Wenn aber die bildung -ad jetzt auf den conjunctiv praeteriti beschränkt ist, so erklärt sich das einmal daraus, dass der ind. praet. von der mundart überhaupt gänzlich fallen gelassen wurde (vgl. Nagl a. a. o. unsere hs. gibt noch lat. perf. meistens durch das praet. wider und kann somit, da sie fest datiert ist, als ein zeitlicher fixpunkt für die eliminierung des praeteritums dienen), ein zusammengesetzter conj. perf. aber zu schwierig ge

wesen wäre.

Die identität der heutigen endung -ad mit den -acht, -aht der Grazer hs. wird dadurch nicht zweifelhaft, dass ich für den guttural der alten formen keine sichere erklärung weiss. Ist das ch, h nicht etwa überhaupt nur ein dehnungszeichen? Bei ch ist das schwer zu glauben, aber in unserer hs. überwiegen von quinio zu quinio die h immer mehr. Sollte sich der schreiber allmählich überzeugt haben, dass er dem charakter des lautes gemäss besser h als ch zu setzen habe? h zur dehnung ist in alten aufzeichnungen dieser mundart nicht selten, Weinhold § 197. Und die vorkommenden praesensformen auf -aht sprechen gleichfalls für die blosse länge des vocals der endung. Nur die berufung auf sonstige alte zeugnisse oder auf den lebenden dialekt kann meines erachtens die frage entscheiden.

238 SCHÖNBACH, UEBER DEN CONJ. PRAET. IM BAIR.-ÖSTERR.

Zum schlusse will ich nicht unbemerkt lassen, dass die vorgeführten beispiele der Grazer hs. auch verschiedene färbungen der vocale vor ht aufweisen. Ich habe vergebens gestrebt, sie unter einheitliche gesichtspunkte zu bringen. Einfluss des wurzel vocals lässt sich vermuten, aber nicht erweisen, ebenso wenig einfluss der function, an den man sonst am ehesten denken möchte. Auch diesen punkt muss ich also vorläufig im dunkeln lassen.

GRAZ.

ANTON E. SCHÖNBACH.

EBER.

Vor kurzem hat Berneker (IF. 8, 283 f.) eine neue erklärung von ahd. ëbur zu geben versucht, indem er sich berechtigt fand, das wort von lat. aper und slav. vepri zu trennen. Er macht übrigens wenig umstände, denn lautet seine argumentation

'während bei ersterem vergleich der vocalismus schwierigkeiten macht, verbietet den letzteren einfach das v'.

An erster stelle werde ich auf das slavische wort eingehen, über dessen v Meillet (IF. 5, 332 f.) eine scharfsinnige vermutung aufgestellt hat. Er hebt mit recht hervor, dass ein w-vorschlag im slavischen vor dunkeln vocalen keineswegs unerhört ist, und erklärt vepri als eine contamination von *wopri aus *opri (vgl. lat. aper) und *jepri aus *epri (vgl. ahd. ebur). Bei dieser auffassung wäre lett. vepris natürlich als ein lehnwort aus dem slav. zu betrachten. Der w-vorschlag vor o (d. i. indog. a, o, ǝ) scheint aber eine jüngere und einzeldialektische erscheinung zu sein, welche im allgemeinen auf westslav. und russ. mundarten beschränkt ist. Aus Miklosich habe ich mir die folgenden beispiele verzeichnet:

osorb. vobli, klruss. vóblyj aksl. oblu 'rund' (aus *obrlu, vgl. lit. ap-valùs);

wruss. vocet aksl. ocitu 'essig' (got. akeit);

:

osorb. vorcl aksl. ocěli 'stahl' (ahd. ecchil?);

:

czech. vodr: odr 'vorscheune'.

osorb. vopor: nsorb. hopor 'opfer' (ahd. opfar);

polab. vüģin, vügün, osorb. vohen, nsorb. vogeń: hogeń, aksl. ogni 'feuer' (vgl. lit. ugnis, lat. ignis, aind. agní-);

osorb. nsorb. vojo, klruss. voje, czech. vůje: oje, südslav. oje (*ojes-, vgl. gr. olā§ und aind. īshá, Lidén, s. Brugmann, Grundr. 12, 1091);

polab. våkü, osorb. voko, nsorb. voko hoko, aksl. oko ‘auge' (vgl. lat. oculus);

polab. vülüv, våliv, osorb. nsorb. voloj, wruss. volovo : polab. al' av, aksl. olovo 'blei' (in den jüngern dialekten auch 'zinn': vgl. über die etymologie Beitr. 22, 537);

osorb. voltar', klruss. voltar: oltar, aksl. olutari 'altar' (ahd. altāri);

osorb. voman: russ. u. s. w. oman 'inula helenium' (wol ein fremdwort);

polab. vōböråk, poln. webor, weborek (apr. lehnwort wumbaris) : aksl. *aborŭ(ků), aruss. uborékŭ ‘eimer' (ahd. eimbar);

czech. voměj : oměj, slov. omej ‘aconitum napellus' (vgl. poln. omięg, rum. lehnwort omeag, welche auf *omęgu hinweisen); osorb. vuda, poln. węda, klruss. vudka, wruss. vuda : aksl. ada 'hamus';

nsorb. vuž, poln. wąż, kaš. voz, wruss. vuž: russ. už, aksl. *aži 'schlange' (vgl. lit. angìs);

polab. võgör, osorb. vuhor', nsorb. vugor, poln. węgorz : russ. ugori, aksl. *agori 'aal' (vgl. apr. angurjis);

poln. węgieł, klruss. wruss. vuhol: aksl. aglu 'winkel' (dazu stelle ich aind. ágra-, avest. ayra- 'spitze', das auf *nglo zurückgehen kann);

polab. võgil, osorb. vuhl, poln. węgiel, klruss. vuhol' aksl. agli 'kohle' (vgl. lit. anglis und aind. angāra-);

osorb. vuhra, poln. pl. wągry, węgry, klruss. vuhor: russ. ugorì, aksl. *agru, *agrì 'beule' u. dgl.;

polab. vôs, poln. was (apr. lehnwort wanso), klruss. wruss. vus, czech. vous: aksl. asй 'flaum, bart' u. dgl. (ich vergleiche aind. amcú- 'faser, stengel', av. asu- 'schoss, stengel);

poln. watly 'nicht dauerhaft': aksl. atlu 'durchlöchert'; nsorb. vuse 'junge ente', klruss. vuť'a: aksl. aty ‘ente' (vgl. lit. ántis);

polab. vån, osorb. nsorb. von, klruss. vón: aksl. onŭ ‘jener, der' (vgl. lit. añs);

osorb. vopica aruss. opica 'affe' (an. ape, ahd. affo); osorb.nsorb. vopak : aksl. opako, opaky 'retrorsum' (vgl. aind.

άpāka);

polab. vårat, osorb. vorac, nsorb. voras: aksl. orati 'pflügen' (vgl. lit. árti);

polab. vür'ål, osorb. vor'ol aksl. orilu 'adler' (vgl. lit. arelis);

polab. vüs, osorb. voska, klruss. vôś : aksl. osì (vgl. lit. aszìs);

:

osorb. voskrot aksl. oskrůdu 'haue, hammer' u. dgl. (vgl. apr. scurdis);

osorb. vosom, nsorb. vosym, russ. vosemě: aksl. osmi 'acht' (vgl. lit. aszmas);

osorb. nsorb. vosa: poln. osa, russ. osina 'espe' (vgl. apr. abse);

osorb. vost, nsorb. voset 'distel', russ. vostryj ostryj, aksl. ostru 'scharf' (vgl. lit. asztrùs);

osorb. nsorb. vosol aksl. osilu 'esel' (got. asilus); osorb. nsorb. votava russ. u. s. w. otava 'grummet'. osorb. votruby, nsorb. votšuby, wruss. votrubi: aksl. otrabi 'furfur';

polab. vit, klruss. vôd aksl. otu 'von' (vgl. lit. at-);

:

osorb. vote, nsorb. vośc 'vater', russ. votčina 'erbgut', votčim 'schwiegervater': aksl. otici 'vater';

polab. vica, osorb. vovca, nsorb. vejca, klruss. vové a aksl. ovica 'schaf' (vgl. lit. avis);

polab. vivas, vijās, osorb. vovs, klruss. vôvśuch : aksl. ověsů 'hafer' (vgl. lat. avēna);

klruss. voznyc'a 'darrhaus', czech. vozditi ozditi ‘darren'. Im südslav. fehlt der w-vorschlag vor einfachem o (slov. vol ol 'bier' steht vereinzelt da) und nur in einem besonderen falle, nämlich vor a (aus on) hat das slovenische (und zum teil auch das bulgarische) ein anlautendes w entwickelt, vgl. slov. vôdica (ôdica, aksl. adica), vôž (aksl. *ąži), vugor (ôgor, aksl. *agori), vôgel (aksl. aglu), vôgel (aksl. agli), vôgre (aksl. *agrici), vôs (aksl. ąsŭ), vôtel (aksl. ḍtlu). Für altslav. w-prothese vor o ist kaum etwas anzuführen, denn auf vagrinŭ neben agrinŭ darf man sich nicht berufen, weil es sein v von vŭgrină herübergenommen haben wird, und ebensowenig auf vaza (vęzati), dessen v (w) wol nur in der zusammensetzung mit să-, u- lautgesetzlich entstanden ist (Brugmann, Grundr. 12, 943). Es bleibt, soviel ich sehe, nur gemeinslav. vonja ‘geruch' (vgl. aind. ániti) übrig, das aber ohne weitere stütze die annahme einer altoder gemeinslav. w-prothese vor o nicht rechtfertigen kann Beiträge zur geschichte der deutschen sprache. XXIV.

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